Monat: Januar 2023

Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia, Rom (Teil 4)

Die Goldbleche aus Pyrgi sind das Highlight der umfangreichen epigraphischen Sammlung der Villa Giulia, die sowohl Originale als auch Abgüsse umfasst. Vor allem Grabinschriften, Weihinschriften, Besitzangaben auf Bechern usw. haben sich erhalten. Anhand dieser Sammlung und zahlreichen Zusatzinformationen an den Wänden wird die Erforschung der etruskischen Schrift und Sprache im Obergeschoss des Museums in einem eigenen Raum ausführlich vorgestellt.

Die folgenden Säle beherbergen verschiedene Privatsammlungen, die Anfang des 20. Jahrhunderts für das Museum erworben werden konnten. Aus der Sammlung des Museums Kircherianum (italienisch Museo Kircheriano), das 1651 in Rom eingerichtet wurde, stammt zum Beispiel die Cista Ficoroni, ein weiteres Meisterwerk der Villa Giulia. Es handelt sich hierbei um einen zylinderförmigen, 77 cm hohen Behälter aus Bronze mit fein gravierten Szenen aus der Argonauten-Sage. Auf dem Deckel befinden sich drei Statuetten, die zusammen den Griff bilden.

Weitere ehemalige Privatsammlungen sind die Sammlung Augusto Castellani und die Sammlung Cima Pesciotti. Sie beinhalten unter anderem zahlreiche Gegenstände aus Metall, Glas oder Terracotta sowie Keramik. Und auch Beispiele für die Meisterschaft etruskischer Goldschmiede sind darunter. Augusto Castellani, selbst Goldschmied, widmete sich der Erforschung der Goldgranulation der Etrusker, bei der kleinste Goldkügelchen zu Motiven kombiniert werden.

Die weiteren Säle präsentieren wieder verschiedene etruskische Orte bzw. Regionen. Aus der Nekropole von Olmo Bello in Bisenzio stammt beispielsweise ein mit Figuren verzierter bronzener Wagen mit Becken. Er diente vermutlich für kultische Handlungen. In einem anderen Grab derselben Nekropole fand man eine Urne aus Bronze – auch diese mit plastischen Figuren versehen.

Größeren Raum nehmen dann die Funde des „Agro Falisco e Capenate“ ein. Hiermit ist die Region der Falisker bzw. ihrer Stadt Falerii gemeint bis hin zur Stadt Capena. Obwohl dieses Gebiet lange politisch unter etruskischem Einfluss stand, konnten sich die Bewohner doch einiges ihrer kulturellen Identität bewahren.

Die ersten zwei Säle sind Capena und einigen kleineren Orten gewidmet. Hier sticht ein aus Capena stammender Teller mit der Darstellung eines Kriegselefanten hervor. Aus Falerii stammt dagegen eine bronzene Urne in Form eines Hauses aus dem 7. Jh. v. Chr. Der zunehmende Wohlstand Faleriis in den folgenden Jahrhunderten zeigt sich in zahlreichen qualitätvollen Importen griechischer Keramik. Ein besonders schönes Stück ist ein Rython in Form eines Hundekopfes.

Die bedeutendsten Funde aus dem antiken Falerii sind jedoch die Reste verschiedener Tempel. Dazu gehören aus Heiligtümern im Stadtteil Lo Scasato eine Büste der Göttin Juno oder eine Terrakotta-Statue Apollos. Und aus dem Heiligtum von Sassi Caduti stammt eine ungewöhnliche Firstbekrönung. Der zentrale Akroter des dort gelegenen Tempels des Merkur zeigt zwei kämpfende Männer.

(Fortsetzung folgt …)

Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia, Rom (Teil 3)

Pyrgi liegt südlich des heutigen Ortes Santa Severa und wurde erst Mitte des 20. Jahrhunderts entdeckt. Von den zivilen Orten aus etruskischer und römischer Zeit ist nicht viel erhalten, zumal der römische unter der Festung von Santa Severa liegt. Das aus antiken Quellen bekannte Heiligtum konnte dagegen systematisch erforscht werden. Es existierte vermutlich bereits seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. und war der Göttin Leukothea geweiht. Diese „weiße Göttin“ entsprach hier der etruskischen Göttin Uni und der phönizischen Astarte.

