Die Datierung der Reliefs ist in der Forschung umstritten. Sie wurden bisher bereits in die iulisch-claudische Zeit datiert, in hadrianische oder traianische Zeit. Die Datierung in iulisch-claudische Zeit vertritt z. B. Beschi. Er sieht stilistische Übereinstimmungen in der Plastizität und der sorgfältigen Ausarbeitung zwischen den Putti der ravennatischen Reliefs und dem Würzburger Vierjahreszeitenaltar, der von E. Simon 1967 der claudischen Zeit zugeschrieben wurde. Vor allem aber stützt er seinen Vorschlag mit historischen Überlegungen: seiner Meinung nach ist eine Datierung in die iulisch-claudische Zeit durch die politische und strategische Rolle Ravennas in dieser Zeit wahrscheinlich, da Ravenna den beiden Divi der iulisch-claudischen Familie viel verdankt. Augustus verstärkte Ravenna als Sitz der westlichen Flotte und des praefectus classis, Claudius befestigte sie und verschönerte sie z. B. mit der Porta Aurea. Dies weist für diese Zeit auf eine enge Bindung an den Kaiser und siene Familie, was wiederum die Qualität der untersuchten Reliefs und die ideologischen Implikationen der Darstellungen erklären könnte.

Sehen wir uns die verschiedenen Datierungsvorschläge an. Dazu ist es zunächst notwendig, die stilistischen Merkmale der ravennatischen Reliefs zu beschreiben, wobei ich nur einige Merkmale herausgreifen möchte. Als Vergleichsbeispiele sollen hier v. a. die Reliefs von S.Vitale, Louvre und Venedig dienen.

Die Körper der Putti wirken recht kompakt, ein Eindruck, der besonders durch die dicken Beine, die sehr kurzen Hälse sowie durch die stark plastisch herausgearbeiteten Backen betont wird. Die Gesichter sind detailliert modelliert, z. B. sind bei den Augen sowohl das untere als auch das obere Lid abgesetzt.

Bei der Körperbehandlung sind die Muskel- und Fettpartien meist stark geschwollen herausgearbeitet und gegeneinander durch Falten abgesetzt, so dass sich eine bewegte Oberfläche ergibt. Es entsteht der Eindruck einer additiven Aneinanderreihung von Einzelformen.

Die kurzen Flügel der Putti sind oft vollplastisch gearbeitet. Sie bestehen aus einer doppelten Lage leicht unregelmäßig gereihter Deckfedern sowie vier bis fünf Schwungfedern auf, die zum Körper hin nur wenig kürzer werden und an den Enden nicht ausschwingen. Die Federn sind recht dick und unterschiedlich gestaltet. Die genaue Binnenzeichnung gibt nicht nur den Kiel an, sondern skizziert sogar die einzelnen Häärchen.

Die kurzen Mäntel der Putti weisen durch tiefe Falten starke Hell-Dunkel-Kontraste auf. Bei den Tüchern, die über die Throne gebreitet sind, zeigen alle Faltenöffnungen nach vorn und die Struktur wird durch kleine, schrägverlaufende Falten auflockert.

An den ravennatischen Reliefs zeigt sich also ein großes Interesse an Detailtreue, an Licht- und Schattenwirkung und an plastischer, voluminöser Gestaltung.

(Fortsetzung folgt …)