Monat: April 2015

Die sogenannten „Thronreliefs“ aus Ravenna (Teil 5)

Auf dem bereits erwähnten Vierjahreszeitenaltar, einem Rundaltar in Würzburg, der früher hadrianisch datiert und erst von E. Simon der claudischen Zeit zugeordnet wurde, sind vier Putti als Jahreszeitenallegorien dargestellt. Sie stehen mit ihren Attributen zwischen sparsam dekorierten Kandelabern, an denen baldachinartige Tücher befestigt sind.

Die Haut spannt sich straff über den recht schmalen Körper, wodurch eine glatte Oberfläche entsteht. Hautfalten ergeben sich nur an wenigen Stellen. Die organische Gliederung des Körpers ist sehr zurückhaltend. Bei den anderen Putti wird diese Körperbehandlung eher noch flacher und summarischer. Dies steht im krassen Gegensatz zu den ravennatischen Putti, die viel voluminöser gestaltet sind.

Im Gegensatz zu den plastisch gearbeiteten Flügel auf den ravennatischen Reliefs, sind die Flügel auf dem Würzburger Altar sehr flach gehalten und die Binnenzeichnung beschränkt sich hier auf die Angabe des Kiels.

Auch die Stoffpartien des Rundaltares sind einfacher und flacher gestaltet als auf den Platten in Ravenna. Die Falten der nur leicht vorspringenden Baldachine auf dem Vierjahreszeitenaltar fallen in einer ruhigen Bogenstruktur, während die Falten auf den Tüchern über den Thronen häufig enden ohne Bogen zu bilden.

Die straffe Körpermodellierung, die zurückhaltenden Stoffarrangements und die Verwendung des Flachreliefs für Stoffe und Flügel auf dem Vierjahreszeitenaltar folgen den in iulisch-claudischer Zeit beliebten Vorbildern der griechischen Kunst. Der Vergleich mit anderen Reliefs aus der iulisch-claudischen Zeit zeigt die gleichen stilistischen Merkmale. Die ravennatischen Reliefs sind dagegen plastischer gearbeitet und zeigen mehr Licht- und Schattenwirkung.

 

(Fortsetzung folgt …)

Die sogenannten „Thronreliefs“ aus Ravenna (Teil 4)

Die Datierung der Reliefs ist in der Forschung umstritten. Sie wurden bisher bereits in die iulisch-claudische Zeit datiert, in hadrianische oder traianische Zeit. Die Datierung in iulisch-claudische Zeit vertritt z. B. Beschi. Er sieht stilistische Übereinstimmungen in der Plastizität und der sorgfältigen Ausarbeitung zwischen den Putti der ravennatischen Reliefs und dem Würzburger Vierjahreszeitenaltar, der von E. Simon 1967 der claudischen Zeit zugeschrieben wurde. Vor allem aber stützt er seinen Vorschlag mit historischen Überlegungen: seiner Meinung nach ist eine Datierung in die iulisch-claudische Zeit durch die politische und strategische Rolle Ravennas in dieser Zeit wahrscheinlich, da Ravenna den beiden Divi der iulisch-claudischen Familie viel verdankt. Augustus verstärkte Ravenna als Sitz der westlichen Flotte und des praefectus classis, Claudius befestigte sie und verschönerte sie z. B. mit der Porta Aurea. Dies weist für diese Zeit auf eine enge Bindung an den Kaiser und siene Familie, was wiederum die Qualität der untersuchten Reliefs und die ideologischen Implikationen der Darstellungen erklären könnte.

Sehen wir uns die verschiedenen Datierungsvorschläge an. Dazu ist es zunächst notwendig, die stilistischen Merkmale der ravennatischen Reliefs zu beschreiben, wobei ich nur einige Merkmale herausgreifen möchte. Als Vergleichsbeispiele sollen hier v. a. die Reliefs von S.Vitale, Louvre und Venedig dienen.

Die Körper der Putti wirken recht kompakt, ein Eindruck, der besonders durch die dicken Beine, die sehr kurzen Hälse sowie durch die stark plastisch herausgearbeiteten Backen betont wird. Die Gesichter sind detailliert modelliert, z. B. sind bei den Augen sowohl das untere als auch das obere Lid abgesetzt.

Bei der Körperbehandlung sind die Muskel- und Fettpartien meist stark geschwollen herausgearbeitet und gegeneinander durch Falten abgesetzt, so dass sich eine bewegte Oberfläche ergibt. Es entsteht der Eindruck einer additiven Aneinanderreihung von Einzelformen.

