Kategorie: Italien Seite 8 von 9

Die sogenannten „Thronreliefs“ aus Ravenna (Teil 5)

Auf dem bereits erwähnten Vierjahreszeitenaltar, einem Rundaltar in Würzburg, der früher hadrianisch datiert und erst von E. Simon der claudischen Zeit zugeordnet wurde, sind vier Putti als Jahreszeitenallegorien dargestellt. Sie stehen mit ihren Attributen zwischen sparsam dekorierten Kandelabern, an denen baldachinartige Tücher befestigt sind.

Die Haut spannt sich straff über den recht schmalen Körper, wodurch eine glatte Oberfläche entsteht. Hautfalten ergeben sich nur an wenigen Stellen. Die organische Gliederung des Körpers ist sehr zurückhaltend. Bei den anderen Putti wird diese Körperbehandlung eher noch flacher und summarischer. Dies steht im krassen Gegensatz zu den ravennatischen Putti, die viel voluminöser gestaltet sind.

Im Gegensatz zu den plastisch gearbeiteten Flügel auf den ravennatischen Reliefs, sind die Flügel auf dem Würzburger Altar sehr flach gehalten und die Binnenzeichnung beschränkt sich hier auf die Angabe des Kiels.

Auch die Stoffpartien des Rundaltares sind einfacher und flacher gestaltet als auf den Platten in Ravenna. Die Falten der nur leicht vorspringenden Baldachine auf dem Vierjahreszeitenaltar fallen in einer ruhigen Bogenstruktur, während die Falten auf den Tüchern über den Thronen häufig enden ohne Bogen zu bilden.

Die straffe Körpermodellierung, die zurückhaltenden Stoffarrangements und die Verwendung des Flachreliefs für Stoffe und Flügel auf dem Vierjahreszeitenaltar folgen den in iulisch-claudischer Zeit beliebten Vorbildern der griechischen Kunst. Der Vergleich mit anderen Reliefs aus der iulisch-claudischen Zeit zeigt die gleichen stilistischen Merkmale. Die ravennatischen Reliefs sind dagegen plastischer gearbeitet und zeigen mehr Licht- und Schattenwirkung.

 

(Fortsetzung folgt …)

Die sogenannten „Thronreliefs“ aus Ravenna (Teil 4)

Die Datierung der Reliefs ist in der Forschung umstritten. Sie wurden bisher bereits in die iulisch-claudische Zeit datiert, in hadrianische oder traianische Zeit. Die Datierung in iulisch-claudische Zeit vertritt z. B. Beschi. Er sieht stilistische Übereinstimmungen in der Plastizität und der sorgfältigen Ausarbeitung zwischen den Putti der ravennatischen Reliefs und dem Würzburger Vierjahreszeitenaltar, der von E. Simon 1967 der claudischen Zeit zugeschrieben wurde. Vor allem aber stützt er seinen Vorschlag mit historischen Überlegungen: seiner Meinung nach ist eine Datierung in die iulisch-claudische Zeit durch die politische und strategische Rolle Ravennas in dieser Zeit wahrscheinlich, da Ravenna den beiden Divi der iulisch-claudischen Familie viel verdankt. Augustus verstärkte Ravenna als Sitz der westlichen Flotte und des praefectus classis, Claudius befestigte sie und verschönerte sie z. B. mit der Porta Aurea. Dies weist für diese Zeit auf eine enge Bindung an den Kaiser und siene Familie, was wiederum die Qualität der untersuchten Reliefs und die ideologischen Implikationen der Darstellungen erklären könnte.

Sehen wir uns die verschiedenen Datierungsvorschläge an. Dazu ist es zunächst notwendig, die stilistischen Merkmale der ravennatischen Reliefs zu beschreiben, wobei ich nur einige Merkmale herausgreifen möchte. Als Vergleichsbeispiele sollen hier v. a. die Reliefs von S.Vitale, Louvre und Venedig dienen.

Die Körper der Putti wirken recht kompakt, ein Eindruck, der besonders durch die dicken Beine, die sehr kurzen Hälse sowie durch die stark plastisch herausgearbeiteten Backen betont wird. Die Gesichter sind detailliert modelliert, z. B. sind bei den Augen sowohl das untere als auch das obere Lid abgesetzt.

Bei der Körperbehandlung sind die Muskel- und Fettpartien meist stark geschwollen herausgearbeitet und gegeneinander durch Falten abgesetzt, so dass sich eine bewegte Oberfläche ergibt. Es entsteht der Eindruck einer additiven Aneinanderreihung von Einzelformen.

Die kurzen Flügel der Putti sind oft vollplastisch gearbeitet. Sie bestehen aus einer doppelten Lage leicht unregelmäßig gereihter Deckfedern sowie vier bis fünf Schwungfedern auf, die zum Körper hin nur wenig kürzer werden und an den Enden nicht ausschwingen. Die Federn sind recht dick und unterschiedlich gestaltet. Die genaue Binnenzeichnung gibt nicht nur den Kiel an, sondern skizziert sogar die einzelnen Häärchen.

Die kurzen Mäntel der Putti weisen durch tiefe Falten starke Hell-Dunkel-Kontraste auf. Bei den Tüchern, die über die Throne gebreitet sind, zeigen alle Faltenöffnungen nach vorn und die Struktur wird durch kleine, schrägverlaufende Falten auflockert.