Im späten 6. Jahrhundert begann man, das Heiligtum auszubauen. Zunächst mit dem sogenannten Tempel B mit einer Einfriedung, später, etwa 480 v. Chr., Tempel A. Der erste Tempel folgte den Grundrissen nach wohl griechischen Vorbildern – mit Cella, Vorhalle (Pronaos) und einer umlaufenden Säulenhalle. Der spätere Tempel hat dagegen einen typisch etruskischen Grundriss mit einer von zwei schmaleren Räumen flankierten zentralen Cella und einer vorgelagerten Säulenhalle.

Erhalten haben sich hauptsächlich die Fundamente und der Architekturschmuck aus Terrakotta. Aus Tempel A stammt außerdem der Kopf einer Frau, die als Darstellung der Göttin „Leukothea“ interpretiert wird. Die Gebäude selbst bestanden aus Holz und Tuff und haben dem Zahn der Zeit nicht standgehalten. Zu den erhaltenen Architekturresten gehören Antefixe und andere Schmuckelemente von den Dächern der Tempel. Darunter sticht ein sogenanntes Antepagment hervor, dass sich im Museum an der Rückseite des Saales befindet (siehe Bild oben). Hierbei handelt es sich um eine Platte, die vor den Balkenköpfen früher etruskischer Tempel angebracht wurde, anstatt den ganzen Giebel mit Figuren zu füllen.

Das aus vielen Fragmenten rekonstruierte Antepagment aus Pyrgi ist 1,37 m breit und in der Mitte 1,32 m hoch. Es hing vor dem zentralen Giebelbalken an der Rückseite von Tempel A. Die Darstellung vereint zwei Szenen aus der Sage der „Sieben gegen Theben“. Zum einen auf der rechten Seite die Episode, in der Zeus Kapaneus für seine Hybris mit dem Tode bestraft. Als Kapaneus bei der Erklimmung der Stadtmauer rief, dass nicht einmal Zeus ihn noch aufhalten könne, die Stadt Theben zu erobern, schleuderte Zeus sein Blitzbündel nach ihm.

Die zweite Figurengruppe links und im Vordergrund zeigt eine bisher einzigartige Darstellung. Als Tydeus, einer der sieben Helden, die gegen Theben zogen, von Melanippos lebensgefährlich verletzt wird, will Athena ihn retten. Man sieht auf dem Antepagment das Fläschchen mit dem Mittel, dass ihn unsterblich machen soll. Als sie jedoch sieht, dass Tydeus aus Rache seinem ebenfalls sterbenden Gegner in den Kopf beißt, um sein Hirn aus dem Schädel zu schlürfen, wendet sie sich angewidert ab.

Einer der wichtigsten Funde aus Pyrgi sind drei dünne Goldbleche mit Inschriften in phönizischer (1 Blech) und etruskischer Schrift (2 Bleche), die zwischen den beiden Tempeln zutage traten. Der längere der etruskischen Inschriften entspricht mehr oder weniger der phönizischen, sodass diese Bleche einen wichtigen Beitrag zur Entschlüsselung der etruskischen Sprache leistete. Laut dieser Weihinschriften weihte Thefarie Velianas, ein Herrscher oder hoher Beamter aus Caere, auf Wunsch der Göttin Tempel B sowie eine Statue. Der kürzere etruskische Text bezieht sich auf Kulthandlungen. Offenbar waren diese Bleche an einer Wand angebracht.

(Fortsetzung folgt …)

Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia, Rom (Teil 2)

Wieder im Erdgeschoss der Villa Giulia angekommen, widmen sich die nächsten Säle den Funden aus Cerveteri, dem antiken Caere. Neben weiteren Grabinventaren begegnet man hier auch einem der Highlights der Villa Giulia: dem Ehegatten-Sarkophag („Sarcofago degli Sposi“) aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. Eigentlich handelt es sich bei diesem Terrakotta-Stück allerdings gar nicht um einen Sarkophag, sondern diente stattdessen zur Aufbewahrung der Asche zweier Verstorbener.
Dargestellt ist ein Paar auf einer Kline (einer Liege), das vermutlich an einem Bankett teilnimmt. Der mit nacktem Oberkörper dargestellte Mann hat seinen rechten Arm um die Schulter der in einen Mantel gehüllten Frau gelegt. Sie scheinen etwas in den Händen gehalten haben – möglicherweise eine Girlande. Der Detailreichtum ist bemerkenswert. Die Schuhe, die kunstvoll geflochtenen Haare, der Bart des Mannes, die fein modellierten Gesichter mit mandelförmigen Augen oder das „archaische“ Lächeln, das besonders gut die orientalisierenden Vorbilder in Griechenland wiedergibt – man mag die Augen gar nicht von diesem Schmuckstück abwenden. Aber das Museum bietet noch viel mehr Sehenswertes.