Die kurzen Flügel der Putti sind oft vollplastisch gearbeitet. Sie bestehen aus einer doppelten Lage leicht unregelmäßig gereihter Deckfedern sowie vier bis fünf Schwungfedern auf, die zum Körper hin nur wenig kürzer werden und an den Enden nicht ausschwingen. Die Federn sind recht dick und unterschiedlich gestaltet. Die genaue Binnenzeichnung gibt nicht nur den Kiel an, sondern skizziert sogar die einzelnen Häärchen.

Die kurzen Mäntel der Putti weisen durch tiefe Falten starke Hell-Dunkel-Kontraste auf. Bei den Tüchern, die über die Throne gebreitet sind, zeigen alle Faltenöffnungen nach vorn und die Struktur wird durch kleine, schrägverlaufende Falten auflockert.

An den ravennatischen Reliefs zeigt sich also ein großes Interesse an Detailtreue, an Licht- und Schattenwirkung und an plastischer, voluminöser Gestaltung.

(Fortsetzung folgt …)

Die sogenannten „Thronreliefs“ aus Ravenna (Teil 3)

Wie können wir aber den leeren Thron der Reliefs deuten? Zunächst einige Vergleichsbeispiele:

Im Giebel des palatinischen Tempels der Magna Mater oder Kybele (Mitte des 1. Jh. n. Chr.), im Hintergrund einer Opferszene an der sogenannten Ara Pietatis von 43 n. Chr., nimmt der leere Thron der Kybele, auf dem als Symbol ihre Mauerkrone liegt, die Mitte ein. Aus der Favorita di Mantova stammt ein Relief mit dem leeren Thron Jupiters, charakterisiert durch den Blitz und den Adler und datiert in claudische Zeit. Auch hier eine symbolische Anspielung.

Zwei leere Marmorthrone befinden sich heute in der Münchner Glyptothek. Beide sind von einem Tuch bedeckt. Der eine mit Resten von Waffen ist als Thron des Mars charakterisiert, der andere mit Füßen eines Vogels, möglicherweise als Thron der Venus.

Und schließlich gibt es noch ein Fresko aus Herculaneum mit den beiden Thronen von Venus und Mars, die von Eroten flankiert werden, die Attribute der jeweiligen Gottheit tragen. Diese motivische Ähnlichkeit und die metopenartige Rahmung der einzelnen Bilder eignet sich besonders gut für einen Vergleich mit unseren Reliefs.

Außerdem gibt es noch eine Reihe von Münzen, in denen die sella curulis, der Amtsstuhl des Imperators, als Symbol seiner Macht abwechselt mit Darstellungen von Thronen von Gottheiten, die jeweils durch die Attribute charakterisiert sind.

Die leeren Throne in Verbindung mit den Attributen des jeweiligen Gottes weisen auf die Lectisternia bzw. Sellisternia. Bei diesem Göttermahl wurden Götterbilder oder ihre jeweiligen Attribute auf prächtige Polster gelegt und symbolisch bewirtet. Gleichzeitig verbindet die sella curulis auf den Münzen die leeren Götterthrone mit dem Kaiserkult, bei dem der Herrscher durch einen leeren Thron symbolisiert wird, auf dem die Insignien seiner Macht liegen.

Der erste sichere Fall einer Proskynesis (= Kniefall) vor einem leeren Thron ist der, der zu Ehren des toten Alexander 318 v. Chr. von Eumenes organisiert wurde. An einem goldenen Thron, aufgestellt unter einem Zelt, war das Diadem und das Szepter angelehnt (Diod. XVIII, 60, 5-61). In Alexandria wurde der goldene Thron von Ptolemaios I. Soter 270 v. Chr. in einer heiligen Prozession mit Thronen der Götter getragen.

In Rom wurde eine solche Ehrung, hier in Form einer vergoldeten sella curulis, auf der ein edelsteinverzierten, goldener Kranz lag, zuerst dem lebenden Caesar durch den Senat zuerkannt. Diese sella sollte bei allen Spielen aufgestellt werden. Nach Caesars Tod konnte Oktavianus diesem Senatsbeschluß wegen des Widerstandes Marc Antons zunächst keine Geltung verschaffen. Als Alleinherrscher ließ Augustus dann den vergoldeten Sessel des Divus Iulius immer bei den Spielen aufstellen (Cassius Dio 50,10,2 und 56,29,1) und sein Bild erschien auch auf Münzen. Auch unter Tiberius wurde diese Huldigung beibehalten (vgl. Dio 57,15,6). Ähnliche Ehrungen gab es für verstorbene Mitglieder des Kaiserhauses.

