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Kurt Roeske, Kos. Zentrum der antiken Medizin. Ein kulturhistorischer Reiseführer (2024)

Der neueste Kulturreiseführer des Philologen Kurt Roeske nimmt uns mit auf die Urlaubsinsel Kos. Denn die Insel hat mehr zu bieten als Strand und Meer. Viele ihrer antiken Zeugnisse führen uns zu den Ursprüngen der Medizin. So befand sich auf Kos ein Asklepieion, d. h. ein Heiligtum des Asklepios, des Gottes der Heilkunst, und der wohl bekannteste Spross der Insel ist der Arzt Hippokrates, dessen Eid sich Mediziner bis heute verpflichtet fühlen.

Roeske stellt zunächst neben Geographie und Geologie die Geschichte und Wirtschaft der Insel von der Antike bis heute vor und unternimmt dann mit dem Leser einen Spaziergang zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt Kos. Im Bereich rund um den Hafen finden wir vor allem nachantike Bauten, aber auch das Archäologische Museum und die antike Agora, das griechische Stadtzentrum. Hier sieht man unter anderem Reste eines Aphrodite-Heiligtums und einer frühchristlichen Kirche, der sogenannten Hafenbasilika.

Mehr antike Spuren haben sich im Westen der antiken Stadt erhalten. Hier, wo sich die Hauptstraßen der römischen Stadt kreuzen, lebten die wohlhabenden Römer. Ein Beispiel für römischen Luxus ist die „Casa Romana“, die Rekonstruktion einer Stadtvilla, die im 3. Jh. n. Chr. auf den Resten von nicht weniger als drei Häusern aus dem 3. Jh. v. Chr. errichtet wurde. Weitere Sehenswürdigkeiten in diesem Viertel sind der Altar für Dionysos, der in seiner Form dem Pergamonaltar ähnelt, das Odeon, einem kleinen überdachten Theater, sowie das Nymphäum. Außerdem kann man in diesem Bereich einige interessante Mosaike des antiken Kos besichtigen.

Im nächsten Kapitel nimmt uns Roeske mit zum etwa vier Kilometer südwestlich der Hauptstadt gelegenen Heiligtum des Asklepios. Zunächst erfahren wir, was die Mythologie über den Heilgott erzählt, dann erkunden wir das Heiligtum, wobei Roeske nicht nur die archäologischen Überreste beschreibt, sondern den Leser, wie es für seine Buchreihe typisch ist, anhand von antiken Quellen den dortigen Kultbetrieb näherbringt.

Die wichtigste Heilmethode im Asklepieion war der Heilschlaf. Auf diese und andere Heilmethoden geht Roeske im nächsten Kapitel ausführlicher ein, das im Zeichen heilender Götter steht und mit den Wunderheilungen Christi und einiger Heiliger endet.

Bereits aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. stammen jedoch unsere ersten Zeugnisse einer eher rational-methodischen Medizin. Antike Schriften berichten von medizinischen Geräten wie Sägen, Klingen oder Messern, aber auch von Rezepturen und Heilanweisungen.

Als Begründer der empirisch-wissenschaftlichen Medizin gilt dagegen Hippokrates. Viel ist über sein Leben nicht bekannt, außer dass er von ca. 460 bis ca. 370 v. Chr. lebte. Er lernte sein Handwerk von seinem Vater und unternahm ausgiebige Reisen. Er begründete die Schule der Vier-Säfte-Lehre, die davon ausging, dass die Ursache von Krankheiten ein Ungleichgewicht der in jedem Körper vorhandenen Säfte – gelbe und schwarze Galle, Blut und Schleim – sei. Auch waren Anamnese, Diagnose und Prognose wichtigen Pfeiler seiner Heilmethoden. Es wurde dabei auch genau festgehalten, welche Krankheiten wie behandelt wurden und welchen Erfolg oder Misserfolg eine Behandlung hatte.

Ausgehend von diesen Anfängen der empirischen Medizin stellt Roeske die weitere Entwicklung der Medizin bis in die Moderne dar und endet mit einer kritischen Betrachtung der Fortschritte in der heutigen medizinischen Forschung.

Im Schlusskapitel nimmt uns Roeske mit auf einen Tagesausflug nach Patmos, wo er ausführlich auf die Apokalypse und ihren Verfasser Johannes eingeht, der dort lebte. Sicher ist, dass Johannes die Offenbarung hier auf Patmos geschrieben hat. Ob tatsächlich in der als Entstehungsort geltenden Höhle sei mal dahingestellt. Über dem Grab des Johannes entstand im 11 Jh. das „Kloster des Heiligen Johannes des Theologen“, das sich weithin sichtbar über der Hauptstadt der Insel erhebt.

Auch in diesem Buch über Kos und Patmos lässt Roeske die Vergangenheit durch zahlreiche schriftliche Zeugnisse lebendig werden, was den besonderen Reiz seiner kulturhistorischen Reiseführer ausmacht.

Kurt Roeske, Kos. Zentrum der antiken Medizin. Ein kulturhistorischer Reiseführer
Exkursion nach Patmos: Ein Tag auf der Insel des Johannes
Erscheinungsdatum: 07.06.2024
238 Seiten
ISBN: 978-3-8260-8649-6 

Buchbesprechung: Patrick Schollmeyer, Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten der griechischen Inseln (2024)

In seinem aktuellen Buch steuert der Archäologe Patrick Schollmeyer einen weiteren Führer zu der Reihe „Die bekanntesten archäologischen Stätten …“ des Nünnerich-Asmus-Verlags bei. Diesmal geht es auf die griechischen Inseln:

  • Die Ionischen Inseln
  • Die Saronischen Inseln
  • Euboia
  • Die Kykladen
  • Die Nordägäischen Inseln
  • Die nördlichen und südlichen Sporaden
  • Die Dodekanes-Inseln

Kreta wird hier ausgespart, da für diese Insel ein eigenes Buch in Planung ist.