An den ravennatischen Reliefs zeigt sich also ein großes Interesse an Detailtreue, an Licht- und Schattenwirkung und an plastischer, voluminöser Gestaltung.

(Fortsetzung folgt …)

Die sogenannten „Thronreliefs“ aus Ravenna (Teil 3)

Wie können wir aber den leeren Thron der Reliefs deuten? Zunächst einige Vergleichsbeispiele:

Im Giebel des palatinischen Tempels der Magna Mater oder Kybele (Mitte des 1. Jh. n. Chr.), im Hintergrund einer Opferszene an der sogenannten Ara Pietatis von 43 n. Chr., nimmt der leere Thron der Kybele, auf dem als Symbol ihre Mauerkrone liegt, die Mitte ein. Aus der Favorita di Mantova stammt ein Relief mit dem leeren Thron Jupiters, charakterisiert durch den Blitz und den Adler und datiert in claudische Zeit. Auch hier eine symbolische Anspielung.

Zwei leere Marmorthrone befinden sich heute in der Münchner Glyptothek. Beide sind von einem Tuch bedeckt. Der eine mit Resten von Waffen ist als Thron des Mars charakterisiert, der andere mit Füßen eines Vogels, möglicherweise als Thron der Venus.

Und schließlich gibt es noch ein Fresko aus Herculaneum mit den beiden Thronen von Venus und Mars, die von Eroten flankiert werden, die Attribute der jeweiligen Gottheit tragen. Diese motivische Ähnlichkeit und die metopenartige Rahmung der einzelnen Bilder eignet sich besonders gut für einen Vergleich mit unseren Reliefs.

Außerdem gibt es noch eine Reihe von Münzen, in denen die sella curulis, der Amtsstuhl des Imperators, als Symbol seiner Macht abwechselt mit Darstellungen von Thronen von Gottheiten, die jeweils durch die Attribute charakterisiert sind.

Die leeren Throne in Verbindung mit den Attributen des jeweiligen Gottes weisen auf die Lectisternia bzw. Sellisternia. Bei diesem Göttermahl wurden Götterbilder oder ihre jeweiligen Attribute auf prächtige Polster gelegt und symbolisch bewirtet. Gleichzeitig verbindet die sella curulis auf den Münzen die leeren Götterthrone mit dem Kaiserkult, bei dem der Herrscher durch einen leeren Thron symbolisiert wird, auf dem die Insignien seiner Macht liegen.

Der erste sichere Fall einer Proskynesis (= Kniefall) vor einem leeren Thron ist der, der zu Ehren des toten Alexander 318 v. Chr. von Eumenes organisiert wurde. An einem goldenen Thron, aufgestellt unter einem Zelt, war das Diadem und das Szepter angelehnt (Diod. XVIII, 60, 5-61). In Alexandria wurde der goldene Thron von Ptolemaios I. Soter 270 v. Chr. in einer heiligen Prozession mit Thronen der Götter getragen.

In Rom wurde eine solche Ehrung, hier in Form einer vergoldeten sella curulis, auf der ein edelsteinverzierten, goldener Kranz lag, zuerst dem lebenden Caesar durch den Senat zuerkannt. Diese sella sollte bei allen Spielen aufgestellt werden. Nach Caesars Tod konnte Oktavianus diesem Senatsbeschluß wegen des Widerstandes Marc Antons zunächst keine Geltung verschaffen. Als Alleinherrscher ließ Augustus dann den vergoldeten Sessel des Divus Iulius immer bei den Spielen aufstellen (Cassius Dio 50,10,2 und 56,29,1) und sein Bild erschien auch auf Münzen. Auch unter Tiberius wurde diese Huldigung beibehalten (vgl. Dio 57,15,6). Ähnliche Ehrungen gab es für verstorbene Mitglieder des Kaiserhauses.

Die vergoldete sella curulis wurde später durch einen Götterthron ersetzt. Für den divus Severus ist dies durch Münzen belegt, doch erhielt schon der divus Pertinax drei vergoldete Throne, die man in der pompa aufführte (Dio 74,4,1). Möglicherweise vollzog sich dieser Wechsel auch schon früher. Gerade diese Entwicklung aber verdeutlicht die enge Verbindung zwischen leerem Götterthron und Kaiserkult, die sicher auch im 1. Jh. n. Chr. schon bestand. Dabei blieb diese Ehrung nicht nur auf die Toten beschränkt.

Die Putti auf unseren Platten bereiten die Throne für den rituellen Akt des Lectisterniums vor. Gleichzeitig besteht offenbar eine enge Verbindung zwischen dem Kaiserkult und der Darstellung des leeren Thrones einer Gottheit. Ich nehme daher an, dass auch diese Reliefs im Zusammenhang mit der Verehrung des Kaisers gesehen werden müssen und wahrscheinlich an einem Bau des Kaiserkults angebracht waren. Beschi geht auch davon aus, dass dieser Bau auf eine kaiserliche Initiative zurückzuführen ist.

Auch die kindlichen Putti entstammen der hellenistischen Tradition. Sie sind Begleiter der Venus und begleiten oft das Liebespaar Venus und Mars, wobei sie mit den Waffen des Mars spielen. Ihre Verbindung zu Venus, der Stammutter der Iulier, auf die sich wiederum alle nachfolgenden Kaiser in irgendeiner Weise bezogen, impliziert also wie die leeren Throne ebenfalls den Kaiserkult.

