Die Ausgrabungen in Egnazia werden sicher noch einige Jahre weitergehen, aber was bisher ausgegraben wurde, kann man in einem archäologischen Park besichtigen, zu dem auch ein kleines Museum gehört.
Im Folgenden eine Auswahl der sichtbaren Befunde:
Befestigungsmauern
Die erste Verteidigungsanlage wurde zwischen dem 13. und 12. Jh. v. Chr. auf der sog. Akropolis errichtet. Sie besteht aus einem Wall, der die Siedlung auf der Landseite schützt. Von diesem Wall wurden nur die beiden äußersten Enden gefunden.
Der Mauerring der endgültigen Verteidigungsanlage präsentiert sich noch heute an einigen Stellen mit bis zu mehreren Metern Höhe. Sie hat eine Gesamtlänge von 1692 m und umgibt ein Gebiet von 402.000 qm. Die Mauer umgab nicht nur Wohnviertel und verstreute Häuser, sondern auch eine breite freie Zone, die im Kriegsfall Menschen, Vieh, Felder usw. aufnehmen konnte, so dass man auch einer langen Belagerung standhalten konnte. Diese Fläche der Stadt wurde bis zur Zerstörung Egnazias nicht mehr verändert, d. h. fast ein Jahrtausend!
Hafenanlagen
Die Küste bot ursprünglich 5 Ankerplätze, von denen 3 innerhalb und 2 außerhalb der Stadtmauern lagen. Es handelte sich um kleine Buchten, von denen sich die tiefste und breiteste im Südosten der sogenannten Akropolis befand, wo auch die älteste Siedlung lag. Diese Bucht diente vermutlich als Hafen des messapischen Egnazia, da sie aufgrund der Tiefe des Einschnitts auch ohne Befestigungs- oder Schutzanlagen den Booten ziemliche Sicherheit bot. Man fand Spuren kleiner künstlicher Vertiefungen mit rechteckigem Grundriss, die wohl dazu dienten, die Schiffe aufzunehmen.
Unter der römischen Herrschaft genügte der alte Ankerplatz irgendwann nicht mehr. Hinzu kamen Veränderungen der Küstenlinie: zwischen 4. Jh. v. und 1. Jh. n. Chr. hob sich der Meeresspiegel um 3,58 m. Man baute daher in der Bucht nordwestlich der Akropolis einen neuen, größeren Hafen, während der alte Ankerplatz vielleicht weiterhin, zumindest zeitweise, für Fischerboote genutzt wurde. Das Becken des neuen Hafens war durch Mauern und durch Molen, die zwei Felsvorsprünge verlängerten, geschützt. Die zwei Molen schlossen ein etwa 16.000 qm Hafenbecken bogenförmig ab und ließen im Osten eine 40 m breite Einfahrt frei.
Das sogenannte Forum
In seiner gesamten Ausdehnung stellt dieser Platz ein unregelmäßiges Viereck dar und besteht aus einem 17,5 m x 23,25 m großen Hof, der von einer Quadriportikus mit dorischen Säulen umgeben ist, deren Fußboden aus großen Platten aus lokalem Tuffstein bestand. Ein großer, verkleideter viereckiger Sockel aus opus caementicium in der nördlichen Portikus wird von einigen Forscher als Rest einer Rednertribüne gedeutet. Entlang der Ränder des Platzes verläuft ein kleiner Kanal, der das Wasser sammelte und in eine Zisterne im Nordwesten der Anlage leitete. Es ist umstritten, ob es sich hier um das Forum Egnazias handelte oder um einen Markt. In jedem Fall stammt die Anlage aus der spätrepublikanischen Zeit. Daneben befindet sich eine ellipsenförmige Anlage aus spätrepublikanischer Zeit, deren Deutung umstritten ist. Es könnte sich um einen Markt handeln.
L-förmige Portikus
Im 4.-3. Jh. v. Chr. wurde über früheren Anlagen eine L-förmige oder quadratische dorische Portikus errichtet, die vielleicht eine hellenistische Agora begrenzte. Die Portikus endete im Norden mit den Resten eines großen Gebäudes, vielleicht eine hellenistische Basilika.
Die Ostwand der Portikus ist mit der augusteischen Basilika gemeinsam. Als im 2. Jh. n. Chr. die Via Traiana ausgebaut wurde, wurden einige ältere Anlagen umgebaut oder zerstört, so auch die L-förmige Stoa, deren Westseite von der Via Traiana beschnitten wird und deren innere Portikus in kleine Geschäfte (tabernae) unterteilt wurde.
Heiligtum orientalischer Gottheiten
Das östliche Ende der Portikus wurde im 2. Jh. n. Chr. in eine kleine rechteckige Anlage umgebaut. In der Mitte dieser Anlage fand man einen Altar oder eine Statuenbasis, auf dem Musikinstrumente dargestellt sind. Die Inschrift auf der Vorderseite besagt, dass es sich um eine Stiftung der Priesterin Flavia für die Magna Mater und die Göttin Syria handelt.
Die sogenannte Forumsbasilika
Die profane Basilika am Fuß der Akropolis ist rechteckig und 35 x 21 m groß. Im Innenraum besitzt sie eine umlaufende Säulenstellung und die Fassade ist gegliedert in eine Portikus aus 8 viereckigen Pfeilern, die der Zahl der Säulen im Innenraum entsprechen. Eine der Wände ist mit der L-förmigen Portikus gemeinsam. Die Basilika entstand vermutlich in augusteischer Zeit (nach 27 v. Chr.) und wurde immer wieder umgebaut – zu einer christlichen Basilika. Dabei wurde ihre Ausrichtung verändert, indem im Norden eine Apsis und im Süden ein Eingang zur Via Traiana angebaut wurde. Im 6. Jh. wurde die Basilika zerstört.
Bischofsbasilika
Im Bereich südlich der Via Traiana lagen Wohnungen, Läden, Werkstätten usw. sowie in späterer Zeit 2 frühchristliche Basiliken. Eine dieser frühchristlichen Basiliken ist die wohl im 5 Jh. errichtete Bischofsbasilika von Egnazia. Es handelt sich um eine 40 x 27,70 m große, dreischiffige Säulenbasilika mit freistehender, halbkreisförmiger Apsis im Osten. Im Mittelschiff zeigen auf der Höhe der 7. Säule Reste kleiner Steinblöcke den Verlauf des Altarraums bis zur Apsis an. Das rechte Seitenschiff ist am besten erhalten. Hier fanden sich auch Reste eines Mosaikfußbodens, die heute im Museum von Egnazia aufbewahrt werden. Der Kirche war ein Narthex vorgelagert.
(Fortsetzung folgt …)