Während wir über die Geschichte der großen Stadtstaaten wie Athen, Korinth oder Sparta und über viele Heiligtümer auf der Peloponnes und dem griechischen Festland recht gut informiert sind, fehlen uns für die griechischen Inseln Quellen wie die Reisebeschreibungen des Schriftstellers Pausanias (2. Jh. n. Chr.). Und auch die in mittelalterlichen Klöstern kopierten antiken Quellen beschäftigen sich meist nicht mit den politischen Ereignissen der griechischen Inseln, sofern sie nicht mit den „weltpolitischen“ Entwicklungen zu tun hatten. Was wir über ihre Geschichte wissen oder vermuten können, fasst P. Schollmeyer in der Einführung zu seinem Buch zusammen.

Unsere Reise führt uns zunächst auf die Ionischen Inseln, genauer gesagt nach Korfu. Zwar gibt es hierzulande auch Funde aus neolithischer Zeit, aber ins Licht der Geschichte tritt diese Insel erst im 8. Jh. v. Chr., als der Stadtstaat Korinth hier eine Kolonie gründet: Kerkyra. In der Neuzeit verzauberte die Insel Kaiserin Sissi und Kaiser Wilhelm I., deren „Achilleion“ ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Das wohl bekannteste antike Heiligtum Korfus war der Athena geweiht. Von ihrem Tempel stammt der Giebelschmuck, der ein Highlight des Archäologischen Museums ist. Er zeigt im Zentrum Medusa mit ihren Kindern Pegasus und Khrysaor, flankiert von zwei Panthern.

Ebenfalls zu den Ionischen Inseln gehören Ithaka, die legendäre Heimat des Odysseus, sowie Lefkada, wo sich die Dichterin Sappho aus Liebeskummer von einem Felsen gestürzt haben soll.

Der Tempelbezirk, malerisch auf einem Bergsattel gelegen, ist ein lohnenswertes Ziel für einen Tagesausflug von Athen. Salamis hingegen ist bekannt als Schauplatz der bedeutenden Seeschlacht von 480 v. Chr., bei der die Griechen die Perser besiegten.

Weiter geht die Reise zu den Saronischen Inseln, von denen Aigina und Salamis besonders hervorstechen. Von diesen beiden Inseln erfahren wir auch einiges bei Pausanias. Wer an Aigina denkt, hat vermutlich sofort die Giebelfiguren vor Augen, die zu den bekanntesten Stücken der Münchner Glyptothek gehören. Sie stammen vom malerisch auf einem Bergsattel gelegenen Tempel der Aphaia. Schon um 1400 v. Chr. gab es hier eine Kultstätte, wie Keramik und Tonfiguren nahelegen. Die damals verehrte Naturgottheit wurde offenbar im 6. Jh. v. Chr. mit der Nymphe Aphaia gleichgesetzt. Ihr Tempelbezirk ist in jedem Fall einen Tagesausflug wert, wenn man sich in Athen aufhält. P. Schollmeyer zeigt jedoch, dass die Insel noch mehr zu bieten hat und man sich vielleicht doch ein paar Tage Zeit nehmen sollte.

Salamis hingegen ist bekannt als Schauplatz der bedeutenden Seeschlacht von 480 v. Chr., bei der die Griechen die Perser besiegten. Außerdem war diese Insel die Heimat des Aias, den Homer als einen der tapfersten unter den griechischen Kriegern vor Troja pries. Auch diese Insel kann von Athen aus in einem Tagesausflug besucht werden.

Nur einen Katzensprung vom griechischen Festland entfernt liegt Euboia, die nach Kreta größte griechische Insel. Hier bildeten sich zwei Machtzentren aus: Chalkis und Eretria. Die antiken Reste von Chalkis sind weitestgehend unter der modernen Stadt verborgen. Mehr zu sehen gibt es in Eretria, wo man über das Stadtgebiet verteilt immer wieder auf archäologische Reste stößt. Die größte zusammenhängende archäologische Zone liegt in der Nähe des Museums, das einen guten Ausgangspunkt für die Besichtigungen bildet.

Reste eines größeren heiligen Bezirks haben sich in der Nähe des Dorfes Amarynthos erhalten. Und vor dem Kap Artemision im Norden Euboias fanden Taucher eine bronzene Statue des Zeus sowie ein bronzenes Pferd mit zugehörigem Jockey. In einem weiteren Kapitel geht Schollmeyer auf die Bestattung eines offenbar hochrangigen Mannes in Lefkandi ein.

Die Kykladen, eine der größten Inselgruppen, bestechen durch ihre berühmten Inseln Santorini, Naxos, Delos und Mykonos. Als minoisches Pompeji gilt eine Siedlung bei Akrotiri auf Santorini. Eine Siedlung, von der bis heute aber tatsächlich nur ein Teil ausgegraben und erforscht ist. Doch die gut erhaltenen Häuser und Wandmalereien sind ein Muss für viele Kreuzfahrtpassagiere. Aber auch Alt-Thera ist einen Ausflug wert.

Das geografische Zentrum der Kykladen ist Paros, dessen in der Antike beliebtem Marmor im Buch ein eigenes Kapitel gewidmet wurde. Auf Naxos erwarten den Besucher Reste mehrere Tempel: das Heiligtum des Apollon bei der Inselhauptstadt, der Tempel von Yria, der die Entwicklung ionischer Tempel Architektur zeigt, der Tempel für Demeter und ihre Tochter Kore in Sangri. Auch auf Naxos gibt es Marmorsteinbrüche. Dieser Marmor wurde vor allem für die großen Jünglingsfiguren verwendet, die viele Heiligtümer und Gräber schmückten.

Ein Muss für archäologisch Interessierte ist auch Delos mit seinen Heiligtümern. Man erreicht die Insel von der Urlaubsinsel Mykonos aus. Das Hauptheiligtum von Delos ist Apollon geweiht und eines der großen panhellenischen Heiligtümer. Die einstige Pracht kann heute nur noch erahnt werden, aber auch die vorhandenen Reste sind für Besucher durchaus überwältigend. Nicht umsonst ist dies einer der längsten Abschnitte des Buches. Es zeigt, wie viel diese Insel zu bieten hat und dass ein Tag eigentlich viel zu kurz für einen Besuch ist.