Gleich im nächsten Saal finden wir eine umfangreiche Sammlung von aus Athen importierter Keramik – sowohl in schwarzfiguriger als auch in der späteren rotfigurigen Technik. Ein Meisterwerk ist beispielsweise ein Krater, der etwa 510 v. Chr. von Euphronios hergestellt wurde. Er war sowohl Töpfer als auch Vasenmaler und ist einer der Pioniere der rotfigurigen Vasenmalerei. Der Krater in der Villa Giulia zeigt auf der einen Seite den Leichnam des im trojanischen Krieg getöteten Sarpedon, der von den Brüdern Thanatos (Tod) und Hypnos (Schlaf) vom Schlachtfeld getragen wird.

Im folgenden Raum nähern wir uns dem nächsten Highlight des Museums. Vorbei an Architekturschmuck eines archaischen Tempels in Cerveteri, von dem bisher keine weitere Befunde vorliegen, und des Heiligtums von Sant‘Antonio am südwestlichen Stadtrand folgen die wichtigsten Funde aus Pyrgi, einer der Hafenstädte von Caere.

(Fortsetzung folgt …)

Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia, Rom (Teil 1)

Oft vom „normalen“ Touristen vergessen, aber absolut sehenswert, ist das Nationalmuseum für etruskische Kunst in Rom. Und das, obwohl sich das Museum ganz in der Nähe der bekannten Villa Borghese und ihren Gärten befindet. Schon das Gebäude selbst ist beeindruckend, denn es gehört zu einer ehemaligen päpstlichen Sommerresidenz. Dabei ist dieses 1553 unter Papst Julius III. fertiggestellte Hauptgebäude der Villa Giulia nur ein kleiner Teil des früheren Anwesens. Mit der Auflösung des Kirchenstaates 1870 fiel dieses Anwesen an das Königreich Italien und 1889 entstand hier dann ein Museum für etruskische Funde aus dem Latium, aus Umbrien und dem südlichen Etrurien, um so bekannten Stücken wie dem Apollo von Veji oder dem Sarkophag der Eheleute (Sarcofago degli Sposi) ein Zuhause zu geben.

Das Museum verteilt sich über zwei Stockwerke und um alles in Ruhe anzusehen, würde man mehrere Tage benötigen. Man sollte sich aber zumindest ein paar Stunden Zeit nehmen, die Highlights der Sammlung anzusehen. Im Folgenden möchte ich daher einen – natürlich subjektiven – Überblick über die Stücke geben, die man meines Erachtens nicht verpassen sollte.

Nach einer kurzen Einführung mit Karten der etruskischen Herrschaftsbereiche in Italien sowie Urnen aus der Villanova-Kultur, die der etruskischen Kultur vorausging, steht man gleich zu Beginn des Rundgangs vor dem ersten Blickfang des Museums – der Rekonstruktion des Grabes des Bronzewagens aus Vulci (Tomba del Carro).

Dieses Grab aus der Nekropole von Osteria di Vulci steht am Übergang von der Villanova-Kultur zur orientalisierenden Phase im 7. Jahrhundert v. Chr. Der Bestattete wurde wie in der Villanova-Kultur eingeäschert, aber nicht nur in einem schlichten Urnengrab beigesetzt. Die Asche wurde in einer Bronzevase aufbewahrt und der Verstorbene schematisch als Statue auf einem bronzenen Wagen dargestellt. Zudem enthielt das Grab zahlreiche Beigaben. Vor allem aus dem Bereich der der Elite vorbehaltenen Bankette, die aus dem Orient übernommen wurden, aber auch Waffen.

Die folgenden Grabinventare zeigen den zunehmenden Einfluss der griechischen Kultur. Wer es sich leisten konnte, gab dem Toten originale Gefäße aus Griechenland mit ins Grab – oder zumindest etruskische Nachbildungen. Die Säle 6-8 befinden sich im Untergeschoss und zeigen unter anderem eine Rekonstruktion des Grabes (Tomba II del Tumulo Maroi) in der Banditacci-Nekropole von Cerveteri sowie die originalen Wandmalereien der Tomba del Letto Funebre („Grab des Totenbettes“) aus Tarquinia.

(Fortsetzung folgt …)

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