(Fortsetzung folgt …)

Die sogenannten „Thronreliefs“ aus Ravenna (Teil 2)

Bei den erhaltenen Fragmenten sind neun Gottheiten bezeugt: Saturn, Neptun, Jupiter, Mars, Ceres, Apollo, Diana, Bacchus und Hercules. Der römische Götterhimmel bestand jedoch aus weiteren Gottheiten.

Nach Livius gab es schon zwischen 399 u. 326 v. Chr. folgende 6 Götter: Apollo und Latona, Hercules und Diana, Neptun und Merkur. Im frühen 3. Jh. v. Chr. übernahmen die Römer dann die 12 olympischen Götter der Griechen, mit denen sie ihre eigenen Götter gleichsetzten: Juno, Mars, Vesta, Merkur, Minerva, Jupiter, Ceres, Neptun, Diana, Vulkan, Venus und Apollo.

217 v. Chr. wurde ein offizieller Kult in Rom für die 12 olympischen Götter eingeführt. Dabei wurde die Götter anscheinend paarweise auf einem Thron verehrt: Jupiter und Juno, Neptun und Minerva, Mars und Venus, Apollo und Diana, Vulkan und Vesta, Merkur und Ceres.

Vom griechisch-römischen Dodekatheon sind in den erhaltenen Fragmenten unserer Serien nur fünf belegt: Jupiter, Neptun, Mars, Apollo, Diana und Ceres. Beschi ergänzt Juno und Minerva, um die kapitolinische Trias zu vervollständigen, sowie Venus als Pendant zu Mars. Dies ergäbe insgesamt 12 Reliefs. Ergänzt man zusätzlich Vulkan, Vesta und Merkur, um den ganzen griechisch-römischen Dodekatheon (= 12 Götter) zu vervollständigen, würde eine Serie aus 15 Reliefs bestehen.

Zusätzlich zum Dodekatheon wären dann die Throne von Hercules, Bacchus und Saturn dargestellt. Eine Parallele hierzu wäre die pompa circensis, die Prozession vor den Zirkusspielen, bei der Bilder aller römischen Götter mitgeführt wurden. Nach Dionysios von Halikarnassos führt man im 1. Jh. v. Chr. neben Bildern der zwölf olympischen Götter wurden hier auch Bilder einiger anderer, teilweise älterer Götter oder Halbgötter zusätzlich mit, z. B. Bacchus.

(Fortsetzung folgt …)

Die sogenannten „Thronreliefs“ aus Ravenna (Teil 1)

Zu den umstrittensten römischen Reliefs gehören einige Fragmente von Mar­morplatten mit Darstellungen von leeren Thronen. Sie befinden sich heute an verschiedenen Orten in Italien und Frankreich, können aber mit Hilfe einiger sicherer Herkunftsangaben in schriftlichen Quellen des 14. und 15. Jh. n. Chr. zumindest teilweise sicher Ravenna zugeordnet werden. Auf­grund von diesen Herkunftsangaben sowie technischen, stilistischen und ikonographischen Übereinstimmungen, fasste Ricci sie zu Beginn dieses Jahr­hunderts zu einer einheitlichen Serie zusammen. Da jedoch von keinem der erhaltenen Fragmente der ursprüngliche Fundort, und damit der antike Kon­text, bekannt ist, ergeben sich viele Schwierigkeiten und Unsicherheiten sowohl bezüglich der Datierung, der Deutung und der ursprünglichen Verwen­dung der Reliefplatten, als auch bezüglich der Frage, ob die Fragmente wirklich alle zu einer einzigen Serie und damit zu einem einzigen Monument gehören.

Literatur:

L. Beschi, FelRav 4. Ser. 127–130, 1984–1985, 37 ff. Abb. 1–2; 48 ff. Abb. 8–7; 67 Abb. 22 B;
E. Simon, Die Götter derRömer (1990) 190 ff. Abb. 244;
T. Hölscher in: V. M. Strocka (Hrsg.), Die Regierungszeit des Kaisers Claudius (41–54
n. Chr.)
Umbruch oder Episode? Symposion Freiburgi. B., 16.–18. Februar 1991 (1994) 95 f. Abb. 4.

Im Folgenden soll nun das Motiv des leeren Throns besprochen und auf eine Datierung aufgrund einer stilistischen Einordnung der Putti vorgenommen werden.

Die frühesten Erwähnungen unserer Fragmente stammen aus dem 14. Jh. n. Chr. und sind auf die große Beliebtheit der Putti bei den Künstlern dieser Zeit zurückzuführen, denen sie z. B. als Modelle für ihre eigenen Putten­darstellungen dienten.

Die älteste Darstellung der zwei größeren Fragmente mit den Thron Neptuns, die seit 1585 in Monumente der Spätrenaissance an den Pilastern des Pres­byteriums von San Vitale eingefügt sind, stammt von Gentile da Fabriano aus dem Jahr 1419. Der erste Hinweis, kurz nach der Mitte des 14. Jh., ist jedoch von Desiderio Spreti: „adsunt etiam candidissimo marmore tres infantium imagines, opus nec immerito, ut fertur, Polycleti“ (es gibt auch aus glänzendem Marmor drei Kinderbilder, nicht unverdienter Weise ein Werk, wie man sagt, von Polyklet).