Weniger frequentiert, aber nicht minder interessant sind die Nordägäischen Inseln. Thasos war nicht nur für seinen Marmor bekannt, sondern kam auch durch Gold, Silber und Kupfer zu Wohlstand. Hier lohnt sich ein ausgiebiger Spaziergang, um die noch heute sichtbaren Reste der antiken Stadt Thasos zu entdecken – ein Spaziergang, der in diesem Buch ausführlich beschrieben wird. Vor allem aber ist das Kabirion auf der Insel Samothrake einen Besuch wert, ein Heiligtum, das den geheimnisvollen Großen Göttern geweiht ist. Auch hier nimmt uns der Autor auf einen Rundgang mit.

Unter den Ostägäischen Inseln fasst P. Schollmeyer Lesbos, die Heimat der Dichterin Sappho, und das durch Wein und einem als Heildroge verwendeten Harz reich gewordene Chios zusammen.

Die Inseln Skyros und Ikaria werden teilweise zu den Ostägäischen Inseln gezählt. Sie gehören aber auch zu den südlichen Sporaden. Auf Skyros versteckte sich der Legende nach Aias in Frauenkleidern, um seinem sicheren Tod vor Troja zu entgehen. Aber der listige Odysseus lockte ihn aus der Reserve. Ikaria wiederum verdankt ihren Namen Ikaros, dem Sohn des Daidalos, der bekanntermaßen nicht auf seinen Vater hörte und auf der Flucht von Kreta abstürzte und hier begraben worden sein soll.

Vor allem Samos lohnt jedoch einen Besuch. Das Heraion, ein der Göttin Hera geweihtes internationales Heiligtum mit einem gigantischen Tempel, ist ein absolutes Highlight.

Die letzte Inselgruppe, die im vorliegenden Buch präsentiert wird, sind die sogenannten Dodekanes-Inseln. Hierzu gehört z. B. Patmos, wo Johannes die Apokalypse geschrieben haben soll und sich heute ein eindrucksvolles Kloster erhebt. Vor Kalymnos bargen Schwammtaucher schon so manche Bronzestatue und auf Kos wirkte im 4. Jh. v. Chr. der Arzt Hippokrates. Noch heute verpflichten sich Mediziner in ihrem nach ihm benannten Eid, immer zum Wohl des Patienten zu handeln. Die wichtigste archäologische Stätte auf Kos ist jedoch das Asklepios-Heiligtum, das sich über mehrere Terrassen erstreckt.

Eines der 7 Weltwunder der Antike befand sich auf Rhodos: der Koloss des Sonnengottes Sol. Umstritten ist in der Forschung bis heute, wo genau er aufgestellt war. Eher unwahrscheinlich ist allerdings eine breitbeinige Aufstellung über der Hafeneinfahrt.

Wer die griechischen Inseln bereist, kommt meist über Athen. Dies sollte man zu einem Besuch der Athener Museen in Athen nutzen, in denen man viele der Meisterwerke bewundern kann, die auf und vor den in diesem archäologischen Reiseführer vorgestellten Inseln gefunden worden. Insgesamt hat P. Schollmeyer wieder einen unterhaltsamen historischen und archäologischen Überblick vorgelegt.

ISBN: 978-3-96176-247-7
208 Seiten, 129 Illustrationen

Buchbesprechung: Roderick Beaton, Die Griechen. Eine Globalgeschichte (Reclam 2023)

Roderick Beaton, Spezialist für moderne griechische und byzantinische Geschichte, Sprache und Literatur, erzählt in seinem aktuellen Buch die Geschichte all jener Menschen, die in den vergangenen 3500 Jahren ihre Identität über die griechische Sprache und Kultur definierten – ganz gleich, wo sie sich niederließen. Es geht also nicht nur um die Geschichte des modernen Griechenland, das, wie das Buch zeigt, geographisch nur einen Bruchteil der Gebiete abdeckt, in denen Griechen im Laufe der Jahrhunderte siedelten.

Sein Buch beginnt 1500 v. Chr. auf Kreta, der Insel der Minoer, und den auf sie folgenden Mykener, die ihre Macht vom griechischen Festland auf die gesamte Ägäis ausweiteten. Er geht auch ausführlich auf den Siegeszug des griechischen Alphabets ein, die bahnbrechende Erfindung, die Voraussetzung für die Entstehung von Geschichtsschreibung, Philosophie oder auch literarischen Werken wie Homers Epen war.

Beaton zeigt, wie sich Stadtstaaten wie Athen oder Sparta entwickelten, wie die Ursprünge der Demokratie aussahen und wie Athen zur kulturellen Hauptstadt der Griechen wurde. Wir verfolgen die Kriege zwischen den Stadtstaaten untereinander und gegen verschiedene fremde Eroberer wie die Perser. Einige Eroberer, wie die Römer, ließen sich dabei ihrerseits bereitwillig hellenisieren.

In der Spätantike gehen jedoch mit zunehmender Christianisierung bedeutende Veränderungen vor sich. Noch immer gilt Athen vielen als kultureller Nabel der griechischen Welt. Aber das Rad der Geschichte hat sich weitergedreht und nun zieht Konstantinopel, die neue Hauptstadt des römischen Reiches, die bedeutendsten Künstler und Wissenschaftler an. Aber es wird auch deutlich, wie die Griechen von den Kreuzzügen bis zu den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts und der Gründung des modernen Staates weiterhin immer wieder in Kriege verwickelt wurden, in denen sie sich auf verschiedenen Seiten wiederfinden. Das Buch endet 2021 und deckt somit auch aktuelle Themen wie die Flüchtlingskrise, die Schuldenkrise von 2010 und die Auswirkungen der Covid19-Pandemie ab.

Fundiert, aber trotzdem leicht lesbar, vermittelt Beaton, was griechische Kultur im Laufe der Geschichte ausmachte. Für interessierte Leser stellt Beaton eine umfangreichen Liste weiterführender Literatur zur Verfügung. Für die deutsche Ausgabe wäre es allerdings nützlich gewesen, wo vorhanden, die deutschen Ausgaben anzuführen.

