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Pedro Barceló, Geschichte Spaniens in der Antike. Von den Phönikern bis zum Kalifat von Córdoba (2025)

Wer sich für die antike Geschichte der Iberischen Halbinsel interessiert, findet kaum deutschsprachige Publikationen, die auch die vorrömischen Epochen abdecken. Diese Lücke schließt Pedro Barceló nun. Er geht zunächst auf die frühen Bewohner ein und widmet sich dann phönikischen und griechischen Einwanderern, vor allem aber den Karthagern.

Überzeugend widerlegt er die These einer angeblichen frühen karthagischen Präsenz und analysiert sehr ausführlich die Zeit der Karthager in Hispanien wie den Hasdrubal-Vertrag und die Sagunt-Affäre oder die Konflikte mit den Römern bis zum Ende des zweiten römisch-karthagischen Krieges, der, wie Barceló veranschaulicht, zu einem entscheidenden Teil in Hispanien entschieden wurde.

Nach der Vertreibung der Karthager setzten sich die Römer endgültig auf der iberischen Halbinsel fest. Allerdings sollten noch etwa zweihundert weitere Jahre vergehen, bis die Eroberung unter Augustus als abgeschlossen gelten konnte. Die verschiedenen Stämme leisteten lange Widerstand, auch weil viele römische Statthalter hier vor allem die Möglichkeit sahen, sich auf Kosten der Einheimischen zu bereichern, und oft waren sie nicht gerade zimperlich in ihrer Vorgehensweise.

Mit Beginn der Kaiserzeit wandelte sich das Verhältnis zwischen Rom und Hispanien, wie Barceló am Beispiel Tarraco veranschaulicht. Schließlich gelang die Romanisierung der iberischen Halbinsel und ihrer Bewohner. Diese kann exemplarisch für die Romanisierung in anderen Regionen des Imperium Romanum gelten und so widmet er ein eigenes Kapitel den Faktoren einer solchen Romanisierung.

Barceló schildert die politischen Entwicklungen, Wirtschaft und Gesellschaft in der Hispania Romana bis zum Zeitalter des Theodosius und geht dann auf die Entwicklung des Christentums in Hispanien von den Anfängen bis zur Zeit der Völkerwanderung ein. Die neuen Einwanderer – Sueben  Alanen, Vandalen und Westgoten – änderten im Laufe der Zeit die politische Gemengelage auf der Halbinsel, besiegelten letztendlich den Zusammenbruch römischen Herrschaft.

Aber auch das nun entstandene Westgotenreich mit Toledo als Hauptstadt konnte sich nicht auf lange Sicht behaupten. Ebenso wenig wie die Byzantiner, die sich ab der Mitte des 6. Jh. n. Chr. vorübergehend im Süden der iberischen Halbinsel festsetzten. Denn in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhundert begann der Siegeszug der zum Islam konvertierten Araber. Innerhalb weniger Jahrzehnte hatten sie ein riesiges Gebiet erobert und 711 n. Chr. landete ein aus Arabern und Berbern bestehendes Heer in der Ebene von Gibraltar. In nur sieben Jahren unterwarfen sie einen großen Teil der iberischen Halbinsel. Ihre Hauptstadt Cordoba zeigt exemplarisch die verschiedenen Epochen: über einer iberischen Kultstätte erhob sich später ein römisches Heiligtum, über dem man in der Zeit der Westgoten eine christliche Kirche errichtete. Diese wiederum musste einer Moschee weichen, in die dann später eine christliche Kathedrale eingebaut wurde.

Barceló ist es gelungen, mit dem vorliegenden Buch eine sehr detaillierte und dabei gut lesbare Analyse der politischen und historischen Entwicklung der Iberischen Halbinsel in der Antike vorzulegen. Zur besseren Übersicht hat Barceló im Anhang zudem ein Verzeichnis der antiken Orte mit ihren heutigen Bezeichnungen sowie eine chronologische Tabelle beigefügt.

Pedro Barceló
Geschichte Spaniens in der Antike. Von den Phönikern bis zum Kalifat von Córdoba
C.H.Beck Verlag, München 2025
492 S., 29 Ill., 10 Karten
38,00 Euro

Erhältlich bei Amazon oder beim Beck-Verlag.

Markus Hafner, Die deutsche Altertumswissenschaft in der NS-Zeit. Der Gnomon von seiner Gründung 1925 bis 1949 (2025)

Die bedeutendste deutsche Rezensionszeitschrift für die klassischen Altertumswissenschaften, der Gnomon, feiert dieses Jahr seinen 100. Geburtstag. Ein guter Zeitpunkt, um zu den Anfängen zurückzublicken. Markus Hafner legt mit seinem jüngst erschienenen Buch eine fundierte Analyse der Geschichte der Zeitschrift von der Gründung 1925 bis zur Neuerscheinung nach dem Zweiten Weltkrieg vor.

Die Kritische Zeitschrift für die gesamte klassische Altertumswissenschaft erschien erstmals 1925 – bei der Weidmannschen Verlagsbuchhandlung in Berlin. Sie ging auf eine Idee des Verlagsinhabers Hans Reimer sowie Werner Jaeger zurück. Neben Dr. phil. Richard Harder wurden 16 weitere Herausgeber auf der Titelseite genannt, die das gesamte Spektrum der deutschen Altertumswissenschaften abdeckten.

  1. Ludwig Curtius (Archäologie, Heidelberg)
  2. Ludwig Deubner (Klassische Philologie, Freiburg)
  3. Eduard Fraenkel (Klassische Philologie, Kiel; später Göttingen; im Zeitraum 1931–1933 in Freiburg)
  4. Matthias Gelzer (Alte Geschichte, Frankfurt a. M.)
  5. Ernst Hoffmann (Philosophiegeschichte, Heidelberg)
  6. Werner Jaeger (Klassische Philologie, Berlin)
  7. Walther Kranz (Klassische Philologie, Lehrer in Berlin, seit 1928 und bis Mai 1933 Rektor der Landesschule Pforta)
  8. Karl Meister (Klassische Philologie, Heidelberg)
  9. Peter von der Mühll (Klassische Philologie, Basel)
  10. Karl Reinhardt (Klassische Philologie, Frankfurt a. M.)
  11. Gerhart Rodenwaldt (Generalsekretär des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches, Berlin)
  12. Wilhelm Schubart (Papyrussammlung, Altes Museum Berlin)
  13. Wilhelm Schulze (Sprachwissenschaft, Berlin)
  14. Eduard Schwartz (Klassische Philologie, München)
  15. Johannes Stroux (Klassische Philologie, München)
  16. Wilhelm Weber (Alte Geschichte, Tübingen)

Ausgangspunkt der nachfolgenden Studie ist die Umbildung des Herausgeberstabes 1933: Welche Rolle spielten die Herausgeber? Wie positionierten sie sich?