Ungefähr die Hälfte der vorhandenen Relieffragmenten stammen aus Ravenna. Die übrigen sind ohne genaue Herkunftsangabe, aber Beschi nimmt an, dass sie aus Rom stammen, da sie zur römischen Sammelleidenschaft gehören. In zwei Fällen, nämlich Neptun und Saturn, sind zwei fast identische Reliefs bezeugt, wobei beide Reliefs mit Thron des Neptun aus Ravenna stammen. Sehr wahrscheinlich ha­ben wir auch für den Thron des Bacchus zwei Reliefplatten bezeugt, mit einem sicher ravennati­schen Fragment und einem wahrscheinlich römischen. Beschi schließt daraus, dass es neben zwei Serien in Ravenna auch noch eine Serie in Rom gab, von der dann wohl die beiden ravennatischen abgeleitet waren.

(Fortsetzung folgt …)

Das Mailänder Diptychon

Bilder siehe:
https://fedora.phaidra.univie.ac.at/fedora/get/o:284921/bdef:Content/get
https://fedora.phaidra.univie.ac.at/fedora/get/o:284684/bdef:Content/get

Die beiden Elfenbein-Tafeln im Mailänder Domschatz dienten als Deckel für ein Evangeliar. Jede der Tafeln ist in neun Felder eingeteilt. Dabei geht das obere und das untere Feld jeweils über die ganze Breite der Tafel und das große Mittelfeld wird zu beiden Seiten von je drei kleinen Feldern eingerahmt.

Die erste Tafel zeigt oben die Geburt Christi mit Maria und Josef zu beiden Seiten der Krippe mit dem Jesuskind. Im Hintergrund sieht man den Esel und den Ochsen. Die Szene wird von zwei Kränzen mit Evangelisten-Symbolen eingerahmt: der Mensch links steht für Matthäus, der Stier rechts symbolisiert Lukas. Das untere Feld zeigt den Kindermord mit dem thronenden Herodes, klagenden Frauen und Soldaten. Auch diese Szene wird von zwei Kränzen gerahmt, in denen aber diesmal die Evangelisten selbst dargestellt werden.

Im großen Mittelfeld ist ein Lamm mit Nimbus in einem Früchtekranz dargestellt. Im Hintergrund sieht man zwei korinthische Säulen mit Architrav. Das Lamm symbolisiert den Opfertod Christi, der Früchtekranz steht für Fruchtbarkeit, Wohlstand und Frieden.

Die kleinen Felder links zeigen oben nach unten die Verkündigung Marias an der Quelle, die drei Magiere, die den Stern sehen, sowie die Taufe Christi. Rechts ist oben vermutlich Gebet und Verheißung Annas dargestellt, die auf die Verkündigung ihrer Tochter Marias vorausweist. Darunter sieht man Jesus unter den Schriftgelehrten im Tempel und ganz unten seinen Einzug in Jerusalem.

Auf der rechten Tafel ist im oberen Feld die Anbetung der drei Könige abgebildet, wiederum eingerahmt von zwei Kränzen mit Evangelisten-Symbolen. Diesmal sehen wir links den Löwen für Markus und rechts den Adler als Symbol für Johannes. Auf dem unteren Feld rahmen zwei Kränze mit Evangelisten die Hochzeit von Kanaan ein.

Im mittleren Feld steht ein Juwelenkreuz auf einem Berg, von dem vier Flüsse ausgehen. Auch hier sehen wir zwei korinthische Säulen mit Architrav im Hintergrund. Das juwelengeschmückte Kreuz ist ein Siegessymbol und meint vermutlich das Kreuz der Verklärung. Der Berg stellt den Paradiesberg mit den vier Paradiesflüssen dar. Diese Flüsse wiederum können die vier Himmelsrichtungen symbolisieren oder für die Evangelisten stehen. Als Symbol für die Himmelsrichtungen weisen die Flüsse oft auf die Verbreitung des Evangeliums und die Weltherrschaft Christi.

Die kleinen Felder links stellen von oben nach unten eine Blindenheilung, die Heilung des Lahmen, der nun sein Bett wegträgt, und die Auferweckung des Lazarus dar. Dieser ist wie immer in einer Ädikula dargestellt, was nicht dem biblischen Text entspricht. Im Feld rechts oben thront Jesus als Pantokrator (=Weltherrscher) auf einer Weltkugel. Er gibt zwei Märtyrern Kränze in die verhüllten Hände. Die Kränze symbolisieren den Sieg über das irdische Leben und weisen auf das Jenseits. Im mittleren Feld sehen wir das Abendmahl und das untere Feld zeigt das „Scherflein der Witwe“ (die Witwe, die nur zwei kleine Münzen opfert, weil sie arm ist). Auch hier sitzt Jesus als Pantokrator auf einer Weltkugel.

Beide Tafeln des Mailänder Diptychons zeigen mit Juwelenkreuz, Lamm und Jesus als Pantokrator eine imperiale Ikonographie, die erst im 5. Jh. n. Chr. einsetzt. Die Szenen aus dem Leben Marias wiederum setzen eine ausgereifte Mariologie voraus, die erst mit dem Konzil von Ephesus im Jahre 431 n. Chr. beginnt. Daneben finden wir Szenen aus den östlichen Apokryphen, deren Darstellung im Westen Ende des 5. Jh. n. Chr. aufhört. Da das Diptychon aufgrund des Stils vermutlich im Westen des römischen Reichs entstand, kann man davon ausgehen, dass es aus der Mitte des 5. Jh. n. Chr. stammt.