Beaton, Roderick: Die Griechen. Eine Globalgeschichte
Übers. von Ursula Blank-Sangmeister unter Mitarbeit von Janet Schüffel
605 S. 43 Farbabb. 15 Karten
ISBN: 978-3-15-011007-2
38,00 €

Das Buch ist unter anderem bei Amazon erhältlich. Als Buch und als E-Book.
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Patrick Schollmeyer, Die 40 bekanntesten archäologischen Stätten in Mittel- und Nordgriechenland

(Nünnerich-Asmus Verlag & Media GmbH, Mainz 2023)

Auch dieses Jahr nimmt uns der Nünnerich-Asmus-Verlag mit seiner Reihe „Die bekanntesten archäologischen Stätten“ mit auf Reisen. Unsere diesjährigen Reiseziele sind Mittel- und Nordgriechenland sowie die Peloponnes und unser Reiseleiter ist der Archäologe Patrick Schollmeyer. In diesem Beitrag geht es um die weniger bekannte Regionen in Mittel- und Nordgriechenland.

Zunächst nimmt uns der Autor mit auf eine „Zeitreise“, in der er uns einen Überblick über die Geografie und Geschichte dieses Teils Griechenlands gibt. Die ersten Siedlungsspuren stammen aus dem Neolithikum (7.–4. Jahrtausend v. Chr.). In den Mittelpunkt der griechischen Geschichte rückte diese Region jedoch erst, als sich die hier ansässigen Makedonen zu einer militärischen Macht entwickelten. Unter ihrem König Philipp II. unterwarfen sie im 4. Jahrhundert zunächst viele der übrigen griechischen Stadtstaaten, die die Makedonen bis dahin als Nichtgriechen, „Barbaren“, angesehen hatten. Phillips Sohn Alexander stieß mit seinen Eroberungszügen sogar bis nach Indien vor und verband die griechische Kultur mit der Kultur der neu eroberten Regionen.

Nach seinem Tod kämpften seine Nachfolger, die Diadochen, um die Vorherrschaft. In Mittel- und Nordgriechenland konnten sich die Antigoniden etablieren. Aber auch sie konnten den aufstrebenden Römern nichts entgegensetzen. Unter Augustus und seinen Nachfolgern herrschte dann endlich wieder Frieden. Aber erst Ende des 3. / Anfang des 4. Jahrhunderts wurde Mittel- und Nordgriechenland eine bedeutende Region des römischen Reiches, wie auch viele Kirchenstiftungen – auch des Kaiserhauses – zeigen.

Zu allen Regionen gibt Patrick Schollmeyer zunächst einen Überblick über Landschaft und Geschichte. Anschließend werden die wichtigsten Orte der jeweiligen Region vorgestellt. Neben einer Beschreibung dessen, was der Besucher besichtigen kann, erwarten den Leser auch viele Informationen über die Geschichte des Ortes, die Landschaft, in die er eingebettet ist, sowie die Forschungsgeschichte. Im Folgenden werden einige der besprochenen Orte erwähnt.

Unsere Reise führt uns zunächst nach Boiotien. Hier befindet sich beispielsweise Theben, die wichtigste Stadt des boiotischen Bundes, einem Städtebund aus fünfzehn Stadtstaaten (Poleis) (6.–4. Jh. v. Chr.). Um Theben ranken sich viele Sagen. So spielen hier die Sagen um die Sieben gegen Theben, Ödipus oder Niobe. Auch ist Theben die Geburtsstadt des Herakles. In Theben selbst ist vor allem das Museum zu empfehlen und einige Kilometer entfernt kann man die Ausgrabungen eines Kabirenheiligtums besichtigen.

Traurige Berühmtheit haben die Thermopylen erlangt. Im Kampf der Griechen gegen die Perser hielten 300 Spartaner die Perser hier auf, um dem Hauptheer den Rückzug zu ermöglichen, und verteidigten diesem Engpass bis zu ihrem Tod – ein Ereignis, das sogar seinen Weg in die Kinos fand.

Die kleineren Regionen Phokis, Lokris und Doris sind in einem Kapitel des Reiseführers zusammengefasst. Hier, genauer gesagt in Phokis, liegt Delphi, der Nabel der Welt. Das Orakelheiligtum des Apollo hier war über die griechische Welt hinaus bekannt und wurde von vielen Herrschern befragt. Schollmeyer stellt zum einen ausführlich das Apolloheiligtum selbst vor. Zum anderen geht er auch auf die Ruinen in der Umgebung ein – das Heiligtum der Athena Pronaia mit dem auffälligen Tholos (= Rundtempel), ein Gymnasion und die Kastalia-Quelle – sowie auf das Museum, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte.

Aber nicht nur die antiken Griechen haben hier sehenswerte Spuren hinterlassen. In der Nähe Delphis sollte man auch einen Abstecher zur Klosteranlage von Osios Loukas machen, einem Musterbeispiel byzantinischer Architektur und Mosaikkunst.

Aitolien und Akarnanien waren eher dünn besiedelte Regionen, in denen aufgrund der zerklüfteten Landschaft lange Zeit keine größeren Siedlungen oder sogar Städte entstanden. Trotzdem haben sich hier einige archäologischen Reste erhalten, die einen Besuch lohnen. Zum Beispiel das Heiligtum des Aitoler-Bundes, der in hellenistischer Zeit militärisch bedeutend war. In diesem bei Thermos gelegenen religiösen Zentrum der Aitoler kann man die Entstehungsgeschichte dorischer Tempelarchitektur besonders gut nachvollziehen.

Aus den griechischen Sagen ist dagegen Kalydon bekannt, der Ort der mythischen Jagd auf einen riesigen Eber, der die Region verheerte. Hier haben sich außer der Stadtmauer aus dem 4. Jahrhundert auch Reste des Hauptheiligtums der Stadt erhalten. Sehenswert ist  auch die Nekropole Kalydons mit dem Grabdenkmal des Leon, der als Heros, genauer gesagt als neuer Herakles verehrt wurde.

Auch die Region Epirus lag, wie Patrick Schollmeyer erklärt, in der Antike nicht gerade im Zentrum des Geschehens, auch wenn hier das überregional bedeutende Orakel des Zeus-Heiligtums von Dodona lag. In den Fokus der Geschichte geriet dieser Landstrich jedoch, als 31 v. Chr. die ägyptische Königin Kleopatra und Markus Antonius in einer Seeschlacht vor dem Kap von Actium dem späteren römischen Kaiser Augustus unterlagen. Was historisch als Beginn der römischen Kaiserzeit gilt, wurde von Augustus durch die Gründung von Nikopolis, der Stadt des Sieges, manifestiert. Dabei wurden viele Menschen der umliegenden Orte dorthin umgesiedelt.

Die nächste Station unserer Reise führt uns nach Thessalien, der mythischen Heimat des Achill. Hier haben sich mit Sesklo eine jungsteinzeitliche Großstadt erhalten – man geht von etwa 3000 Einwohnern aus. In Dimini wiederum kann man den Übergang zur Bronzezeit gut beobachten. Eine hellenistische Neugründung war dagegen Demetrias, benannt nach ihrem Gründer Demetrios Poliorketes (dem Städtebelagerer).

Sehenswert aus nachantiker Zeit sind auch die Meteora-Klöster, ein Highlight der Klosterbaukunst. Von den ursprünglich 24 einzelnen Klöstern und Eremitagen sind heute nur noch sechs bewohnt. Teilweise waren die auf hohen Felsformationen errichteten Klöster ursprünglich nur über Seilwinden und Strickleitern zugänglich, die man heute noch sehen kann.

Makedonien, wo die griechischen Götter auf dem Olymp wohnten, galt den antiken Griechen, wie schon erwähnt, lange Zeit als Barbarenland. Die Hinterlassenschaften der makedonischen Herrscherdynastie sind künstlerisch jedoch alles andere als barbarisch. Sehenswert sind unter anderem Vergina und Lefkadia mit ihren beeindruckenden Grabanlagen sowie die Ruinen des Palastes in Pella, der Geburtsstadt Alexanders d. Gr.

Thessaloniki, nach Athen die wichtigste Stadt des modernen Griechenland, bietet vor allem Freunden spätantiker und byzantinischer Zeit Anlass für einen mehrtägigen Aufenthalt. Zum einen beherbergen das archäologische und das byzantinische Museum der Stadt eindrucksvolle Kunstschätze. Zum anderen lohnen die Reste des für den Tetrarchen Galerius errichteten Palast sowie zahlreiche Kirchen einen Besuch.

Mit der bei Badetouristen beliebten Halbinsel Chalkikide mit ihren drei „Fingern“ verbindet man kulturell vor allem die Mönchsrepublik Athos. Nur wenige Personen erhalten allerdings Zutritt zu diesem Teil Chalkidikes.

Im Nordosten Griechenlands erstecken sich die Regionen Ostmakedonien und Thrakien auf einer fruchtbaren Küstenebene. Der wichtigste Ort, das ostmakedonische Philippi, steht einerseits in Verbindung mit dem Bürgerkrieg nach Caesars Ermordung, denn hier unterlagen die Verschwörer den Anhängern Caesars. Andererseits ist der Ort durch den Besuch des Apostels Paulus bei der hiesigen frühchristlichen Gemeinde und durch seinen in der Bibel überlieferten Brief an sie bekannt und war eine Zeit lang sogar Pilgerzentrum. Der heutige Besucher kann hier unter anderem die Reste der antiken Stadt bewundern, die seit 1914 ausgegraben wird.

Den Abschluss unserer Reise durch Mittel- und Nordgriechenland bildet Thrakien mit Abdera, der Heimat der Philosophen Anaxarchos, Demokritos, Hekataios und Protagoras.

Patrick Schollmeyer legt mit diesem Führer zu archäologischen Stätten Mittel- und Nordgriechenlands wieder ein gelungenes Buch dieser Reihe vor. Schon diese kleine Auswahl aus den vielen archäologischen Stätten in diesen meist weniger frequentierten Teilen Griechenlands zeigt uns, dass diese Region auch abseits von Delphi und den üblichen Touristenpfaden eine Reise wert ist.

Patrick Schollmeyer, Die 40 bekanntesten archäologischen Stätten in Mittel- und Nordgriechenland (Nünnerich-Asmus Verlag & Media GmbH, Mainz 2023)
176 Seiten, 102 Abbildungen
ISBN: 978-3-96176-179-1

©Angela Zimmermann

Das Buch ist unter anderem bei Amazon erhältlich. Ein Klick auf das Bild führt direkt dorthin.

Buchbesprechung: Stephan Faust (Hrsg.), Im Angesicht der Gottheit. Kultbilder in Religion und Gesellschaft der Antike (2022)

Im Rahmen eines Seminars des Archäologischen Instituts der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg entstand 2019 unter der Leitung von Stephan Faust, der damals die Position des Kustos des Archäologischen Museums der Universität übernommen hatte, eine Studioausstellung über prominente antike Götterbilder. Dieses Jahr erschien nun auch ein Katalog bzw. Begleitbuch zu dieser Ausstellung.

Im einleitenden Kapitel zeigt Faust zunächst die Herausforderungen, die die Beschäftigung mit antiken Kultbildern in sich birgt. Angefangen bei der Definition eines antiken Götterbildes als „Kultbild“ im Gegensatz zu anderen in Heiligtümern aufgestellten Bildwerken. Denn sowohl in der griechischen als auch in der lateinischen Sprache wurden im Laufe der Zeit zahlreiche verschiedene Begriffe verwendet, die sich aber nicht eindeutig auf die Funktion eines Bildwerks im Kult der Gottheit beziehen. Auch sind meist nur wenige Fragmente des Originals vorhanden. Um das ursprüngliche Aussehen des Kultbilds zu rekonstruieren, muss man daher weitere Quellen heranziehen. So finden wir beispielsweise detaillierte Beschreibungen in antiken Textquellen. Daneben geben oft rundplastische Nachbildungen oder Darstellungen in Reliefs oder auf Münzen weitere Hinweise für die Rekonstruktion. Dies kann natürlich nur ein vages Bild des Originals vermitteln. Sehr gut vermitteln die antiken Autoren dagegen, welche Wirkung einige der Kultbilder auf den antiken Betrachter hatte. Eine Wirkung, die die Schöpfer dieser Werke mit mannigfaltigen Mitteln zu erreichen wussten.