Hafner stellt jeden Herausgeber in einem Biogramm vor und geht dabei nicht nur auf ihre Lebensläufe ein, sondern auch auf ihre Einstellung zum NS-Regime und den Umwälzungen in der Redaktion des Gnomon. Er analysiert detailliert bisher zum Teil unbekanntes Material und zeichnet dabei nach, welche Rolle einzelne Herausgeber bei der Umbildung des Herausgebergremiums im Sinne des NS-Regimes einnahmen.

Das Ergebnis zeigte sich dann 1934 beim ersten Heft des 10. Jahrgangs: Nun standen nur noch 3 Herausgeber – Gelzer, Harder und Rodenwaldt – auf dem Titelblatt. Die Korrespondenz zwischen den Herausgebern untereinander, mit anderen Forschern und auch den Verlagen zeigt, dass die Umbildung von Harder von langer Hand vorbereitet worden war.

Jüdische Mitarbeiter oder als „Nichtarier“ eingestufte Forscher (Wissenschaftler mit (halb)jüdischen Ehepartnern) wurden aus dem Herausgebergremium entfernt, wenn sie nicht freiwillig gingen. Einige weitere Herausgeber gingen aus Protest ebenfalls. Trotz immer schärferer Einschränkungen für „nichtarische“ Wissenschaftler erlaubte Harder jedoch weiterhin unter bestimmten Bedingungen Rezensionen durch jüdische beziehungsweise nichtarische Wissenschaftler. Zum Teil gab es einfach keinen adäquaten Ersatz, zum Teil – wie vermutlich bei Hermann Straßburger und Otto Regenbogen – lag es an den sehr guten Lehrer-Schüler-Kontakten zu den Herausgebern.

Hafner zeigt außerdem deutlich, welche Probleme die Umgestaltung des Gnomon mit sich brachte. Es gingen nicht mehr genügend Besprechungen ein, da ja viele Rezensenten nicht mehr zugelassen wurden. Gleichzeitig deckten die drei Herausgeber nur noch einen kleinen Teil der ursprünglichen wissenschaftlichen Bandbreite ab. Als Gegenmaßnahme beschlossen sie zum einen, mehr eigene Besprechungen aufzunehmen, und zum anderen, Besprechungen aus dem ersten Jahrzehnt erneut abzudrucken. Eine Art des Content Recyclings. Die Themen entwickelten sich weg von Griechenland hin zu Rom und natürlich vor allem zu Germanien.

Harders Nachfolger wurde sein Schüler Marg – ein Generationenwechsel „im deutschen Sinne“, wie Harder schreibt. Später, als Harder und Marg an der Front kämpften, übernahm dann Erich Wilhelm Burck ihre Vertretung. Trotz aller Versuche, den Gnomon durch den Krieg zu bringen, musste man sich 1944 aber den äußeren Umständen geschlagen geben. Die Zeitschrift wurde eingestellt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchten Wissenschaftler in Deutschland die durch die NS-Herrschaft größtenteils gekappten Verbindungen ins Ausland wieder aufzufrischen. Auch erschienen bald wieder die ersten altertumswissenschaftlichen Zeitschriften. So 1949 auch der Gnomon. Die bisherigen Herausgeber waren bei den Verfahren zur Entnazifizierung glimpflich davongekommen und wurden als Mitläufer eingestuft oder als entlastete Personen klassifiziert. Trotzdem gab es Veränderungen: Harder war zurückgetreten und Rodenwaldt hatte sich das Leben genommen. Für letzteren übernahm Friedrich Matz d. J. den Herausgeberanteil Archäologie. Burck, Marg und Gelzer machten weiter, wobei letzterer von Harder zu seinem Nachfolger bestimmt worden war.

Der Verlag wechselte von Berlin zum C. H. Beck-Verlag in München. Ausführlich schildert Hafner die Probleme bis zur Neuerscheinung im Beck Verlag. So mussten für die Lizenzierung unter anderem Gutachten ausländischer Wissenschaftler eingeholt werden.

Im abschließenden Kapitel geht Hafner auf die Frage ein, inwieweit sich der Gnomon beziehungsweise seine Herausgeber nun wirklich von den vorangegangenen ideologischen Einschränkungen lösten. Er stellt dabei fest, dass nun tatsächlich wieder Forscher aus dem Ausland rezensiert und auch als Rezensenten wieder zugelassen wurden. Dadurch kam es zu einer zunehmenden Internationalisierung. Auch jüdische bzw. nichtarische Forscher kamen nun wieder zu Wort, darunter auch Eduard Fraenkel oder Ludwig Curtius.

Andererseits waren aber auch Wissenschaftler darunter, die bis 1945 eine nicht unerhebliche Rolle im Wissenschaftsbetrieb des Nationalsozialismus gespielt hatten – und nach Kriegsende rasch wieder Positionen im westdeutschen Universitätswesen einnahmen. Aufbruch und personelle Kontinuität vermischten sich im Neuanfang nach 1945 unter dem weitgehend unveränderten Herausgebergremium also.

Im Anhang kann man alle Briefe von 1933 bis 1949, die der Untersuchung zugrunde liegen, nachlesen – beziehungsweise jene Textstellen aus den Briefen, die für die vorliegende Studie herangezogen wurden. In einem weiteren Anhang finden sich Listen der Herausgeber und Redakteure von 1925 bis 2024.

Auch wenn der Fokus klar auf der Altertumswissenschaft liegt, zeigt diese eindrucksvolle Studie beispielhaft, wie wissenschaftliche Institutionen unter politischem Druck agierten bzw. agieren mussten – und wie schwer ein Neuanfang nach 1945 war – vor allem dann, wenn zentrale Hauptakteure dieselben waren. Die Geschichte des Gnomon wird so zu einem Spiegel der Wissenschaftsgeschichte im „Dritten Reich“ – und darüber hinaus.

Markus Hafner
Die deutsche Altertumswissenschaft in der NS-Zeit. Der Gnomon von seiner Gründung 1925 bis 1949
C.H.Beck Verlag, München, 2025
224 S.
78,00 Euro

Erhältlich bei Amazon oder beim Beck-Verlag.

Martin Kemkes & Judith Wötzel, RÖMER – LIMES – WELTERBE. Das Limesmuseum Aalen (2024)

Der großzügig bebilderte Begleitband zum vor einigen Jahren neugestalteten Limesmuseum Aalen ist kein normaler Museumsführer. Die Autoren Martin Kemkes (Wissenschaftlicher Leiter des Limesmuseums Aalen) und Judith Wötzel (ehemalige städtische Leiterin des Limesmuseums Aalen) erklären anhand von Funden aus dem römischen Aalen und anderen Orten am Obergermanisch-Raetischen Limes – seit 2005 Welterbe der UNESCO – wie der Alltag von Soldaten und Zivilbevölkerung am Limes und seinem Hinterland im Laufe der Jahrhunderte aussah.