Die vergoldete sella curulis wurde später durch einen Götterthron ersetzt. Für den divus Severus ist dies durch Münzen belegt, doch erhielt schon der divus Pertinax drei vergoldete Throne, die man in der pompa aufführte (Dio 74,4,1). Möglicherweise vollzog sich dieser Wechsel auch schon früher. Gerade diese Entwicklung aber verdeutlicht die enge Verbindung zwischen leerem Götterthron und Kaiserkult, die sicher auch im 1. Jh. n. Chr. schon bestand. Dabei blieb diese Ehrung nicht nur auf die Toten beschränkt.

Die Putti auf unseren Platten bereiten die Throne für den rituellen Akt des Lectisterniums vor. Gleichzeitig besteht offenbar eine enge Verbindung zwischen dem Kaiserkult und der Darstellung des leeren Thrones einer Gottheit. Ich nehme daher an, dass auch diese Reliefs im Zusammenhang mit der Verehrung des Kaisers gesehen werden müssen und wahrscheinlich an einem Bau des Kaiserkults angebracht waren. Beschi geht auch davon aus, dass dieser Bau auf eine kaiserliche Initiative zurückzuführen ist.

Auch die kindlichen Putti entstammen der hellenistischen Tradition. Sie sind Begleiter der Venus und begleiten oft das Liebespaar Venus und Mars, wobei sie mit den Waffen des Mars spielen. Ihre Verbindung zu Venus, der Stammutter der Iulier, auf die sich wiederum alle nachfolgenden Kaiser in irgendeiner Weise bezogen, impliziert also wie die leeren Throne ebenfalls den Kaiserkult.

(Fortsetzung folgt …)

Die sogenannten „Thronreliefs“ aus Ravenna (Teil 2)

Bei den erhaltenen Fragmenten sind neun Gottheiten bezeugt: Saturn, Neptun, Jupiter, Mars, Ceres, Apollo, Diana, Bacchus und Hercules. Der römische Götterhimmel bestand jedoch aus weiteren Gottheiten.

Nach Livius gab es schon zwischen 399 u. 326 v. Chr. folgende 6 Götter: Apollo und Latona, Hercules und Diana, Neptun und Merkur. Im frühen 3. Jh. v. Chr. übernahmen die Römer dann die 12 olympischen Götter der Griechen, mit denen sie ihre eigenen Götter gleichsetzten: Juno, Mars, Vesta, Merkur, Minerva, Jupiter, Ceres, Neptun, Diana, Vulkan, Venus und Apollo.

217 v. Chr. wurde ein offizieller Kult in Rom für die 12 olympischen Götter eingeführt. Dabei wurde die Götter anscheinend paarweise auf einem Thron verehrt: Jupiter und Juno, Neptun und Minerva, Mars und Venus, Apollo und Diana, Vulkan und Vesta, Merkur und Ceres.

Vom griechisch-römischen Dodekatheon sind in den erhaltenen Fragmenten unserer Serien nur fünf belegt: Jupiter, Neptun, Mars, Apollo, Diana und Ceres. Beschi ergänzt Juno und Minerva, um die kapitolinische Trias zu vervollständigen, sowie Venus als Pendant zu Mars. Dies ergäbe insgesamt 12 Reliefs. Ergänzt man zusätzlich Vulkan, Vesta und Merkur, um den ganzen griechisch-römischen Dodekatheon (= 12 Götter) zu vervollständigen, würde eine Serie aus 15 Reliefs bestehen.

Zusätzlich zum Dodekatheon wären dann die Throne von Hercules, Bacchus und Saturn dargestellt. Eine Parallele hierzu wäre die pompa circensis, die Prozession vor den Zirkusspielen, bei der Bilder aller römischen Götter mitgeführt wurden. Nach Dionysios von Halikarnassos führt man im 1. Jh. v. Chr. neben Bildern der zwölf olympischen Götter wurden hier auch Bilder einiger anderer, teilweise älterer Götter oder Halbgötter zusätzlich mit, z. B. Bacchus.

(Fortsetzung folgt …)

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