Wie können wir aber den leeren Thron der Reliefs deuten? Zunächst einige Vergleichsbeispiele:

Im Giebel des palatinischen Tempels der Magna Mater oder Kybele (Mitte des 1. Jh. n. Chr.), im Hintergrund einer Opferszene an der sogenannten Ara Pietatis von 43 n. Chr., nimmt der leere Thron der Kybele, auf dem als Symbol ihre Mauerkrone liegt, die Mitte ein. Aus der Favorita di Mantova stammt ein Relief mit dem leeren Thron Jupiters, charakterisiert durch den Blitz und den Adler und datiert in claudische Zeit. Auch hier eine symbolische Anspielung.

Zwei leere Marmorthrone befinden sich heute in der Münchner Glyptothek. Beide sind von einem Tuch bedeckt. Der eine mit Resten von Waffen ist als Thron des Mars charakterisiert, der andere mit Füßen eines Vogels, möglicherweise als Thron der Venus.

Und schließlich gibt es noch ein Fresko aus Herculaneum mit den beiden Thronen von Venus und Mars, die von Eroten flankiert werden, die Attribute der jeweiligen Gottheit tragen. Diese motivische Ähnlichkeit und die metopenartige Rahmung der einzelnen Bilder eignet sich besonders gut für einen Vergleich mit unseren Reliefs.

Außerdem gibt es noch eine Reihe von Münzen, in denen die sella curulis, der Amtsstuhl des Imperators, als Symbol seiner Macht abwechselt mit Darstellungen von Thronen von Gottheiten, die jeweils durch die Attribute charakterisiert sind.

Die leeren Throne in Verbindung mit den Attributen des jeweiligen Gottes weisen auf die Lectisternia bzw. Sellisternia. Bei diesem Göttermahl wurden Götterbilder oder ihre jeweiligen Attribute auf prächtige Polster gelegt und symbolisch bewirtet. Gleichzeitig verbindet die sella curulis auf den Münzen die leeren Götterthrone mit dem Kaiserkult, bei dem der Herrscher durch einen leeren Thron symbolisiert wird, auf dem die Insignien seiner Macht liegen.

Der erste sichere Fall einer Proskynesis (= Kniefall) vor einem leeren Thron ist der, der zu Ehren des toten Alexander 318 v. Chr. von Eumenes organisiert wurde. An einem goldenen Thron, aufgestellt unter einem Zelt, war das Diadem und das Szepter angelehnt (Diod. XVIII, 60, 5-61). In Alexandria wurde der goldene Thron von Ptolemaios I. Soter 270 v. Chr. in einer heiligen Prozession mit Thronen der Götter getragen.

In Rom wurde eine solche Ehrung, hier in Form einer vergoldeten sella curulis, auf der ein edelsteinverzierten, goldener Kranz lag, zuerst dem lebenden Caesar durch den Senat zuerkannt. Diese sella sollte bei allen Spielen aufgestellt werden. Nach Caesars Tod konnte Oktavianus diesem Senatsbeschluß wegen des Widerstandes Marc Antons zunächst keine Geltung verschaffen. Als Alleinherrscher ließ Augustus dann den vergoldeten Sessel des Divus Iulius immer bei den Spielen aufstellen (Cassius Dio 50,10,2 und 56,29,1) und sein Bild erschien auch auf Münzen. Auch unter Tiberius wurde diese Huldigung beibehalten (vgl. Dio 57,15,6). Ähnliche Ehrungen gab es für verstorbene Mitglieder des Kaiserhauses.

Die vergoldete sella curulis wurde später durch einen Götterthron ersetzt. Für den divus Severus ist dies durch Münzen belegt, doch erhielt schon der divus Pertinax drei vergoldete Throne, die man in der pompa aufführte (Dio 74,4,1). Möglicherweise vollzog sich dieser Wechsel auch schon früher. Gerade diese Entwicklung aber verdeutlicht die enge Verbindung zwischen leerem Götterthron und Kaiserkult, die sicher auch im 1. Jh. n. Chr. schon bestand. Dabei blieb diese Ehrung nicht nur auf die Toten beschränkt.

Die Putti auf unseren Platten bereiten die Throne für den rituellen Akt des Lectisterniums vor. Gleichzeitig besteht offenbar eine enge Verbindung zwischen dem Kaiserkult und der Darstellung des leeren Thrones einer Gottheit. Ich nehme daher an, dass auch diese Reliefs im Zusammenhang mit der Verehrung des Kaisers gesehen werden müssen und wahrscheinlich an einem Bau des Kaiserkults angebracht waren. Beschi geht auch davon aus, dass dieser Bau auf eine kaiserliche Initiative zurückzuführen ist.

Auch die kindlichen Putti entstammen der hellenistischen Tradition. Sie sind Begleiter der Venus und begleiten oft das Liebespaar Venus und Mars, wobei sie mit den Waffen des Mars spielen. Ihre Verbindung zu Venus, der Stammutter der Iulier, auf die sich wiederum alle nachfolgenden Kaiser in irgendeiner Weise bezogen, impliziert also wie die leeren Throne ebenfalls den Kaiserkult.

(Fortsetzung folgt …)