Reisetipp: Archäologischer Park Egnazia in Süditalien (Teil 6)

Das Museum

Den Abschluss unseres Ausflugs nach Egnazia bildet das Museum des archäologischen Parks. Die Dauerausstellung bietet ein komplettes Bild der Geschichte und Topographie der Stadt mit Zeichnungen, Plänen, Photographien, Fragmenten von Architektur und Mosaiken. Ausgestellt sind einige Grabausstattungen messapischer Gräber aus dem 4.-3. Jh. v. Chr. aus der West-Nekropole. Außerdem Urnen der römischen Nekropole, das Mosaik mit der Darstellung der 3 Grazien, Fußbodenmosaike der Bischofsbasilika und der Süd-Basilika, sowie verschiedene christliche Öllampen.

Im Museum befindet sich auch eines der in den Tuff eingegrabenen Kammergräber, die sog. „Tomba delle melagrane“ aus der 2. Hälfte des 4. Jh. v. Chr.: es besteht aus einem Vorraum, einem Teil unter freiem Himmel und der eigentlichen Grabkammer, die mit Stuck überzogen und mit vegetabilen und architektonischen Motiven bemalt ist. Man betritt das Grab durch eine 2-flügelige Tür.

Ein wichtiges Thema des Museums ist natürlich auch die sogenannte Gnathia-Keramik. Der Begriff Gnathia-Keramik geht auf Minervini zurück, der diesen Keramiktyp als erster untersuchte und glaubte, dass er in Egnazia hergestellt wurde. Heute weiß man, dass Egnazia nur einer unter vielen Fundorten dieser Keramik ist. Der Namen jedoch wurde beibehalten.

Diese Keramik hängt von der großgriechichen Keramik ab, wobei sie von dieser die bekanntesten und einfachsten Formen übernommen hat: Oinochoe, Pelike, Skyphos, Amphore, Glockenkrater, Kantharos, Krateriskos, Schüssel, halbkreisförmige Schale und Teller. Von der apulischen einheimischen Keramik finden wir die charakteristische messapische trozzella (= Nestoris).

Bei der Gnathia-Keramik ist die gesamte Oberfläche des Gefäßes mit einem schwarzen, glänzenden Firnis überzogen. Auf diesem sind anfangs mit weißer Farbe figürliche Szenen gemalt: Gruppen von maximal 2 oder 3 Figuren aus dem dionysischen Bereich. Die figürlichen Szenen verschwinden schnell und werden durch vegetabile Motive in weißer u. gelblicher Farbe ersetzt: Pflanzen, Ranken, Blumen, horizontal oder mäander- oder wellenförmig gemalt, Ketten mit hängenden Blättern, Efeugirlanden usw. Ein charakteristisches Motiv ist eine horizontale Girlande mit vertikalen Verzweigungen aus Weinblättern, -ranken und -trauben.

Diese Technik imitiert die apulisch rotfigurige Keramik und wurde seit dem Ende des 4. Jh. v. Chr. in fast ganz Süditalien benutzt. Ähnliche Produkte gibt es auch in anderen Orten Italiens vom Gebiet der Etrusker bis Sizilien. Aufgrund der jüngsten Forschungen kann man heute sagen, dass eine Herstellung in Egnazia nicht ausgeschlossen werden kann, dass aber Tarent der Ursprungsort war und dort wohl auch der größte Teil dieser Keramik hergestellt wurde. Erst später wurde auf der ganzen salentinischen Halbinsel viel produziert.

Die Chronologie der Gnathia-Keramik ist umstritten. Ihre größte Blüte lag in der 2. Hälfte des 4. Jh. und zu Anfang des 3. Jh. v. Chr.; danach folgte der Niedergang bis zum Ende des 3. Jh. Zur letzten Phase gehört eine Dekoration in glanzloser Farbe, zum Schluss nur noch weiß.

Reisetipp: Archäologischer Park Egnazia in Süditalien (Teil 5)

Die Ausgrabungen in Egnazia werden sicher noch einige Jahre weitergehen, aber was bisher ausgegraben wurde, kann man in einem archäologischen Park besichtigen, zu dem auch ein kleines Museum gehört.

Im Folgenden eine Auswahl der sichtbaren Befunde:

Befestigungsmauern

Die erste Verteidigungsanlage wurde zwischen dem 13. und 12. Jh. v. Chr. auf der sog. Akropolis errichtet. Sie besteht aus einem Wall, der die Siedlung auf der Landseite schützt. Von diesem Wall wurden nur die beiden äußersten Enden gefunden.

Der Mauerring der endgültigen Verteidigungsanlage präsentiert sich noch heute an einigen Stellen mit bis zu mehreren Metern Höhe. Sie hat eine Gesamtlänge von 1692 m und umgibt ein Gebiet von 402.000 qm. Die Mauer umgab nicht nur Wohnviertel und verstreute Häuser, sondern auch eine breite freie Zone, die im Kriegsfall Menschen, Vieh, Felder usw. aufnehmen konnte, so dass man auch einer langen Belagerung standhalten konnte. Diese Fläche der Stadt wurde bis zur Zerstörung Egnazias nicht mehr verändert, d. h. fast ein Jahrtausend!