Kurz und verständlich gehen sie zunächst auf die historischen und ideologischen Hintergründe ein: Wie entstand das römische Weltreich? Was trieb die Römer bei ihren Eroberungen an? Wie gingen sie mit den eroberten Regionen und Menschen um? Wie und warum entstand der Limes? Welche Bedeutung hatte er für die Römer?

Die Armee, die das Leben in der Umgebung ihrer Kastelle prägte, setzte sich aus unterschiedlichen Einheiten zusammen. Es gab die Legionen, deren Soldaten das römische Bürgerrecht besaßen, und verschiedene Hilfstruppen: reine Reitereinheiten (alae), reine Fußtruppen (cohortes), gemischte (cohortes equitatae) sowie kleinere Einheiten (numeri). Die Soldaten dieser Hilfstruppen kamen aus allen Teilen des römischen Reiches, wie beispielsweise Inschriften zeigen. Oft besaßen sie kein römisches Bürgerrecht, bekamen es jedoch am Ende ihrer Dienstzeit – sicher ein gutes Argument für viele, sich als Soldaten zu verpflichten.

Die Zivilbevölkerung am Limes lebte vor allem von den Soldaten. Rund um die Militärlager entstanden Siedlungen, in denen Händler und die Familien der Soldaten lebten. Gutshöfe im Hinterland versorgten die Soldaten mit Lebensmitteln und das Militär nutzte die Bodenschätze und Rohstoffe der Region. Auch das Verhältnis zu den jenseits des Limes lebenden Germanen beleuchten die Autoren.

Im Mittelpunkt des Buches steht natürlich das römische Aalen mit seinem Kastell, der größten militärischen Anlage nördlich der Alpen. Zunächst werden die Gebäude in einem solchen Kastell am Beispiel der dortigen Ausgrabungen erklärt. Anhand der Funde in Aalen und anderen Orten am Limes kann man den Alltag von Soldaten und Zivilbevölkerung rekonstruieren: Kleidung, Ausrüstung, Religion, Essen, Handel, Verkehr usw.

Ein weiteres Kapitel des Buches stellt mit Karten, Rekonstruktionen und Fotos die einzelnen Lager entlang des Obergermanisch-Raetischen Limes vor. Und zum Abschluss nehmen uns die Autoren mit zu den Ursprüngen und Arten von Grenzen rund um den Globus.

Insgesamt bietet das Buch für interessierte Laien eine verständliche Darstellung des römischen Lebens am Limes.

Buchcover Römer - Limes - Welterbe

Martin Kemkes & Judith Wötzel
RÖMER – LIMES – WELTERBE. Das Limesmuseum Aalen (2024)
Nünnerich-Asmus Verlag

Michael Sommer, Mordsache Caesar. Die letzten Tage des Diktators (2024)

„Auch du, mein Sohn Brutus?“ Wer kennt ihn nicht, diesen Satz, der Gaius Julius Caesar zugesprochen wird. Auch wenn er dies vermutlich nie gesagt hat – einer der berühmtesten Morde der Weltgeschichte ist eng mit ihm verwoben.

Am 15. März 44 v. Chr., im römischen Kalender an den Iden des März, sticht eine Gruppe Männer zu Beginn einer Senatsversammlung auf Caesar ein. Sie sehen in ihm einen Tyrannen, wollen Rom von ihm befreien und die Republik wieder herstellen. Die Überlieferung spricht von sechzig Männern aus verschiedenen politischen Lagern, von denen die meisten jedoch anonym bleiben.

Michael Sommer rekonstruiert anhand der Überlieferung durch antike Autoren die Hintergründe, die zur Ermordung Caesars führten. Es geht ihm nicht  nur um die Tat und die Mörder an sich. Wie bei aktuellen Kriminalfällen will er das Umfeld von Tätern und Opfer näher beleuchten: Welche historischen Hintergründe müssen in die Bewertung der Tat einbezogen werden? Was waren Caesar, seine Weggefährten und die Verschwörer für Menschen? Wie waren ihre Schicksale miteinander verwoben? Welche Motive bewogen die Verschwörer, sich zusammenzutun?

Sommer beginnt seine kriminalistische Analyse mit der Republik und Lucius Junius Brutus, dem mythischen Vorfahren des Caesar-Mörders. Der Überlieferung nach führte jener Brutus die Gruppe von Männern an, die den letzten König Roms töteten und als Gründer der Republik galten. Auch diese Geschichte gehört wohl ins Reich der Legende, zeigt aber welche Tugenden und Normen die Republik zusammenhielten. Vor allem aber begründet sie den Widerwillen des römischen Volkes und der Senatoren gegen jeden aus ihrer Mitte, bei dem sich andeutete, dass er „König“ werden wollte.

In einem zweiten Schritt stellt der Autor das Mordopfer vor: Caesars militärische und politische Erfolge, sein kluges Taktieren auf dem politischen Parkett, das allerdings schließlich zum Bürgerkrieg führte, als er am 10. Januar 49 v. Chr. den Rubikon überschritt. Aus diesem ging er zwar als Sieger hervor, doch danach war die Republik nicht mehr das, was sie mal war. Es war Caesar, der nun die Geschicke Roms und seiner Bürger bestimmte.

So hob er beispielweise die traditionelle Ämterlaufbahn aus den Angeln. Ab jetzt war nicht mehr wichtig, ob man einer angesehenen Familie entstammte, man selbst oder die Vorfahren sich um Rom verdient gemacht hatten. Wahlen waren, wenn sie überhaupt offiziell stattfanden, nur noch reine Formsache. Allein Caesar entschied, wer wann welche Stufe auf der politischen Karriereleiter erklomm. Dabei stieß Caesar jedoch selbst langjährige Weggefährten vor den Kopf, wenn es ihm wichtiger schien, einstige Gegner an sich zu binden. Caesars clementia, Gnade, war sprichwörtlich, aber nicht unumstritten. Nicht nur bei Caesars Weggefährten, auch die Begnadigten fühlten sich damit nicht alle wohl.

Diese politische Atmosphäre bildete also den Hintergrund für die übrigen Protagonisten der Mordsache Caesar. Sommer stellt ausführlich enge Weggefährten Caesars und seine Gegner in eigenen Kapiteln vor, darunter Trebonius, Octavius, Cassius, Marcus und Decimus Brutus sowie Marcus Antonius. Er analysiert, wie ihre politische Karriere vor, im und nach dem Bürgerkrieg verlief, welche Kränkungen oder Eifersüchteleien es durch das neue System gab, und wer sich schließlich den Verschwörern anschloss und aus welchen Gründen.