Anschließend gibt Faust einen Überblick über die Geschichte griechischer und römischer Kultbilder, bevor er in einem chronologisch aufgebauten Katalog auf die Überlieferung, Rekonstruktion und Deutung von sechzehn Kultbildern genauer eingeht. Unter anderem begegnen wir aus Griechenland den vom Bildhauer Phidias geschaffenen Statuen der Athena Parthenos in Athen oder des Zeus in Olympia – eines der Sieben Weltwunder der Antike -, der Eirene des Kephisodot oder der Aphrodite von Knidos des Praxiteles, die erste Nacktdarstellung der Göttin der Liebe. Die römischen Kultbilder repräsentieren Statuetten der Laren, die Große Mainzer Jupitersäule oder Kultbilder des Mithras.

Henryk Löhr stellt im folgenden Kapitel die Erforschung antiker Kultbilder anhand der Abgüsse im Archäologischen Museum der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg vor. Sie illustrieren unter anderem, wie sich die Rekonstruktion der Bildwerke durch neue Funde immer weiter verfeinerte.

Aber auch Tongefäße oder Münzen zeigen Kultbilder. So widmet Georg Simon Gerleigner dem Fragment einer Amphora ein eigenes Kapitel. Dieses Beispiel zeigt den Frevel des Aias, als er die Priesterin Kassandra vom Palladion, dem Kultbild der Athena in Troja, wegzieht, um sie zu vergewaltigen. Anhand dieser Darstellung geht Gerleigner unter anderem der Frage nach, inwieweit die Vasenmaler zwischen belebten und unbelebten Götterfiguren unterschieden, d. h. zwischen Kultbildern und den Göttern selbst, bzw. wie sich die Darstellungsweise im Laufe der Zeit änderte.

In einem weiteren Kapitel nimmt sich Aylin Tanrıöver Darstellungen von Göttern auf antiken Münzen aus dem Bestand des Museums vor. Hier stellt sie zunächst die Frage, ob es sich hier um Kultbilder handelt oder nur um allgemeine Götterbilder, die die prägende Stadt repräsentieren sollten. Anhand von Darstellungen von Athena, Zeus, Apollon, Artemis, Hera und Aphrodite macht sie deutlich, dass es in den wenigsten Fällen möglich ist, ein Götterbild auf Münzen eindeutig als Kultbild zu identifizieren. Oft war nur der Kopf dargestellt und auch sonst sind es oft nur die Attribute, die eine Identifizierung als bestimmte Gottheit möglich machten.

Eines der berühmtesten antiken Kultbilder ist die Artemis von Ephesus, deren Überlieferung, Rekonstruktion und Deutung Helga Bumke nachgeht. Jan-Henrik Hartung schließlich geht im letzten Kapitel noch auf die Aufstellungsorte der Kultbilder ein. Im Gegensatz zum äußeren Erscheinungsbild der Heiligtümer, die üblicherweise im Zentrum der Forschung stehen, geht es ihm um die Tempelinnenräume und ihre Entwicklung im Verhältnis zu den Kultbildern. Er zeigt, wie architektonische Fortschritte mit der Zeit Künstler bei der Inszenierung der Kultbilder unterstützten.  

Das vorliegende Buch ist eine gelungene Einführung in das Thema. Es zeigt zum einen, welche Wirkung vorgestellten Kultbilder auf den antiken Betrachter hatten, und mit welchen Mitteln die Künstler diese Wirkung erreichten. Zum anderen stellt das Buch die Geschichte der Rekonstruktion dieser Kultbilder vor und zeigt die Puzzlearbeit, die dafür notwendig ist. Umfangreiche Anmerkungen und ein Literaturverzeichnis geben dem Leser die Möglichkeit, die einzelnen Themen zu vertiefen.

Hermeneutika | Band 1
1. Auflage 2022
broschiert, 244 Seiten
Universitätsverlag Halle-Wittenberg
ISBN 978-3-86977-249-3
40,00 €

Attisch-rotfigurige Malerei (Teil 12)

Theseus und der Minotauros. Attischer rotfiguriger Teller, 520-510 v. Chr. (Louvre G 67)

Zum Abschluss meiner Reihe über rotfigurige Vasenmalerei möchte ich noch auf mythologische Themen eingehen.

Mythos wurde ursprünglich als Geschichte angesehen. Für die antiken Griechen war Mythos nur aus der Gegenwart her zu verstehen. Einerseits war der Inhalt der Mythen relativ statisch, andererseits wurden sie immer wieder neu erklärt und erzählt. Meist identifizierte man sich nur mit Teilen der Mythen. So bezog sich Alexander der Große beispielsweise auf Herakles, Achill und andere Heroen.

Seit dem ausgehenden 6. Jh. v. Chr. kam es zu einer Ausweitung der Sagen um Theseus, eines der legendären Könige von Athen. Im neuen demokratischen Staatswesen stand Theseus für die Stadt Athen in ihrer Gesamtheit. Zunächst wurden vor allem seine Jugendtaten auf seinem Weg nach Athen dargestellt. Seit ca. 510 v. Chr. gibt es allerdings auch Gefäße mit der Darstellung des kompletten Theseus-Zyklus. Zu den bekanntesten Erzählungen aus dem Leben des Theseus gehört sicher sein Kampf gegen den Minotaurus, dem Mischwesen aus Stier und Mensch im Labyrinth auf Kreta (sieh Bild oben).

Eine weitere Episode der Theseus-Sage führt uns dagegen zu einem anderen mythischen Thema, das häufig auf Gefäßen dargestellt wurde: die Amazonomachie, die Kämpfe zwischen Athen und den Amazonen. Zunächst zeigten die Darstellungen die Athener als Aggressoren, z. B. die Entführung der Antiope durch Theseus.

Als Athen 490/480 v. Chr. durch die Perser eingenommen wurde, verschob sich jedoch der Schwerpunkt der Darstellungen zu den Rachezügen der Amazonen gegen Athen nach dem Raub der Schwester ihrer Königin. Im Mittelpunkt stand also jetzt der Abwehrkampf der Athener und der Kampf gegen die Amazonen galt als Vorläufer der Auseinandersetzungen der Griechen mit Nicht-Griechen allgemein bzw. den Persern im Besonderen.