Hafenanlagen

Die Küste bot ursprünglich 5 Ankerplätze, von denen 3 innerhalb und 2 außerhalb der Stadtmauern lagen. Es handelte sich um kleine Buchten, von denen sich die tiefste und breiteste im Südosten der sogenannten Akropolis befand, wo auch die älteste Siedlung lag. Diese Bucht diente vermutlich als Hafen des messapischen Egnazia, da sie aufgrund der Tiefe des Einschnitts auch ohne Befestigungs- oder Schutzanlagen den Booten ziemliche Sicherheit bot. Man fand Spuren kleiner künstlicher Vertiefungen mit rechteckigem Grundriss, die wohl dazu dienten, die Schiffe aufzunehmen.

Unter der römischen Herrschaft genügte der alte Ankerplatz irgendwann nicht mehr. Hinzu kamen Veränderungen der Küstenlinie: zwischen 4. Jh. v. und 1. Jh. n. Chr. hob sich der Meeresspiegel um 3,58 m. Man baute daher in der Bucht nordwestlich der Akropolis einen neuen, größeren Hafen, während der alte Ankerplatz vielleicht weiterhin, zumindest zeitweise, für Fischerboote genutzt wurde. Das Becken des neuen Hafens war durch Mauern und durch Molen, die zwei Felsvorsprünge verlängerten, geschützt. Die zwei Molen schlossen ein etwa 16.000 qm Hafenbecken bogenförmig ab und ließen im Osten eine 40 m breite Einfahrt frei.

Das sogenannte Forum

In seiner gesamten Ausdehnung stellt dieser Platz ein unregelmäßiges Viereck dar und besteht aus einem 17,5 m x 23,25 m großen Hof, der von einer Quadriportikus mit dorischen Säulen umgeben ist, deren Fußboden aus großen Platten aus lokalem Tuffstein bestand. Ein großer, verkleideter viereckiger Sockel aus opus caementicium in der nördlichen Portikus wird von einigen Forscher als Rest einer Rednertribüne gedeutet. Entlang der Ränder des Platzes verläuft ein kleiner Kanal, der das Wasser sammelte und in eine Zisterne im Nordwesten der Anlage leitete. Es ist umstritten, ob es sich hier um das Forum Egnazias handelte oder um einen Markt. In jedem Fall stammt die Anlage aus der spätrepublikanischen Zeit. Daneben befindet sich eine ellipsenförmige Anlage aus spätrepublikanischer Zeit, deren Deutung umstritten ist. Es könnte sich um einen Markt handeln.

L-förmige Portikus

Im 4.-3. Jh. v. Chr. wurde über früheren Anlagen eine L-förmige oder quadratische dorische Portikus errichtet, die vielleicht eine hellenistische Agora begrenzte. Die Portikus endete im Norden mit den Resten eines großen Gebäudes, vielleicht eine hellenistische Basilika.

Die Ostwand der Portikus ist mit der augusteischen Basilika gemeinsam. Als im 2. Jh. n. Chr. die Via Traiana ausgebaut wurde, wurden einige ältere Anlagen umgebaut oder zerstört, so auch die L-förmige Stoa, deren Westseite von der Via Traiana beschnitten wird und deren innere Portikus in kleine Geschäfte (tabernae) unterteilt wurde.

Heiligtum orientalischer Gottheiten

Das östliche Ende der Portikus wurde im 2. Jh. n. Chr. in eine kleine rechteckige Anlage umgebaut. In der Mitte dieser Anlage fand man einen Altar oder eine Statuenbasis, auf dem Musikinstrumente dargestellt sind. Die Inschrift auf der Vorderseite besagt, dass es sich um eine Stiftung der Priesterin Flavia für die Magna Mater und die Göttin Syria handelt.

Die sogenannte Forumsbasilika

Die profane Basilika am Fuß der Akropolis ist rechteckig und 35 x 21 m groß. Im Innenraum besitzt sie eine umlaufende Säulenstellung und die Fassade ist gegliedert in eine Portikus aus 8 viereckigen Pfeilern, die der Zahl der Säulen im Innenraum entsprechen. Eine der Wände ist mit der L-förmigen Portikus gemeinsam. Die Basilika entstand vermutlich in augusteischer Zeit (nach 27 v. Chr.) und wurde immer wieder umgebaut – zu einer christlichen Basilika. Dabei wurde ihre Ausrichtung verändert, indem im Norden eine Apsis und im Süden ein Eingang zur Via Traiana angebaut wurde. Im 6. Jh. wurde die Basilika zerstört.

Bischofsbasilika

Im Bereich südlich der Via Traiana lagen Wohnungen, Läden, Werkstätten usw. sowie in späterer Zeit 2 frühchristliche Basiliken. Eine dieser frühchristlichen Basiliken ist die wohl im 5 Jh. errichtete Bischofsbasilika von Egnazia. Es handelt sich um eine 40 x 27,70 m große, dreischiffige Säulenbasilika mit freistehender, halbkreisförmiger Apsis im Osten. Im Mittelschiff zeigen auf der Höhe der 7. Säule Reste kleiner Steinblöcke den Verlauf des Altarraums bis zur Apsis an. Das rechte Seitenschiff ist am besten erhalten. Hier fanden sich auch Reste eines Mosaikfußbodens, die heute im Museum von Egnazia aufbewahrt werden. Der Kirche war ein Narthex vorgelagert.