Wann genau sich die ersten Verschwörer um Cassius scharten, bleibt im Dunkeln. Spätestens nach Caesars Ausrufung zum Diktator auf Lebenszeit am 15. Februar 44 v. Chr. fanden sich jedoch immer mehr Senatoren, die sich ihnen anschlossen. Klar wird auch, dass diese Männer höchst unterschiedliche Gründe hatten, sich am Mord an Caesar zu beteiligen. Jeder der Protagonisten hatte natürlich seine eigene, ganz subjektive Sicht auf Caesar und seine „Herrschaft“. Zusammengenommen zeigen Sommers „Ermittlungen“ im Mordfall Caesar jedoch sehr gut, wie die römische Elite tickte.

Der Plan, der die Verschwörer vereinte, die Wiederherstellung der Republik, ging jedoch letztendlich nicht auf. Sie waren davon ausgegangen, dass die Bürger Roms und der Senat sie als Befreier von einem Tyrannen feiern würde. Doch sie täuschten sich. Niemand war ihnen dankbar für ihre Tat. Im Gegenteil. Und Caesar wurde nicht nur nicht als Tyrann verdammt, sondern stattdessen sogar vergöttlicht.

Der Mord an Caesar führte schließlich zu einem weiteren Bürgerkrieg, aus dem Octavius, der Adoptivsohn und Erbe Caesars, als Sieger und Alleinherrscher hervorging. Er, der inzwischen den Namen seines Adoptivvaters angenommen hatte, ging die Sache jedoch klüger an als der alte Gaius Julius Caesar. Offiziell stellte er die Republik wieder her. Zum Dank erhielt er den Beinamen Augustus, der Erhabene. Offiziell war er nur einer unter vielen anderen Magistraten. In Wirklichkeit jedoch war er derjenige, der nun das Sagen hatte.

Das Buch besticht durch seine lockere und manchmal humorvolle Ausdrucksweise, durch die es dem Autor gelingt, selbst die komplizierten gesellschaftlichen Verhältnisse dieser Zeit des Umbruchs dem Leser verständlich nahezubringen.

Cover zu Buch "Mordsache Caesar"

Michael Sommer, Mordsache Caesar. Die letzten Tage des Diktators
2. Auflage. 2024
316 S. mit 13 Abbildungen, 2 Karten und 2 Stammbäumen.
C.H.BECK. ISBN 978-3-406-82133-2

Josef Rohrer, Cold Case Ötzi (2024)

Kaum eine andere Mumie fasziniert die Menschen so wie der 1991 gefundene „Mann aus dem Eis“, so sein offizieller wissenschaftlicher Name. Lassen sich die genauen Umstände, wie er ums Leben kam, heute noch nachvollziehen? Das Buch „Cold Case Ötzi“ des Tiroler Autors Josef Rohrer geht genau dieser Frage nach. Zu diesem Zweck kommen zwei renommierte Kriminalisten und ein Archäologe mit dem Autor auf einer Hütte zusammen, um drei Tage lang die Funde zu analysieren und den Tathergang zu rekonstruieren:

  • der Profiler Alexander Horn, der beispielsweise bei der NSU-Mordserie als erster einen rechtsextremen Hintergrund annahm;
  • der Rechtsmediziner Oliver Peschel, der nicht nur Konservierungsbeauftragter für Ötzi ist, sondern auch immer wieder gerufen wird, wenn Tote bei Katastrophen identifiziert werden müssen, z. B. nach dem Tsunami in Thailand;
  • Andreas Putzer, der Spezialist für hochalpine Archäologie ist und die Region rund um Ötzis Fundort in- und auswendig kennt.

Die drei Spürnasen nehmen sich die medizinischen Befunde und jedes einzelne Stück von Ötzis Ausrüstung vor, um möglichst viel über den Mann aus dem Eis selbst, aber auch über die möglichen Gründe für seine Ermordung sagen zu können: Wer war Ötzi? Was erzählen uns seine Kleidung und seine Ausrüstung über seinen gesellschaftlichen Status? Woher stammte er? Wo lebte er? Warum könnte es jemand auf ihn abgesehen haben und warum befand er sich an genau dieser Stelle, als er seinem Gegner zum Opfer fiel? Was sagen uns seine Verletzungen? Was wissen wir ganz allgemein über die Lebensweise der Menschen in dieser Zeit und dieser Region? Dabei wird im Laufe der Untersuchung auch klar, was man sicher sagen und was nur vermutet werden kann.

Das Buch gibt einen interessanten Einblick in die Vorgehensweise bei kriminalistischen Untersuchungen, zeigt aber auch, wie sich Archäologen einem solchen Fund nähern. Zu welchen Schlüssen die drei Männer kommen? Lesen Sie das Buch und lassen Sie sich überraschen!

Das Buch ist reich bebildert. Alle Fundstücke sind abgebildet und jeweils mit kurzen Kommentaren versehen. Auch die Fundstelle und die mögliche Position des Täters werden auf Fotos dokumentiert. So kann der Leser alle Aussagen gut nachvollziehen. Und einige QR-Codes führen zu YouTube-Videos, bei denen man den Diskussionen in der Hütte live zuhören kann.

Auch wenn man sich nicht speziell für den Mann aus dem Eis interessiert, ist dieser Einblick in eine mögliche Herangehensweise an einen solchen „very cold case“ eine sehr empfehlenswerte Lektüre.

Josef Rohrer, Cold Case Ötzi.
Eine Spurensicherung von Alexander Horn, Oliver Peschel und Andreas Putzer
Erschienen September 2024
Folio Verlag, Wien
ISBN 978-3-85256-904-8
Seiten 176
24,00 €*

Kurt Roeske, Kos. Zentrum der antiken Medizin. Ein kulturhistorischer Reiseführer (2024)

Der neueste Kulturreiseführer des Philologen Kurt Roeske nimmt uns mit auf die Urlaubsinsel Kos. Denn die Insel hat mehr zu bieten als Strand und Meer. Viele ihrer antiken Zeugnisse führen uns zu den Ursprüngen der Medizin. So befand sich auf Kos ein Asklepieion, d. h. ein Heiligtum des Asklepios, des Gottes der Heilkunst, und der wohl bekannteste Spross der Insel ist der Arzt Hippokrates, dessen Eid sich Mediziner bis heute verpflichtet fühlen.

Roeske stellt zunächst neben Geographie und Geologie die Geschichte und Wirtschaft der Insel von der Antike bis heute vor und unternimmt dann mit dem Leser einen Spaziergang zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt Kos. Im Bereich rund um den Hafen finden wir vor allem nachantike Bauten, aber auch das Archäologische Museum und die antike Agora, das griechische Stadtzentrum. Hier sieht man unter anderem Reste eines Aphrodite-Heiligtums und einer frühchristlichen Kirche, der sogenannten Hafenbasilika.