An den Kämpfen gegen die Amazonen war auch Herakles beteiligt. In archaischer Zeit zeigte man sowohl seine physische Kraft als auch sein musisches Talent in der Kunst. Später, Ende des 4. Jh., wurde der musische Aspekt dagegen nicht mehr betont.

Weitere Mythen, die auf die Perserkriege bezogen wurden bzw. durch diese Auseinandersetzungen eine Bedeutungsverschiebung erfuhren, die sich in der Vasenmalerei widerspiegelt, sind die Entführung der Oreithyia, Tochter des Erechtheus, eines mythischen athenischen Königs, durch den Nordwind Boreas in seine Heimat Thrakien sowie Orpheus, der von thrakischen Frauen erschlagen wurde.

 

Hiermit endet meine Reihe über die rotfigurige Vasenmalerei. Zum Abschluss möchte ich noch auf einige Bücher zur Vertiefung des Themas hinweisen, die trotz ihres Alters immer noch Standardwerke sind:

  • John D. Beazley, Attic red-figure vase-painters. 3 Bände. 2nd edition. Clarendon Press, Oxford 1963
  • John Boardman, Rotfigurige Vasen aus Athen. Ein Handbuch. Die archaische Zeit (= Kulturgeschichte der Antiken Welt. Bd. 4). von Zabern, Mainz 1981 (4. Auflage. ebenda 1994)
  • John Boardman, Rotfigurige Vasen aus Athen. Ein Handbuch. Die klassische Zeit (= Kulturgeschichte der Antiken Welt. Bd. 48). von Zabern, Mainz 1991 (2. Auflage. ebenda 1996)
  • Ingeborg Scheibler, Griechische Töpferkunst. Herstellung, Handel und Gebrauch der antiken Tongefäße. 2., neubearbeitete und erweiterte Auflage. Beck, München 1995
  • Erika Simon, Die griechischen Vasen. Aufnahmen von Max Hirmer und Albert Hirmer. 2., durchgesehene Auflage. Hirmer, München 1981

Attisch-rotfigurige Malerei (Teil 11)

Seit der Mitte des 5. Jh. v. Chr. bildete sich der Themenbereich Familie, Hochzeit und Ehe als neuer gesellschaftlicher Schwerpunkt heraus.

Seit dem 5. Jh. v. Chr. erfuhr die Stellung der Frau in der griechischen Gesellschaft offenbar eine Aufwertung. Sie spielte eine wichtige Rolle bei der Verwaltung und Sicherung des Haushalts, des Hausstands und der legitimen Nachkommenschaft. Trotzdem war sie keine Rechtsperson und sie hatte auch nicht die vollen Bürgerrechte. Bei Eheschließungen hatte sie wohl auch nur wenig Mitspracherecht. Sie wurde von ihrem Vater verheiratet, der auch den Ehevertrag und die Mitgift aushandelte.

In der geometrischen Vasenmalerei finden wir Darstellungen von Frauen bei der Prothesis, d. h. der Aufbahrung der Toten, wo Klagefrauen wichtiger Teil des Bestattungskults waren. Auch für Frauen gab es durchaus reich ausgestattete Gräber. Es gab zwar wenige Denkmäler für Frauen im Grabbereich, die vorhandenen sind aber teilweise von hoher Qualität. Zu solchen Grabmälern gehören beispielsweise die sogenannten Koren, Mädchenstatuen (Beispiel Phrasikleia).

Darstellungen von Frauen im häuslichen Bereich sind eher selten. Viele Hydrien, Gefäße, mit denen man Wasser holte, zeigen Frauen, die an einem Brunnen Wasser holen. Unklar ist, ob es sich hier tatsächlich um einen Vorgang aus dem Alltag handelt. Alternativ wurde beispielsweise eine Deutung als kultische Handlung aus dem Totenkult vorgeschlagen. Szenen, die in jedem Fall aus dem häuslichen Bereich stammen, sind dagegen das Spinnen und Weben.

Daneben wurde auch der Hochzeitszug dargestellt, wobei anfangs der Wagen mit dem Brautpaar im Mittelpunkt stand. Seit dem 5. Jh. v. Chr. kommen andere Themen aus dem Hochzeitszug auf, z. B. die Loutrophoros, ein Gefäß für das Wasser des Hochzeitsbades, das der rituellen Reinigung der Brautleute diente. Oder man zeigt die Vorbereitung des Hochzeitsbettes. Der Hochzeitszug selbst wird im 5. Jh. nur noch selten dargestellt.

Weitere Themen aus dem realen Leben, die auf rotfigurigen Vasen dargestellt werden, sind Szenen aus Handwerk (Schmiedehandwerk, Töpfer, Erzgießerei usw.) und Landwirtschaft. Diese sind wertvolle Quellen für die Erforschung und Rekonstruktion von Leben und Arbeit niedrigerer Gesellschaftsschichten.

(Fortsetzung folgt…)

Attisch-rotfigurige Malerei (Teil 10)

Ein Themenbereich, der besonders häufig auf rotfigurigen Vasen in Museen zu sehen ist, ist das Gelage (Symposion) mit all seinen Facetten. Während bei Homer die Mahlzeiten noch im Sitzen eingenommen wurde, übernahm man seit dem Ende des 7. Jh. v. Chr. die orientalische Sitte des Lagerns auf einer Kline. Das früheste Beispiel aus Griechenland stammt aus dem Ende des 7. Jh.: die Geneleos-Gruppe aus Samos. Auch in Heiligtümern usw. gab es öffentliche Speisungen (z. B. in der Kultstätte der Artemis in Brauron an der Ostküste Attikas), die nun ebenfalls im Liegen stattfanden.

Gelage gehörten zu den wichtigsten Ausprägungen der aristokratischen Lebensform in archaischer Zeit. Mit der Einführung des Lagerns ergaben sich auch Änderungen der Sitten. Man trennte nun strikt zwischen Essen und Weintrinken. Es gab besondere Räume mit exzentrisch angelegter Tür. Der Teilnehmerkreis war mit 3 bis 9 Personen immer überschaubar. Nach dem Essen wurden die Tische abgeräumt und es begann das Trinkgelage. Man bestimmte einen Leiter des Symposions, das nicht nur dem Vergnügen galt. Es war ein Ort für Diskussionen, Spiele, Rätsel und Gedichte. Beliebt war z. B. das Geschicklichkeitsspiel Kottabos, bei dem es darum ging, auf dem Sofa liegend, die letzten Tropfen Wein aus einer Trinkschale nach einer anderen Schale so zu schleudern, dass nichts vergossen wurde. Was logischerweise mit zunehmendem Alkoholgenuss schwieriger wurde.