(Fortsetzung folgt …)

Reisetipp: Archäologischer Park Egnazia in Süditalien (Teil 4)

Das römische Egnazia und das Ende der Stadt

Nach dem Krieg zwischen Pyrrhos, dem König von Epiros, der von Tarent gerufen worden war, und den Römern (280-275 v. Chr.) war für den Sieger Rom der Weg frei, nicht nur Tarent und die anderen westgriechischen Städte zu unterwerfen, sondern auch die bisher unabhängigen einheimischen Zentren Apuliens, die sich im Einflussbereich des westgriechischen Hellenismus befanden. Dies geschah zunächst ohne Waffengewalt. Trotzdem waren die Römer schon zehn Jahre später die Herren von ganz Apulien. Nach dem Krieg gegen Hannibal jedoch begann Rom eine wirkliche Eroberung. Bedingt durch die vielen Toten, die kriegerischen Aktivitäten und die große Zahl von Bewohnern, die in die Sklaverei geführt wurden, kam es in ganz Apulien zu einer Bevölkerungskrise.

Die Lage an einer der großen Handelsstraßen nach Rom und nach Mittelitalien bewahrte Egnazia jedoch vor diesen Krisen und führte sogar zu einem großen Aufschwung in römischer Zeit. Auch war Egnazia nach Brindisi der einzige leistungsfähige Hafen an der apulischen Küste und die Römer bauten die Stadt daher stark aus.

Irgendwann, wahrscheinlich nach dem Bundesgenossenkrieg (91-89 v. Chr.) wurde Egnazia römisches Municipium. Mit der verwaltungsmäßigen Aufteilung Italiens in 11 Regionen in augusteischer Zeit wurde Apulien Teil der Regio Secunda mit dem Namen Apulia et Calabria, wobei Calabria der heutigen salentinischen Halbinsel entspricht und bei Egnazia beginnt. Laut der Inschrift einer Ehrenstatue für Marcus Vispianus Agrippa, den Feldherrn und engen Freund von Augustus, war dieser Patron von Egnazia und außerdem quindecimvir sacris faciundis.

Unter Vespasian wurde Egnazia römische Kolonie. Die Zuweisung von Land an Veteranen des Kaisers Vespasian hatte sicher einschneidende Folgen für die Landwirtschaft, da die ländlichen Strukturen des Hinterlandes verändert wurden. Viele einheimische Bauern verloren ihr Land und damit ihre Lebensgrundlage. Auch schränkte die Ernennung zur Kolonie die Privilegien ein, die man im Municipium gehabt hatte. Andererseits fielen in die Zeit der Kolonie vermutlich der Ausbau und die Blüte des städtischen Zentrums. Seit der 2. Hälfte des 1. Jh. wurde Egnazia ein wichtiger strategischer Punkt für die Kriegsschauplätze des römischen Heeres und ein Zentrum verschiedener Aktivitäten auf dem Gebiet des Handels und der Kunst, verbunden mit der Verwirklichung noch größerer und bedeutenderer öffentlicher Werke als zuvor.

Die öffentlichen Bauten des 4. und 3. Jh. wurden vermutlich während des Krieges mit Hannibal sowie während der Verwüstungen durch die Bürgerkriege und des Spartakusaufstands usw. stark beschädigt oder komplett zerstört. Bei der Wiedererrichtung bauten die Römer das Stadtzentrum aus. Die monumentalen Bauten spätrepublikanischer Zeit konzentrierten sich offenbar auf das Gebiet im Süden am Fuß der Akropolis zwischen den beiden Hafenbuchten. Hier hat die archäologische Forschung bis heute 4 große Komplexe ans Licht gefördert: das sogenannte Forum, die ellipsenförmige Anlage, eine L-förmige Stoa und eine profane Basilika.

Die römischen Zeugnisse überlagerten die vorhergehenden Bauten und der Raum innerhalb des weiten Mauerrings aus dem 4. Jh. wurde stärker genutzt. Die Stadt wurde durch ein Schema von parallel zur Küste verlaufenden Achsen nach ihren Hauptfunktionen unterteilt:

  1. Der Küstenstreifen mit den Anlagen des Hafens und der Seefahrt: Werften, Hafenbecken, Laderampen, Kais, Depots/Lager und Handelsplätze.
  2. Die Akropolis und der Bereich am Fuß der Akropolis bis zur Via Traiana mit den wichtigsten öffentlichen Zentren: die sakralen Bereiche, Säulenhallen, Basilika, Forum, Markt.
  3. Der Bereich südlich der Via Traiana mit Wohnvierteln, Werkstätten, usw. sowie in späterer Zeit 2 frühchristlichen Basiliken.

Die Verbindungen Apuliens zum Orient sowie jüdische Gemeinden in den wichtigen Häfen Brindisi, Egnazia, Otranto und Tarent begünstigten vermutlich auch die Verbreitung des Christentums. Leider fehlen uns aber bisher Schriftquellen und archäologische Zeugnisse für eine christliche Gemeinde vor dem 4. Jh. n. Chr. Im Jahre 334 n. Chr. bestand aber bereits Gemeinde mit einer Kirche.