Mehr antike Spuren haben sich im Westen der antiken Stadt erhalten. Hier, wo sich die Hauptstraßen der römischen Stadt kreuzen, lebten die wohlhabenden Römer. Ein Beispiel für römischen Luxus ist die „Casa Romana“, die Rekonstruktion einer Stadtvilla, die im 3. Jh. n. Chr. auf den Resten von nicht weniger als drei Häusern aus dem 3. Jh. v. Chr. errichtet wurde. Weitere Sehenswürdigkeiten in diesem Viertel sind der Altar für Dionysos, der in seiner Form dem Pergamonaltar ähnelt, das Odeon, einem kleinen überdachten Theater, sowie das Nymphäum. Außerdem kann man in diesem Bereich einige interessante Mosaike des antiken Kos besichtigen.

Im nächsten Kapitel nimmt uns Roeske mit zum etwa vier Kilometer südwestlich der Hauptstadt gelegenen Heiligtum des Asklepios. Zunächst erfahren wir, was die Mythologie über den Heilgott erzählt, dann erkunden wir das Heiligtum, wobei Roeske nicht nur die archäologischen Überreste beschreibt, sondern den Leser, wie es für seine Buchreihe typisch ist, anhand von antiken Quellen den dortigen Kultbetrieb näherbringt.

Die wichtigste Heilmethode im Asklepieion war der Heilschlaf. Auf diese und andere Heilmethoden geht Roeske im nächsten Kapitel ausführlicher ein, das im Zeichen heilender Götter steht und mit den Wunderheilungen Christi und einiger Heiliger endet.

Bereits aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. stammen jedoch unsere ersten Zeugnisse einer eher rational-methodischen Medizin. Antike Schriften berichten von medizinischen Geräten wie Sägen, Klingen oder Messern, aber auch von Rezepturen und Heilanweisungen.

Als Begründer der empirisch-wissenschaftlichen Medizin gilt dagegen Hippokrates. Viel ist über sein Leben nicht bekannt, außer dass er von ca. 460 bis ca. 370 v. Chr. lebte. Er lernte sein Handwerk von seinem Vater und unternahm ausgiebige Reisen. Er begründete die Schule der Vier-Säfte-Lehre, die davon ausging, dass die Ursache von Krankheiten ein Ungleichgewicht der in jedem Körper vorhandenen Säfte – gelbe und schwarze Galle, Blut und Schleim – sei. Auch waren Anamnese, Diagnose und Prognose wichtigen Pfeiler seiner Heilmethoden. Es wurde dabei auch genau festgehalten, welche Krankheiten wie behandelt wurden und welchen Erfolg oder Misserfolg eine Behandlung hatte.

Ausgehend von diesen Anfängen der empirischen Medizin stellt Roeske die weitere Entwicklung der Medizin bis in die Moderne dar und endet mit einer kritischen Betrachtung der Fortschritte in der heutigen medizinischen Forschung.

Im Schlusskapitel nimmt uns Roeske mit auf einen Tagesausflug nach Patmos, wo er ausführlich auf die Apokalypse und ihren Verfasser Johannes eingeht, der dort lebte. Sicher ist, dass Johannes die Offenbarung hier auf Patmos geschrieben hat. Ob tatsächlich in der als Entstehungsort geltenden Höhle sei mal dahingestellt. Über dem Grab des Johannes entstand im 11 Jh. das „Kloster des Heiligen Johannes des Theologen“, das sich weithin sichtbar über der Hauptstadt der Insel erhebt.

Auch in diesem Buch über Kos und Patmos lässt Roeske die Vergangenheit durch zahlreiche schriftliche Zeugnisse lebendig werden, was den besonderen Reiz seiner kulturhistorischen Reiseführer ausmacht.

Kurt Roeske, Kos. Zentrum der antiken Medizin. Ein kulturhistorischer Reiseführer
Exkursion nach Patmos: Ein Tag auf der Insel des Johannes
Erscheinungsdatum: 07.06.2024
238 Seiten
ISBN: 978-3-8260-8649-6 

Buchbesprechung: Patrick Schollmeyer, Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten der griechischen Inseln (2024)

In seinem aktuellen Buch steuert der Archäologe Patrick Schollmeyer einen weiteren Führer zu der Reihe „Die bekanntesten archäologischen Stätten …“ des Nünnerich-Asmus-Verlags bei. Diesmal geht es auf die griechischen Inseln:

  • Die Ionischen Inseln
  • Die Saronischen Inseln
  • Euboia
  • Die Kykladen
  • Die Nordägäischen Inseln
  • Die nördlichen und südlichen Sporaden
  • Die Dodekanes-Inseln

Kreta wird hier ausgespart, da für diese Insel ein eigenes Buch in Planung ist.

Während wir über die Geschichte der großen Stadtstaaten wie Athen, Korinth oder Sparta und über viele Heiligtümer auf der Peloponnes und dem griechischen Festland recht gut informiert sind, fehlen uns für die griechischen Inseln Quellen wie die Reisebeschreibungen des Schriftstellers Pausanias (2. Jh. n. Chr.). Und auch die in mittelalterlichen Klöstern kopierten antiken Quellen beschäftigen sich meist nicht mit den politischen Ereignissen der griechischen Inseln, sofern sie nicht mit den „weltpolitischen“ Entwicklungen zu tun hatten. Was wir über ihre Geschichte wissen oder vermuten können, fasst P. Schollmeyer in der Einführung zu seinem Buch zusammen.

Unsere Reise führt uns zunächst auf die Ionischen Inseln, genauer gesagt nach Korfu. Zwar gibt es hierzulande auch Funde aus neolithischer Zeit, aber ins Licht der Geschichte tritt diese Insel erst im 8. Jh. v. Chr., als der Stadtstaat Korinth hier eine Kolonie gründet: Kerkyra. In der Neuzeit verzauberte die Insel Kaiserin Sissi und Kaiser Wilhelm I., deren „Achilleion“ ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Das wohl bekannteste antike Heiligtum Korfus war der Athena geweiht. Von ihrem Tempel stammt der Giebelschmuck, der ein Highlight des Archäologischen Museums ist. Er zeigt im Zentrum Medusa mit ihren Kindern Pegasus und Khrysaor, flankiert von zwei Panthern.

Ebenfalls zu den Ionischen Inseln gehören Ithaka, die legendäre Heimat des Odysseus, sowie Lefkada, wo sich die Dichterin Sappho aus Liebeskummer von einem Felsen gestürzt haben soll.

Der Tempelbezirk, malerisch auf einem Bergsattel gelegen, ist ein lohnenswertes Ziel für einen Tagesausflug von Athen. Salamis hingegen ist bekannt als Schauplatz der bedeutenden Seeschlacht von 480 v. Chr., bei der die Griechen die Perser besiegten.

Weiter geht die Reise zu den Saronischen Inseln, von denen Aigina und Salamis besonders hervorstechen. Von diesen beiden Inseln erfahren wir auch einiges bei Pausanias. Wer an Aigina denkt, hat vermutlich sofort die Giebelfiguren vor Augen, die zu den bekanntesten Stücken der Münchner Glyptothek gehören. Sie stammen vom malerisch auf einem Bergsattel gelegenen Tempel der Aphaia. Schon um 1400 v. Chr. gab es hier eine Kultstätte, wie Keramik und Tonfiguren nahelegen. Die damals verehrte Naturgottheit wurde offenbar im 6. Jh. v. Chr. mit der Nymphe Aphaia gleichgesetzt. Ihr Tempelbezirk ist in jedem Fall einen Tagesausflug wert, wenn man sich in Athen aufhält. P. Schollmeyer zeigt jedoch, dass die Insel noch mehr zu bieten hat und man sich vielleicht doch ein paar Tage Zeit nehmen sollte.

Salamis hingegen ist bekannt als Schauplatz der bedeutenden Seeschlacht von 480 v. Chr., bei der die Griechen die Perser besiegten. Außerdem war diese Insel die Heimat des Aias, den Homer als einen der tapfersten unter den griechischen Kriegern vor Troja pries. Auch diese Insel kann von Athen aus in einem Tagesausflug besucht werden.

Nur einen Katzensprung vom griechischen Festland entfernt liegt Euboia, die nach Kreta größte griechische Insel. Hier bildeten sich zwei Machtzentren aus: Chalkis und Eretria. Die antiken Reste von Chalkis sind weitestgehend unter der modernen Stadt verborgen. Mehr zu sehen gibt es in Eretria, wo man über das Stadtgebiet verteilt immer wieder auf archäologische Reste stößt. Die größte zusammenhängende archäologische Zone liegt in der Nähe des Museums, das einen guten Ausgangspunkt für die Besichtigungen bildet.

Reste eines größeren heiligen Bezirks haben sich in der Nähe des Dorfes Amarynthos erhalten. Und vor dem Kap Artemision im Norden Euboias fanden Taucher eine bronzene Statue des Zeus sowie ein bronzenes Pferd mit zugehörigem Jockey. In einem weiteren Kapitel geht Schollmeyer auf die Bestattung eines offenbar hochrangigen Mannes in Lefkandi ein.

Die Kykladen, eine der größten Inselgruppen, bestechen durch ihre berühmten Inseln Santorini, Naxos, Delos und Mykonos. Als minoisches Pompeji gilt eine Siedlung bei Akrotiri auf Santorini. Eine Siedlung, von der bis heute aber tatsächlich nur ein Teil ausgegraben und erforscht ist. Doch die gut erhaltenen Häuser und Wandmalereien sind ein Muss für viele Kreuzfahrtpassagiere. Aber auch Alt-Thera ist einen Ausflug wert.

Das geografische Zentrum der Kykladen ist Paros, dessen in der Antike beliebtem Marmor im Buch ein eigenes Kapitel gewidmet wurde. Auf Naxos erwarten den Besucher Reste mehrere Tempel: das Heiligtum des Apollon bei der Inselhauptstadt, der Tempel von Yria, der die Entwicklung ionischer Tempel Architektur zeigt, der Tempel für Demeter und ihre Tochter Kore in Sangri. Auch auf Naxos gibt es Marmorsteinbrüche. Dieser Marmor wurde vor allem für die großen Jünglingsfiguren verwendet, die viele Heiligtümer und Gräber schmückten.

Ein Muss für archäologisch Interessierte ist auch Delos mit seinen Heiligtümern. Man erreicht die Insel von der Urlaubsinsel Mykonos aus. Das Hauptheiligtum von Delos ist Apollon geweiht und eines der großen panhellenischen Heiligtümer. Die einstige Pracht kann heute nur noch erahnt werden, aber auch die vorhandenen Reste sind für Besucher durchaus überwältigend. Nicht umsonst ist dies einer der längsten Abschnitte des Buches. Es zeigt, wie viel diese Insel zu bieten hat und dass ein Tag eigentlich viel zu kurz für einen Besuch ist.

Weniger frequentiert, aber nicht minder interessant sind die Nordägäischen Inseln. Thasos war nicht nur für seinen Marmor bekannt, sondern kam auch durch Gold, Silber und Kupfer zu Wohlstand. Hier lohnt sich ein ausgiebiger Spaziergang, um die noch heute sichtbaren Reste der antiken Stadt Thasos zu entdecken – ein Spaziergang, der in diesem Buch ausführlich beschrieben wird. Vor allem aber ist das Kabirion auf der Insel Samothrake einen Besuch wert, ein Heiligtum, das den geheimnisvollen Großen Göttern geweiht ist. Auch hier nimmt uns der Autor auf einen Rundgang mit.

Unter den Ostägäischen Inseln fasst P. Schollmeyer Lesbos, die Heimat der Dichterin Sappho, und das durch Wein und einem als Heildroge verwendeten Harz reich gewordene Chios zusammen.

Die Inseln Skyros und Ikaria werden teilweise zu den Ostägäischen Inseln gezählt. Sie gehören aber auch zu den südlichen Sporaden. Auf Skyros versteckte sich der Legende nach Aias in Frauenkleidern, um seinem sicheren Tod vor Troja zu entgehen. Aber der listige Odysseus lockte ihn aus der Reserve. Ikaria wiederum verdankt ihren Namen Ikaros, dem Sohn des Daidalos, der bekanntermaßen nicht auf seinen Vater hörte und auf der Flucht von Kreta abstürzte und hier begraben worden sein soll.

Vor allem Samos lohnt jedoch einen Besuch. Das Heraion, ein der Göttin Hera geweihtes internationales Heiligtum mit einem gigantischen Tempel, ist ein absolutes Highlight.

Die letzte Inselgruppe, die im vorliegenden Buch präsentiert wird, sind die sogenannten Dodekanes-Inseln. Hierzu gehört z. B. Patmos, wo Johannes die Apokalypse geschrieben haben soll und sich heute ein eindrucksvolles Kloster erhebt. Vor Kalymnos bargen Schwammtaucher schon so manche Bronzestatue und auf Kos wirkte im 4. Jh. v. Chr. der Arzt Hippokrates. Noch heute verpflichten sich Mediziner in ihrem nach ihm benannten Eid, immer zum Wohl des Patienten zu handeln. Die wichtigste archäologische Stätte auf Kos ist jedoch das Asklepios-Heiligtum, das sich über mehrere Terrassen erstreckt.

Eines der 7 Weltwunder der Antike befand sich auf Rhodos: der Koloss des Sonnengottes Sol. Umstritten ist in der Forschung bis heute, wo genau er aufgestellt war. Eher unwahrscheinlich ist allerdings eine breitbeinige Aufstellung über der Hafeneinfahrt.

Wer die griechischen Inseln bereist, kommt meist über Athen. Dies sollte man zu einem Besuch der Athener Museen in Athen nutzen, in denen man viele der Meisterwerke bewundern kann, die auf und vor den in diesem archäologischen Reiseführer vorgestellten Inseln gefunden worden. Insgesamt hat P. Schollmeyer wieder einen unterhaltsamen historischen und archäologischen Überblick vorgelegt.

ISBN: 978-3-96176-247-7
208 Seiten, 129 Illustrationen

Buchbesprechung: Auf der Spur der Menschen vor 80.000 Jahren (2024)

Eine kommentierte Graphic Novel

In den Jahren 2009 bis 2021 förderte die Deutsche Forschungsgemeinschaft das Projekt „Unser Weg nach Europa“, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Forschungsdisziplinen die Menschheits- und Umweltgeschichte von der Entstehung der anatomisch modernen Menschen vor 190 000 Jahren in Afrika über ihre Wanderungsbewegung bis hin zu ihrer Ankunft in Europa erforscht haben. Anhand von Methoden aus Geowissenschaft, Kulturwissenschaft und Archäologie ging es darum, Ausbreitungs- und Rückzugsbewegungen prähistorischer Populationen zu rekonstruieren.

Die Ergebnisse zu den naturräumlichen und kulturellen Bedingungen, die zwischen 80.000 und 60.000 vor unserer Zeitrechnung zu diesen Wanderungen geführt haben könnten, wurden nun in einem ungewöhnlichen Buch zusammengefasst. Die Autoren Frederik von Reumont, Marine Simon, Ute Dieckmann, Ralf Vogelsang, Felix Henselowsky, Alexandra Budke, Frank Schäbitz haben eine Graphic Novel gewählt, um die Forschungsergebnisse für Laien verständlich zu machen: Als die junge Aluru bemerkt, dass sich die Umweltbedingungen in ihrer Heimat um den damals noch Wasser führenden See Chew Bahir verändern, macht sie sich zusammen mit einigen Gefährten auf den gefährlichen Weg, Neuland zu erkunden.

Jedes Kapitel steht unter einem anderen naturräumlichen Thema, z. B. Klima und Vegetation in sehr feuchten Perioden und in trockenen Perioden, die Veränderung von Küstenlinien und Flussläufen. Zunächst werden die Bedingungen anhand einer Karte und einer kurzen Einführung vorgestellt. Auf den folgenden Seiten wird dann die Geschichte auf der rechten Seite erzählt, während links der aktuelle Forschungsstand erklärt wird: Was weiß man sicher? Was wird vermutet? Was an dieser Geschichte ist reine Spekulation? Woran orientierte sich der Zeichner bei der Gestaltung seiner Figuren? Inwieweit können Vergleiche mit heutigen Gemeinschaften helfen, Lebensumstände, Denkweise, Kleidung, Werkzeuge oder das Verhältnis der Menschen zu ihrer Umwelt zu rekonstruieren?

Auch wenn die Geschichte Alurus die Wanderungsbewegungen und die klimatischen Veränderungen im Zeitraffer erzählt (in Wirklichkeit zogen sich solche Veränderungen über mehrere Generationen bzw. teilweise über Hunderte oder Tausende von Jahren hin), bietet das eine gute Einführung in die Lebenswelten der Altsteinzeit. Es zeigt, welchen Herausforderungen sich der frühe Mensch stellen musste und wie er sich an Veränderungen in seinem Umfeld anpasste. Es veranschaulicht die kulturellen Hintergründe und das Miteinander zwischen den Menschen innerhalb und außerhalb der eigenen Gemeinschaft. Wissenschaftliche Forschungsergebnisse in eine Graphic Novel verpacken? Ein Experiment, das mich neugierig gemacht hat. Ein Experiment, das überzeugt und als Vorbild für Bücher dienen kann, die komplexe Sachverhalte veranschaulichen sollen.    

Weitere Informationen: https://www.reimer-mann-verlag.de/controller.php?cmd=detail&titelnummer=101702&verlag=4

Auf der Spur der Menschen vor 80.000 Jahren
Eine kommentierte Graphic Novel
170 S. m. zahlr. Farbabb., 21 × 29,7 cm, Hardcover
ISBN 978-3-496-01702-8
29,90 € [D]

Buchbesprechung: Markus Schauer, Triumvirat. Der Kampf um das Imperium Romanum. Caesar, Crassus, Pompeius (2023)

Das erste Triumvirat, der Dreierbund von Pompeius, Crassus und Caesar markierte den Höhepunkt politischer Umwälzungen, die die römische Republik aus den Angeln werfen und den Weg für die Kaiserzeit bereiten sollten. Aber wie konnte es dazu kommen? Welche Voraussetzungen ebneten ihnen den Weg zu beispiellosen Karrieren? Was trieb sie an? Und wie schafften sie es, den römischen Staat in ihre Hände zu bekommen? Diesen Fragen widmet sich Markus Schauer in seinem Buch, in dem er virtuos die Biografien der drei Protagonisten mit den historischen Rahmenbedingungen verbindet.

Zu Beginn nimmt Schauer uns mit in die Gedanken und Gefühle, die jeden der drei späteren Triumvirn am Vorabend umgetrieben haben könnten. Rivalität untereinander, aber auch verletzter Stolz, Eitelkeit und maßloser Ehrgeiz, die letztendlich dazu führten, dass sie sich gegen den gemeinsamen Feind, den Senat, zusammenschlossen.

Doch, während die antiken Geschichtsschreiber die Bürgerkriege und den Untergang der römischen Republik im 1. Jahrhunderts v. Chr. diesen drei mächtigen Männern zuschrieben, zeigt Schauer, dass erst die schon Jahrzehnte zuvor begonnenen gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen es ihnen ermöglichten, so viel Macht auf sich zu vereinen.

Nach einem theoretischen Teil zu antiker und moderner Geschichtsforschung schildert er ausführlich die Kämpfe zwischen Optimaten und Popularen, also zwischen Senat und Volksversammlung. Im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzungen standen so bekannte Namen wie Tiberius und Gaius Gracchus oder Marius und Sulla. Aber auch sie agierten nicht im Vakuum. Viele innere und äußere Faktoren machten diese Umwälzungen möglich und notwendig – Umwälzungen, die in blutigen Bürgerkriegen und unter Sulla mit einem unvorstellbaren Blutbad unter den Popularen führte.

Dies war die Zeit, in der Crassus, Pompeius und Caesar ihre Jugend erlebten und sich die ersten Sporen als Feldherrn verdienten. Aber bis 60 v. Chr. waren sie für die Optimaten im Senat zu mächtig geworden. Immer wieder legte man ihnen Steine in den Weg. Demütigungen und Rückschläge für ihre Ambitionen waren die Folge. Caesar gelang es, die Rivalen Crassus und Pompeius zu überzeugen, über ihren Schatten zu springen und sich ihm in einem geheimen und zunächst privaten Dreibündnis anzuschließen, um die ihnen

Das „dreiköpfige Ungeheuer“, wie dieses erste Triumvirat schon in der Antike genannt wurde, dominierte bald den Senat und setzte seine Wünsche oft gegen geltendes Recht und teilweise unter Anwendung von Gewalt durch. Das Ergebnis war eine ungeheure Machtfülle für die drei. Tatsächlich hatten die Triumvirn mehr oder weniger das ganze Imperium Romanum unter sich aufgeteilt.

Detailliert schildert Schauer die Aktivitäten der drei Männer aus verschiedenen Blickwinkeln. Manchmal ergeben sich daraus Wiederholungen, die es jedoch auch einfacher machen, den komplizierten Vorgängen zu folgen. Denn es ist ein ständiges Mit- und Gegeneinander, das diesen Dreibund prägt. Wie Schauer zeigt, ist es vor allem Caesar zu verdanken, dass das Triumvirat so lange Bestand hatte und Differenzen mit Blick auf das gemeinsame Ziel in den Hintergrund traten.

Auch die Hintergründe des Gallischen Kriegs Caesars werden beleuchtet. Geschickt sorgte er dafür, dem Senat einen Grund für diesen Krieg verkaufen zu können. Denn Ruhm brachte nur ein „gerechter Krieg“, also ein Krieg, um das römische Reich selbst oder Bündnispartner zu verteidigen. Und solche Kriege zu inszenieren, darin war Caesar ein Meister. Immer wieder zog er den Krieg in Gallien in die Länge, hob immer wieder neue Legionen aus und war schließlich Herr über 13 Legionen.

Der Tod Iulias, der Tochter Caesars, die mit Pompeius verheiratet war, markiert den Anfang vom Ende des Triumvirats. Als wenig später auch Crassus im Kampf starb, zeichnete sich ab, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis die Rivalität zwischen Caesar und Pompeius nun offen zutage treten würde.

Und so standen sich die beiden schließlich in einem blutigen Bürgerkrieg gegenüber, aus dem Caesar 45 v. Chr. als Sieger hervorging. Allerdings konnte er seine Alleinherrschaft über das Imperium Romanum bekanntermaßen nicht lange genießen, da nur ein Jahr später einer Verschwörung zum Opfer fiel.

Schauer lässt die damaligen Geschehnisse anhand antiker Quellen lebendig werden. Vor allem die Briefe Ciceros an seinen Freund Atticus geben einen tieferen Einblick hinter die Kulissen der Machtkämpfe zwischen den Triumvirn, aber auch zwischen Popularen und Optimaten. Immer wieder versuchte Cicero zwischen den beiden Kontrahenten zu vermitteln.

Das abschließende Resümee geht schließlich auch darauf, welche Fehler jedes einzelnen der Triumvirn dazu führten, dass keiner der drei sich auf Dauer durchsetzen konnte. Auch macht Schauer die Unterschiede zwischen Caesars Politik und jener des Augustus deutlich, dem letztendlich das gelang, was Caesar verwehrt blieb: die Schaffung einer neuen Staatsform unter einem Alleinherrscher.

Schauers Buch über das Triumvirat von Caesar, Pompeius und Crassus bietet neben der dreifachen Biografie der drei Protagonisten auch einen gelungenen Einblick in die römische Gesellschaft am Ende der Republik. Er zeigt, wie die Aristokratie dachte, welche Werte sie vertrat und wie gerade das Beharren auf diesen Werten und ihren Privilegien in der Auseinandersetzung mit popularen Strömungen den Machtzuwachs einzelner erst möglich machte.


Markus Schauer, Triumvirat. Der Kampf um das Imperium Romanum. Caesar, Crassus, Pompeius (2023)

978-3-406-80645-2
Erschienen am 21. September 2023
429 S., mit 7 Abbildungen und 2 Karten

Buchbesprechung: Birgit Schönau, Die Geheimnisse des Tibers. Rom und sein ewiger Fluss (2023)

Der Tiber und Rom, das ist die Geschichte einer Symbiose zwischen der ewigen Stadt und ihrem Fluss. Birgit Schönau, langjährige Italienkorrespondentin der ZEIT, zeigt in ihrem aktuellen Buch, wie der Tiber das Leben in Rom bis heute bestimmt. Die Römer hatten dabei immer ein zwiespältiges Verhältnis zu ihrem Fluss.

Zum einen diente er seit der Antike als Quelle für Wasser – sei es als Trinkwasser oder zum Waschen. Die Strömung trieb Mühlen an und auch mit Fischen versorgte er seine Anwohner. Dabei diente er gleichzeitig als Abwasserkanal, denn die berühmte Cloaca Maxima entließ den Unrat der Stadt in den Tiber. Und auch die schmutzigen Werkstätten von Färbern, Gerbern oder Metzgern lagen direkt am Fluss.

Zum anderen trat er regelmäßig über die Ufer und hinterließ oft eine Spur der Verwüstung. Denn er ließ sich jahrhundertelang nicht wirklich bändigen, weder als heidnischer Flussgott noch als „Jordan der Päpste“. Er forderte immer wieder Todesopfer und auch die vielen Pilger bekamen oft die Macht des Flusses zu spüren.

Doch nicht nur den Fluss selbst, auch den Alltag der Römer im Laufe der Jahrhunderte stellt Schönau ausführlich vor. Wir erfahren, wie Arm und Reich lebten, erhalten einen Einblick in Hygiene und den Umgang mit Müll und lernen das direkt am Fluss angelegte Ghetto der Juden kennen. Am Tiber befanden sich Gefängnisse und Armenhäuser, hier sperrte man Prostituierte ein. Und auch die Krankenhäuser lagen am Fluss. Gleichzeitig vergnügten sich die Anwohner in und am Tiber. Beim Schwimmen, Spazierengehen oder dem Besuch von Restaurants und Cafés.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann man, den Fluss mit hohen Kaimauern zu regulieren, die den Römern die Sicht auf ihren Fluss genommen haben. Erst seit vor einigen Jahren ein Radweg am Ufer angelegt wurde, wird der Tiber wieder stärker frequentiert.

Das letzte Kapitel widmet sich der Rezeption des Flusses in Malerei und Literatur sowie in Filmen. Im Anhang veranschaulicht die Autorin die Geschichte des Tibers anhand einer Zeittafel und stellt alle Brücken über den Tiber vor. Karten und ein umfangreiches Literaturverzeichnis runden dieses äußerst informative Buch ab.

Schönau, Birgit
Die Geheimnisse des Tibers. Rom und sein ewiger Fluss.
Beck-Verlag
978-3-406-80837-1
Erschienen am 21. September 2023
319 S., mit 28 Abbildungen

Das Buch ist unter anderem bei Amazon erhältlich. Als Buch und als E-Book.

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