Gleichzeitig gehörte das Symposion zum Kult des Dionysos, denn Wein galt als Geschenk dieses Gottes. Übrigens mischte man Wein in der Antike mit Wasser, da er sonst zu dickflüssig war. Der Krater, das typische Mischgefäß, stand in der Mitte – zusammen mit weitere Krateren für Zeus, Heroen usw. Die Darstellungen zeigen auch die „Nebenwirkungen“ des Weingenusses, z. B. exzessive Vergnügungen wie der Zug der Betrunkenen durch die Stadt, aber auch sich übergebende Symposion-Teilnehmer.

Und vor allem durfte auch das sexuelle Vergnügen nicht zu kurz kommen. Ehefrauen durften allerdings nicht teilnehmen. Zugelassen waren nur Hetären und Knaben. Hetären waren weibliche Prostituierte, die im Gegensatz zu normalen Prostituierten sozial anerkannt waren. Sie waren gebildet, betrieben gewerbsmäßig Musik, beherrschten die Kunst des Tanzes und des Gesangs.

Die Teilnahme von Knaben am bringt uns zur sozialen Institution des Päderasmus in Athen, der Knabenliebe. Die Knaben wurden von älteren Männern in gesellschaftliche Normen und Gebräuche eingeführt. Seit der 2. Hälfte des 6. Jh. bzw. dem Beginn des 5. Jh. sind entsprechende Darstellungen stark in der Vasenmalerei repräsentiert. Diese homoerotischen Beziehungen unterlagen allerdings strengen Regeln. Sie waren immer einseitig, wobei der Ältere der Aktive war. Der Jüngere durfte diese Liebe nicht erwidern und die Beziehung war nur erlaubt, bis der Jüngere in die Welt der Erwachsenen aufgenommen worden war. Denn homoerotische Beziehungen zwischen zwei Erwachsenen galten als anstößig.

(Fortsetzung folgt…)

Attisch-rotfigurige Malerei (Teil 9)

Ein Bereich der griechischen Gesellschaft, der seit der Frühzeit eine große Bedeutung hatte, ist die Athletik. Das sportliche Training galt zum einen als Vorbereitung auf den Krieg. Zum anderen zeigt sich hier der agonale Charakter der griechischen Gesellschaft besonders gut, d. h. ihre Vorliebe für Wettkämpfe. So gab es schon früh Wagen- und Pferderennen (ohne Steigbügel und Sattel). Der Sieger war dabei übrigens nicht der Wagenlenker oder der Reiter, sondern der Besitzer der Pferde. Daneben maß man sich in Wettrennen, Waffenläufen, Speerwurf, Diskuswurf, Weitsprung, Boxen, Ringen und dem Pankration, einer Mischung aus Boxen und Ringen.

Neben diesen Wettkämpfen finden wir auf griechischen Vasen Darstellungen des Gymnasion, in dem die vornehme griechische Jugend trainierte. Der durchtrainierte und „schöne“ Männerkörper galt als gesellschaftliches Vorbild. In der Großplastik spiegelt sich dies in den Kouroi als Grabstatuen wider.

Seit etwa 440 v. Chr. gingen die Athletendarstellungen allerdings stark zurück.

Ein weiteres Privileg der adligen Gesellschaftsschicht war zu allen Zeiten die Jagd, in der man sich idealerweise auch im persönlichen Kampf gegen wilde Tiere beweisen musste. Bei den entsprechenden Darstellungen standen die aristokratischen Elemente im Verlauf der Zeit immer stärker im Vordergrund.

Auf den rotfigurigen Vasen finden wir die Jagd und andere aristokratische Themen bis etwa 480 v. Chr.

 

(Fortsetzung folgt…)

Attisch-rotfigurige Malerei (Teil 8)

Um 500 v. Chr. finden wir erste Darstellungen historisch-politischer Themen in Athen. Dabei handelte es sich jedoch vor allem um große Monumente, wie z. B. die sogenannte Tyrannenmörder-Gruppe. In der Kleinkunst kommen diese Themen dagegen nur sehr selten vor. Erst mit den Perserkriegen finden wir historische Themen auf Gefäßen, den sogenannten Perserkampf-Vasen. Gleichzeitig wird nun auch die Vorgeschichte der persischen Expansion dargestellt. Ein Beispiel ist die „Myson-Amphora“ in Paris: Die Vorderseite zeigt den Tod des Kroisos auf dem Scheiterhaufen. Die Rückseite zeigt den Raub der Amazone Antiope, der als mythischer Prototyp der Perserkämpfe galt.

Nach 480 v. Chr. wurde die Tyrannenmörder-Gruppe, die in den Perserkriegen verloren gegangen war, neu geschaffen. Diese Neuaufstellung findet auch in der Vasenmalerei ihren Niederschlag. Es bleibt jedoch eine Seltenheit, dass fast zeitgenössische Ereignisse auf Vasen dargestellt werden.

Auch Personifikationen abstrakter politischer Begriffe kommen im 5. Jh. v. Chr. auf Vasen auf und vor allem im letzten Viertel des 5. Jh. finden wir zahlreiche Personifikationen, z. B.:

Keine der Figuren wäre ohne die dazugehörigen Namensbeischriften eindeutig identifizierbar. Die Motive sind noch nicht kanonisiert und die Figuren daher austauschbar.

Weitere politische Motive waren die Phylenheroen. Ein Grieche war nicht nur Teil der Bürgerschaft eines Stadtstaates, sondern gehörte auch zu einer Phyle, einem Stamm. Unter Kleisthenes wurde dieses System 508/507 v. Chr. reformiert. Die zehn Phylen Attikas wurden nach bekannten attischen Heroen benannt, die seit der Zeit dieser Reformen auch als Figuren des Mythos dargestellt wurden, auch auf Vasen.

(Fortsetzung folgt…)

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