Zu Beginn des 6. Jh. n. Chr. war Egnazia Bischofssitz. Irgendwann besaß Egnazia 3 Kirchen: eine Bischofsbasilika mit Baptisterium, eine zur Kirche umgebaute profane Basilika und die als letztes erbaute Basilika. Dies deutet auf eine unerwartet große Bedeutung Egnazias in der Spätantike.

Ab dem 4. Jh. gab es in der weströmischen Welt immer wieder Einfälle von Vandalen, Goten, Hunnen, Westgoten, usw. Unter dem Ansturm der Invasoren brach das Imperium zusammen. Die großen von Rom gebauten Straßen, die Via Traiana und die Via Appia, waren weiterhin vermutlich die einzigen Straßen, die Apulien mit dem Rest der Halbinsel verbanden, aber sie wurden nicht mehr gepflegt.

Während des griechisch-gotischen Krieges (535-553 n. Chr) wurde Egnazia vermutlich geplündert und zerstört. Die Ankunft der Langobarden zu Ende des 6. Jh. führte dann wohl zum Verlassen eines großen Teils der Stadt. Trotzdem gab es auch in den folgenden Jahrhunderten in Egnazia noch ein gewisses Leben. Die wenigen, die geblieben waren zogen sich auf die Akropolis zurück, wo sich in byzantinischer Zeit eine befestigte Siedlung befand. Aus dieser Zeit stammen vermutlich die noch heute sichtbaren Ruinen.

Wann Egnazia endgültig verlassen wurde, wissen wir nicht. Doch waren es nicht nur die die Zerstörungen während der Barbareneinfälle, sondern auch die Veränderungen der Küste, die zur Aufgabe der Stadt führte. Das Heben des Meeresspiegels führte zur völligen Überflutung des Hafens mit allen damit zusammenhängenden Strukturen. Mit der Zerstörung des Hafens ging auch ein Zusammenbruch des Handels einher und nachdem die Via Traiana mehrere Kilometer weiter ins Landesinnere verlegt worden war, war Egnazia vollständig von den großen Handelswegen zwischen Rom und dem Orient abgeschnitten. Bis Ende des 7. Jh. wird Egnazia noch in antiken Quellen erwähnt. Danach scheint Egnazia aus der Geschichte verschwunden zu sein.

(Fortsetzung folgt …)

Reisetipp: Archäologischer Park Egnazia in Süditalien (Teil 3)

Die Verbindungen mit der griechischen Welt

Während die ionischen und tyrrhenische Küste durch die Griechen stark kolonisiert wurde, beschränkte sich die griechische Präsenz an der Adria-Küste auf Handelsposten (Emporia). In Apulien trafen die Griechen dabei auf Kulturen mit eigenen festen Strukturen und Siedlungen von städtischem Charakter, mit eigenen Bräuchen und einer eigenen Kultur, die sie durch frühere Kontakte mit Griechenland selbst oder mit dem Orient angenommen hatten.

Auch Egnazia war weder eine griechische Stadt noch wurde sie kolonisiert. Allerdings war die Stadt während der gesamten archaischen Periode griechischen Einflüssen gegenüber besonders offen. Trotzdem kamen in Egnazia bis heute nur wenige griechische Zeugnisse aus Zeit vor dem 4. Jh. zutage. Auch belegen die epigraphischen Zeugnisse bis zum 3. Jh. die messapische Sprache, die dann direkt in die lateinische wechselt. Es gibt dagegen keine Inschriften in griechischer Sprache. Allerdings gibt es Elemente griechischer Bräuche, Riten und Techniken, die der ganzen messapischen Kulturgemeinschaft gemeinsam sind, z. B.:

  • der Bestattungsritus mit ausgestrecktem Leichnam
  • Inschriften in messapischer Sprache benutzen das griechische Alphabet mit einigen Änderungen;
  • die Technik der Mauerkonstruktion ist griechisch

Die Periode vom 5. Bis 3. Jh. v. Chr. entspricht der größten Blüte der Stadt Egnazia. Es gibt reiche Hypogäen mit messapischen Inschriften und Fresken und auch die sog. Gnathia-Keramik fällt in diese Zeit. In diese Blütezeit fällt auch der Ausbau eines Straßennetzes, das die Stadt und ihren Hafen mit dem Hinterland und mit den anderen Siedlungen an der Küste verband.

In diesen Jahrhunderten der politischen Unruhen und der inneren Blüte der Stadt wurden die verschiedenen verstreuten Siedlungen im Stadtgebiet mit einem Mauerring umgeben, der das Leben in der Stadt sicherte. Aufgrund der Konstruktionstechnik der Anlage kann man die Mauer in das 4. Jh. v. Chr. datieren, die Zeit der kriegerischen Aktionen von Alexander d. Molosser. Im 3. Jh. v. Chr., d. h. in der Zeit der Kriege zwischen Rom und Pyrrhos sowie zwischen Rom und Hannibal, errichtete man eine zweite Wand parallel zu der ersten und in anderer Technik als die frühere.

Seit dem 4. Jh. breitete sich im gesamten Mittelmeergebiet die hellenistische Kultur aus und auch Egnazia übernahm z. B. Bautypen und städtische Anlagen, die zum größten Teil durch Rom vermittelt wurden.

(Fortsetzung folgt …)

Seite 8 von 9

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén