Das Erechtheion auf der Akropolis von Athen (Teil 6)

Die Funktion des Tempels

Kein anderer griechischer Tempel zeigt mehr Besonderheiten oder bereitet mehr Schwie­rigkeiten für ein um­fassendes und befriedigendes Verständnis.

Die Erklärung für die Besonderheiten in der Konstruktion des Erechtheions muss vor allem in der Funktion des neuen Tempels gesucht wer­den, und in der Vorgeschichte des Geländes, auf dem er steht, denn der komplizierte Grundriss des Erechtheions sollte die ältesten Heiligtümer und die mit der Ent­stehung der Stadt verknüpften Kultmale ver­einen.

Im Bericht von 409 v. Chr. wird der Tempel beschrieben als Tempel auf der Akropolis mit der alten Statue. Damit war das Holzbild der Athena Po­lias gemeint, von dem es hieß es sei vom Himmel gefallen und nicht von Menschenhand ge­schnitzt. Vermutlich war es das einzige Standbild, das hier stehen sollte, und der Tempel wurde hauptsächlich zu Ehren der Athena er­richtet. Es gibt jedoch auch noch andere Kulte, die ich z. T. schon ange­sprochen habe.

Eine der Hauptquellen für die Kulte des Erechtheion ist die Beschrei­bung des Erechtheions bei Pausanias. Pausanias erwähnt vor dem Eingang einen Altar des Zeus Hypa­tos und im Innern einen Altar des Poseidon, auf dem auch dem Erechtheus geopfert wird, einen Altar des Hephaistos und einen Altar des Heros Bou­tes. An den Wänden sind Gemälde der Boutaden, d. h. der Nachkommen des Bou­tes. In einem anderen Raum befindet sich ein Meerwasserbrunnen. Im Felsen ist ein Dreizackmal. Außerdem gibt es als heiligstes Kultobjekt ein Bild der Athena. Ferner erwähnt Pausanias eine Lampe des Kallimachos und dar­über eine Bronzepalme als Schornstein. Im Tempel der Polias steht ein höl­zerner Hermes, durch Mythenzweige verdeckt, sowie verschiedene andere Weihgeschenke. Pausanias erwähnt dann noch den Ölbaum und das an den Athenatempel angrenzende Pandroseion.

In der Forschung gibt es viele Meinungsverschiedenheiten darüber, wo diese Kulte genau zu lokalisieren sind, da aus dem Bericht von Pausanias nicht eindeutig hervorgeht, wo er das Gebäude betrat. Vermutlich benutzte er die östliche oder die nördliche Portikus, von der jede der Haupteingang des zugehörigen Gebäude­teils ist. Früher wurde im Allgemeinen angenommen, dass die östliche Halle der Athena Po­lias geweiht war, und dass in den beiden westlichen Räumen die Al­täre für Poseidon-Erechtheus, Boutes und Hephaistos untergebracht waren. Andere Forscher vertreten dagegen die Ansicht, dass die Altäre im öst­lichen Raum standen und das Xoanon der Athena Polias irgendwo im westli­chen Teil des Gebäudes.

(Fortsetzung folgt …)

Das Erechtheion auf der Akropolis von Athen (Teil 5)

Zur Datierung

Im Sommer 409 v. Chr. bereitete eine Kommission zur Beaufsichtigung des Erechtheions einen detaillierten Bericht über den damaligen Zustand des noch unvollendeten Tempels vor. Dieser ein Jahr später fertige Bericht enthielt auch eine Inventarliste al­ler an der Baustelle herum liegenden Materialien. Ein großer Teil dieses Berichts ist auf einer Marmor-Stele er­halten, die 1765 von Chandler auf der Akropolis gefunden wurde. An­dere Fragmente berichten über die Abrechnungen der Bauarbeiten. Die Kom­mission war aufgrund eines Dekrets zusammengeru­fen wor­den, von dem wir einige Fragmente besitzen. Die Tatsache, dass es dieses offizielle Dekret gab und auch noch auf einer Stele festgehalten wurde, weist darauf hin, dass die Bauarbeiten wieder aufgenommen werden sollten. Der Tempel wurde bis 406 v. Chr. fertiggestellt, wobei man den genauen Arbeitsverlauf aufgrund der ausführlichen Bauabrechnungen gut verfolgen kann.

Dieser Bericht der Kommission von 409 v. Chr. ist die früheste erhal­tene Erwähnung des Erechtheion, aber wann wurde der Tempel begonnen? Eine Möglichkeit ist die Zeit vor dem Ausbruch des peloponnesischen Kriegs 432 v. Chr. In diesem Fall wäre der Tempel Teil des Plans des Perikles zum Wiederaufbau der Akropolis und dann wohl erst nach Fertigstellung des Parthenon begonnen worden. Es scheint jedoch seltsam, dass das Erechtheion nirgends erwähnt sein soll. Eine weitere Möglichkeit wäre ein Baubeginn während der friedlichen Zeit des Nikias-Frieden von 421 v. Chr. bis 414 v. Chr. und ein Tempel, der die alten Kultmale vereinigte, passt gut zu der Frömmigkeit des Nikias und einer Zeit, in der er politischen Einfluss hatte. In diesem Fall wäre ein Beginn um 419/18 v. Chr. anzunehmen, als sich die Stadt wirtschaftlich etwas von den vorhergehenden Kriegsjahren erholt hatte. Für beide Möglichkeiten gibt es jedoch keine sicheren Beweise.

 

(Fortsetzung folgt …)

Das Erechtheion auf der Akropolis von Athen (Teil 4)

Was die Aufteilung des Innenraumes angeht, so ist nur sicher, dass die Cella ursprünglich mit einer Querwand in einen kleineren Raum im Osten und einen größeren im Westen geteilt wurde. Das Fußbodenniveau des westlichen Raums liegt 3,10 m unter dem des östlichen Raums. Für eine westliche Quer­wand und eine Trennwand zwischen den beiden Querwänden gibt es keinen Be­weis, und gerade in diesem Punkt liegt die Schwierigkeit für die Wieder­herstellung der ursprünglichen Gestalt und Funktion des Gebäudes.

Im Innern des Erechtheion haben sich einige Reste aus helladischer Zeit erhalten. Die Querwand, die den östlichen vom westlichen Raum trennte, wurde beim Umbau zu einer Kirche völlig entfernt. Spuren an der Nord- und der Südwand ermöglichen es aber Lage und Stärke der Querwand zu bestimmen: sie war 2 Fuß = 0,65 m stark. Es gibt keine Spuren einer Tür in dieser Quer­wand und auch keine Treppe, die die beiden Ebenen verband.

Im Westen befindet sich ein schmaler Gang, das sog. Prostomiaion, zu dem von Norden, Süden und Westen Türen führen. Es gibt Indizien da­für, dass dieser Raum nicht so gebaut wurde, wie er ursprünglich geplant war. Dies könnte mit den unvorhergesehenen Schwierigkeiten in der Südwestecke zusammenhängen. Auch dies wäre ein Indiz dafür, dass man die genaue Lage und Ausdeh­nung des Kekropiums bei der Planung des Erechtheions nicht kannte. Heute ist der Raum unter dem Prostomiaion eine große Zisterne, die aus dem an­stehenden Felsen herausge­hauen ist. In der äußersten südwestlichen Ecke befindet sich ein quadrati­scher Schacht mit ca. 90 cm Seitenlänge im Fel­sen. Er ist 1,75 m tief und greift ca. 8-12 cm unter die Südwand und 5 cm unter die Westwand. In seiner heutigen Form ist dieser Schacht wohl zeitgenössisch mit der Zisterne. Man nimmt jedoch an, dass er die ursprüngliche Lage des sog. Meeres des Poseidon markiert.

Im Lauf der Zeit wurden besonders im westlichen Teil des Erechtheion ver­schiedene Änderungen und Zusätze ausgeführt, von denen der wichtigste der Einbau einer westlichen Querwand war, die offenbar als zusätzliche Stütze für das Dach diente. Eine Reparatur fällt in das Jahr 377/376 v. Chr., und eine weiter gehende in das Jahr 27 v. Chr. Im 7. Jh. n. Chr. wurde das Erechtheion in eine christliche Kirche umgewandelt.

(Fortsetzung folgt …)

Das Erechtheion auf der Akropolis von Athen (Teil 3)

In der Südwestecke des Erechtheions weisen zahlreiche Unre­gelmäßigkeiten darauf hin, dass sich hier ein ernstes und viel­leicht unerwar­tetes Hindernis für die normale Konstruktion befand. All diese Unregelmäßigkeiten sind verständlich, wenn diese Ecke um ein Hindernis herum gebaut werden sollte, das den so gebildeten Raum ein­nahm, obwohl es hier der Sicht durch den Fußboden der Halle und durch die Wand an der Westseite der Stufe zum Tempel hinab entzogen war. Die gleiche Vorsicht zeigt sich in der Korenhalle, wo es einen engen Spalt zwischen dem großen Block und der Wand westlich der Treppe gab. An der Außenseite der Westwand finden wir Hinweise dafür, dass dieses Hindernis bis südlich der Tür in der Westwand reichte. An diesem Teil des Tempels gibt es z. B. keine Stufen und die Außenseiten der Blöcke unter der Lage 14 sind nur grob bearbeitet. Dieser Teil des Gebäudes war also wohl ebenfalls nicht sichtbar.

Die Inschriften weisen darauf­ hin, dass es sich hier um das sogenannte Kekropium handelt, das legendäre Grab des attischen Urkö­nigs Kekrops, mit dem dazu gehörigen heiligen Bezirk, dem Temenos. Im Süden war dieser heilige Bezirk von einer Mauer begrenzt, die deutliche Spuren auf Stufen und Po­dium an der Westseite der Korenhalle hinterlassen hat. Abarbeitungen an der untersten Stufe zeigen, dass sie nicht im rechten Winkel zur Halle, sondern parallel zur Achse des alten Athena-Tempels lagen. Spuren der Mauer er­scheinen bis zur Höhe des oberen Rands des Eier-Stab-Frieses am Podium der Korenhalle, aber sie war wahrschein­lich etwas höher, weil die Oberfläche des Steins nicht als Abschlussstein gearbeitet war. Alles was wir von der nördlichen Umfassungsmauer des Ke­kropiums sicher wissen, ist der ungefähre Stelle, an der sie begann: nahe der Westwand des Erechtheions, südlich der Tür. Die Richtung der Mauer kann nur erschlossen werden. Auch die Aus­dehnung des Kekropiums nach Westen ist nicht bekannt. Anscheinend war das Kekropium vor der Errichtung des Erechtheions nicht sichtbar gewesen, zu­mindest nicht als massive Kon­struktion. Erst beim Bau stieß man wohl auf eine solche Konstruktion, viel­leicht eine Ecke des alten Palastes aus my­kenischer Zeit. Da dieses Hin­dernis nicht entfernt werden konnte, wurde das Erechtheion so gut wie mög­lich angepasst, möglicherweise auch dadurch, dass die Westwand 2 Fuß weiter nach Osten bauten als ursprünglich geplant.

(Fortsetzung folgt …)

Das Erechtheion auf der Akropolis von Athen (Teil 2)

In der nördlichen Vorhalle sind die sechs Säulen in der gleichen Weise angeordnet wie die Koren, aber die beiden Vorhallen haben nicht die gleiche Achse. Die Gesamthöhe dieser Säulen beträgt 7,635 m. In der Süd­ostecke der Nordhalle fehlen einige Platten des Fußbodens. Durch diese Öffnung sieht man drei Gruppen von Spalten verschiedener Größe und Tiefe im Felsen, die offenbar religiöse Bedeutung hatten. Der Fels zeigt hier keine Bear­beitungsspuren, obwohl er anscheinend dort geglättet wurde, wo er die Fundamente der Porti­kus tragen sollte. Das Fundament umschließt den unregelmäßigen Raum mit den Spalten wie eine kleine Krypta. Außerdem ist diese Kammer durch einen kleinen Durchgang im Fundament der Nordwand mit dem Hauptgebäude verbunden. Für die Erbauer des Erechtheions war es offenbar äußerst wichtig, dass diese Spalten nicht beschädigt wurden, denn die Krypta führte sogar unter der Ost­wand der Portikus weiter, obwohl dies zu einer Schwächung des Funda­ments führte. Auch sollten diese Spalten unter freiem Himmel liegen, da die Öffnung im Fußboden genau unter einer Öffnung im Dach der Portikus liegt. Durch spätere Veränderungen (z. B. eine nachantike Zisterne) wurde diese Krypta stark beschädigt.

In der Mitte der Südseite dieser Nordhalle befand sich als Hauptein­gang zum West­teil des Tempels eine große Tür mit reich verziertem Rahmen. Im Westen springt die Halle über das Hauptgebäude vor und von diesem Vorsprung führt eine zweite viel kleinere, unverzierte Tür zu einem un­mittelbar anschließen­den und in der Antike von einer Mauer abgeschlossenen Bezirk.

Die Westfassade des Erechtheions verbindet die beiden Niveaus des Gebäudes durch eine zweistöckige Gliederung. Im unteren Be­reich befindet sich etwas südlich der Achse eine Tür, die im Lauf der Zeit etwas erweitert wurde.

(Fortsetzung folgt …)

Das Erechtheion auf der Akropolis von Athen (Teil 1)

Eines der beliebtesten Fotomotive auf der Athener Akropolis ist das Erechtheion mit seiner Korenhalle. Der Tempel befindet sich nahe der nördlichen Umfassungsmauer der Akropolis und erhebt sich unmittelbar neben dem alten, von den Persern zerstörten Athena-Tempel.

Literatur:

  1. M. Paton / G. P. Stevens u. a., The Erechtheum (Cambridge Mass. 1927)
  2. Dörpfeld, Erechtheion (Berlin 1942)
  3. W. Elderkin, The Cults of the Erechtheion (Hesperia, Volume 10, Issue 2, 1941)
  4. Lauter, Die Koren des Erechtheion (Berlin 1976)
  5. Scholl, Die Korenhalle des Erechtheion auf der Akropolis. Frauen für den Staat (Frankfurt a. M., 1998)
  6. Papanikolaou, The Restoration of the Erechtheion (1979-1987). Final Report on the Work (Athen 2012)

Bilder:
http://de.wikipedia.org/wiki/Erechtheion#mediaviewer/File:Erchtheum_from_western-north.jpg
http://de.wikipedia.org/wiki/Erechtheion#mediaviewer/File:Karyatide_Erechteion.jpg
http://www.dchamberlinarchitect.com/page-travel-greece-athens-acropolis-erechtheion.htm
https://www.utexas.edu/courses/introtogreece/lect20/img37Werechtheion.html

Das Erechtheion vereint verschiedene Baukörper zu einem Tempelkomplex und zeigt sehr viele Unregelmäßigkeiten. Die Fundamente des Erechtheion liegen unmittel­bar auf dem harten Kalkstein der Akropolis auf, der hier stark von Südost nach Nordwest abfällt. Unter der Korenhalle und den Stufen der Südwand wurdenso weit wie möglich der Untergrund des alten Tempels als Fun­dament benutzt. Dadurch folgte man beispielsweise beim Fundament unter den Stufen der Südfront der Korenhalle der Aus­richtung der älteren Struktur. Auf der Ost- und der Südseite des Gebäudes tritt die oberste Lage des Fundaments leicht über die unterste Stufe hinaus, sofern frühere Kon­struktionen dies nicht verhindern. Die Nordseite und die Westfront liegen auf einem 3,24 m tieferen Ni­veau. Im Norden befand sich von der Nordhalle bis zum Ostende des Gebäudes ein Marmorpfla­ster, das heute noch unter der untersten Stufe hervorkommt.

Das Hauptgebäude ist ein ostwestlich orientiertes Rechteck von etwa 24 m Länge und 113 m Breite, gemessen am Fuß der untersten Stufe. Vor seiner östlichen Wand liegt eine Vorhalle mit sechs ca. 6,5 m hohen ionischen Säulen, die leicht zur Mitte und zur Cella­wand geneigt sind. Nord- und Südwand sind leicht nach innen geneigt.

Dem westlichen Ende der Südwand ist die sogenannte Korenhalle vorgela­gert, die mit der Westwand des Erechtheions abschließt. Sie hat ihren Na­men von den sechs Karyatiden, Mädchenfiguren, die an­stelle von Säulen das Dach stützen. Diese Karyatiden stehen auf einem Mar­morpodium, und zwar vier nach Süden hin und eine hinter jeder Eckfigur. Den Zugang zu dieser Halle bildet eine Öff­nung im Podium nahe der nordöstlichen Ecke. In der Korenhalle selbst wiederum führen Stufen durch eine Tür zum westlichen Raum des Tempels hinab und an der Nordostecke des Podiums befindet sich eine weitere Öffnung. Die Kassettendecke der Korenhalle ist immer noch erhalten, während der Boden der Halle schon seit langem verloren ist.

(Fortsetzung folgt …)

Das Mailänder Diptychon

Bilder siehe:
https://fedora.phaidra.univie.ac.at/fedora/get/o:284921/bdef:Content/get
https://fedora.phaidra.univie.ac.at/fedora/get/o:284684/bdef:Content/get

Die beiden Elfenbein-Tafeln im Mailänder Domschatz dienten als Deckel für ein Evangeliar. Jede der Tafeln ist in neun Felder eingeteilt. Dabei geht das obere und das untere Feld jeweils über die ganze Breite der Tafel und das große Mittelfeld wird zu beiden Seiten von je drei kleinen Feldern eingerahmt.

Die erste Tafel zeigt oben die Geburt Christi mit Maria und Josef zu beiden Seiten der Krippe mit dem Jesuskind. Im Hintergrund sieht man den Esel und den Ochsen. Die Szene wird von zwei Kränzen mit Evangelisten-Symbolen eingerahmt: der Mensch links steht für Matthäus, der Stier rechts symbolisiert Lukas. Das untere Feld zeigt den Kindermord mit dem thronenden Herodes, klagenden Frauen und Soldaten. Auch diese Szene wird von zwei Kränzen gerahmt, in denen aber diesmal die Evangelisten selbst dargestellt werden.

Im großen Mittelfeld ist ein Lamm mit Nimbus in einem Früchtekranz dargestellt. Im Hintergrund sieht man zwei korinthische Säulen mit Architrav. Das Lamm symbolisiert den Opfertod Christi, der Früchtekranz steht für Fruchtbarkeit, Wohlstand und Frieden.

Die kleinen Felder links zeigen oben nach unten die Verkündigung Marias an der Quelle, die drei Magiere, die den Stern sehen, sowie die Taufe Christi. Rechts ist oben vermutlich Gebet und Verheißung Annas dargestellt, die auf die Verkündigung ihrer Tochter Marias vorausweist. Darunter sieht man Jesus unter den Schriftgelehrten im Tempel und ganz unten seinen Einzug in Jerusalem.

Auf der rechten Tafel ist im oberen Feld die Anbetung der drei Könige abgebildet, wiederum eingerahmt von zwei Kränzen mit Evangelisten-Symbolen. Diesmal sehen wir links den Löwen für Markus und rechts den Adler als Symbol für Johannes. Auf dem unteren Feld rahmen zwei Kränze mit Evangelisten die Hochzeit von Kanaan ein.

Im mittleren Feld steht ein Juwelenkreuz auf einem Berg, von dem vier Flüsse ausgehen. Auch hier sehen wir zwei korinthische Säulen mit Architrav im Hintergrund. Das juwelengeschmückte Kreuz ist ein Siegessymbol und meint vermutlich das Kreuz der Verklärung. Der Berg stellt den Paradiesberg mit den vier Paradiesflüssen dar. Diese Flüsse wiederum können die vier Himmelsrichtungen symbolisieren oder für die Evangelisten stehen. Als Symbol für die Himmelsrichtungen weisen die Flüsse oft auf die Verbreitung des Evangeliums und die Weltherrschaft Christi.

Die kleinen Felder links stellen von oben nach unten eine Blindenheilung, die Heilung des Lahmen, der nun sein Bett wegträgt, und die Auferweckung des Lazarus dar. Dieser ist wie immer in einer Ädikula dargestellt, was nicht dem biblischen Text entspricht. Im Feld rechts oben thront Jesus als Pantokrator (=Weltherrscher) auf einer Weltkugel. Er gibt zwei Märtyrern Kränze in die verhüllten Hände. Die Kränze symbolisieren den Sieg über das irdische Leben und weisen auf das Jenseits. Im mittleren Feld sehen wir das Abendmahl und das untere Feld zeigt das „Scherflein der Witwe“ (die Witwe, die nur zwei kleine Münzen opfert, weil sie arm ist). Auch hier sitzt Jesus als Pantokrator auf einer Weltkugel.

Beide Tafeln des Mailänder Diptychons zeigen mit Juwelenkreuz, Lamm und Jesus als Pantokrator eine imperiale Ikonographie, die erst im 5. Jh. n. Chr. einsetzt. Die Szenen aus dem Leben Marias wiederum setzen eine ausgereifte Mariologie voraus, die erst mit dem Konzil von Ephesus im Jahre 431 n. Chr. beginnt. Daneben finden wir Szenen aus den östlichen Apokryphen, deren Darstellung im Westen Ende des 5. Jh. n. Chr. aufhört. Da das Diptychon aufgrund des Stils vermutlich im Westen des römischen Reichs entstand, kann man davon ausgehen, dass es aus der Mitte des 5. Jh. n. Chr. stammt.

Reisetipp: Die sogenannte „Igeler Säule“ bei Trier

DSC03355   DSC03357

Eines der Highlights im Landesmuseum in Trier ist die Kopie der sogenannten Igeler Säule. Die Kopie steht im Hof des Museums und ist farbig gefasst – gemäß den gefundenen Farbresten.

Das Original steht auch heute noch an seinem ursprünglichen Platz im kleinen Ort Igel bei Trier und ist bereits seit 1986 Teil des UNESCO-Welterbes Römische Baudenkmäler, Dom und Liebfrauenkirche in Trier. Dass wir das 23 Meter hohe Pfeilerdenkmal aus rotem Sandstein auch heute noch hier bewundern können, verdanken wir vermutlich dem Umstand, dass man das Hauptbild auf der Südseite im Mittelalter für eine Darstellung der Vermählung des Constantius Chlorus mit der Heiligen Helena, der Mutter Konstantin des Großen, hielt.

Die Römerstraße, an der dieses Grabmal steht, war zur Zeit der Römer von vielen weiteren Grabmälern gesäumt, deren Reste man heute zum Teil ebenfalls im Trierer Landesmuseum sehen kann.

Die Igeler Säule wurde gegen 250 n. Chr. von der Tuchhändlerfamilie der Secundinier errichtet. Auf einer Stufenbasis erheben sich der eigentliche Sockel des Grabmals, der Hauptteil, ein Fries, eine Attika und ein dreieckiger Giebel. Den Abschluss bildet ein Schuppendach, das von einem Pinienzapfen bekrönt ist. Hier befand sich früher auch noch eine Darstellung der Entführung des Ganymed durch den Adler Jupiters.

Das Grabmal ist über und über mit Reliefs geschmückt, die verschiedene neben mythologischen Themen Szenen aus dem häuslichen Leben der Secundinier und auch Schritte der Tuchherstellung zeigen. Vermutlich wurde das Grabmal beim Tod des jüngeren Sohnes Securus errichtet, der das Hauptbild an der Südseite den Abschied dieses Sohnes von seinem Vater Securus und dessen Bruder Aventinus zeigt.

 

Adresse:
Trierer Straße
54298 Igel

Das Theater von Priene (Teil 6)

Das eigentliche Skenengebäude hinter dem Proskenion ist rechteckig und in drei etwa gleichgroße Kammern unterteilt. Diese haben jeweils eine Tür zum Proskenion hin. Die Abstände der Türen untereinander und von den Ecken des Gebäudes sind unterschiedlich. Die Vorderwand ist glatt und hat abwechselnd Schichten von hohen Orthostaten und durchbindenden Flachschichten. Die 60 bis 65 cm dicken doppelschaligen Mauern sind mit Steinbrocken und Lehm gefüllt. Zusätzlich geben Binderquader der Mauer Stabilität.

An den Seitenwänden und an der Hinterwand befinden sich in der fünften Schicht schießschartenartige Fenster. Im übrigen ist das Skenengebäude bis zur Balkenlage des Untergeschosses im wesentlichen vollständig und teilweise sogar noch höher erhalten. Auf der Nordwand liegen sogar noch vereinzelte Steine des Obergeschosses zwischen den Proskenionbalken.

Die Kammern werden durch Querwände getrennt, die heute größtenteils durch die Mörtelmauern römischer Zeit verdeckt sind, und waren untereinander nicht verbunden. Zwischen der westlichen und mittleren Kammer bilden zwei Querwände einen 77 cm breiten Korridor. Die Reste lassen hier auf eine steinerne Treppe schließen, die zum 2,635 hohen Obergeschoss führte. Die Verlängerung dieser Treppe nach Norden bildet ein Schacht, dessen Boden etwas nach außen geneigt ist. Der Verschlußstein in der untersten Randschicht hat einen schmalen Schlitz am unteren Rand für den Wasserabfluß.

Zur spätrömischen Umgestaltung des Bühnenhauses gehört auch die 83 bis 91 cm starke Mauer, die die Kammern in einen schmalen Vorder- und einen tiefen Hinterraum teilt. Außerdem gab man diesen Räumen Tonnengewölbe, wodurch sie niedriger wurden. Von der römischen Skene frons sind Teile vom Sockel bis zu 1 m Höhe erhalten. Diese Wand hat eine 2,72 m breite Mittelöffnung zwischen zwei doppelt vorgekröpften Pfeilervorlagen und zwei halbkreisförmigen Nischen mit ursprünglich 1,5 m Durchmesser. Nur an der Westseite ist ein Teil der Seitentür erhalten. Ursprünglich waren die Mörtelwände verputzt. Der einzige äußere Zugang zum Innenraum des römischen Gebäudes ist eine Tür an der Westseite über der hellenistischen Treppe. Diese Tür liegt östlich der hellenistischen Tür.

Ebenfalls in die römische Zeit gehören verschiedene kleine Nebenanlagen, die mit dem Theater eigentlich nichts zu tun haben, z. B. ein großer Wasserbehälter an der westlichen Parodosmauer.

In der östlichen Parodos befindet sich noch eine Kapelle aus byzantinischer Zeit.

Das Theater von Priene lässt trotz einiger Umbauten späterer Zeit immer noch sehr gut die Struktur eines hellenistischen Theaters erkennen. 6500 Personen fanden hier Platz und es gibt Hinweise darauf, dass imTheater auch Bürgerversammlungen stattfanden.

Das Theater von Priene (Teil 5)

Südlich der Orchestra befindet sich das Bühnengebäude. Diesem ist eine Säulenhalle vorgelagert, das sogenannte Proskenium. Die fünfzehn Stützen des Proskenions sind zwar teilweise beschädigt, stehen aber noch aufrecht an ihrem ursprünglichen Platz. An den Ecken befinden sich rechteckige ca. 42 x 61 cm dicke Pfeiler, die sich nach oben verjüngen. Die übrigen Stützen setzen sich zusammen aus Pfeilern und vorgesetzten dorischen Halbsäulen. Die Interkolumnien, der Raum zwischen den Stützen, sind etwa 1,87 m breit und die Proskenionhalle ist 2,75 m tief. Die Kapitelle der Eckpfeiler haben die Form dorischer Antenkapitelle, während die Pfeiler der mittleren Stützen ohne Kapitelle zum Architrav führen. Die Halbsäulen haben gesondert gearbeitete dorische Kapitelle.

Das auf den Säulen aufliegende Gebälk besteht aus dem Architrav, einem Triglyophenfries und dem Gesims. Der Triglyphenfries wird von einem 5 cm hohen Profil bekrönt. Auf ein Frontjoch kommen jedesmal vier Metopen und auf die seitlichen fünf mit einer sechsten über dem Eckpfeiler. Das Gesims ist 11,8 cm hoch.

Das Proskenion springt im Westen vor die Seitenwand des Skenengebäudes um 1,29 m vor. Daran schließt sich im Süden eine 1,3 m breite massive Treppe zum Dach des Proskenions an. Sie hat kein Fundament. Die erste Stufe beginnt an der Flucht der Südwand und liegt auf dem 23 cm höheren Gelände. Erhalten sind sechs Stufen und ein Rest der siebenten und die Abarbeitungen an der Westwand des Skenengebäudes lassen vier weitere erkennen. Insgesamt ist die Treppe 3,275 m lang und das sich anschließende Podest hat eine Länge von 2,535 m. Die Wände bestehen aus unterschiedlich großen Bossenquadern im Westen bzw. Bruchsteinmauerwerk ohne Fugenschluß im Norden. An der östlichen Schmalseite des Skenengebäudes greift das Prospenion um etwa 1,20 m nach Süden vor.

In den Durchgängen zwischen Proskenion und Zuschauerraum befinden sich Reste von einfachen Torbauten aus zwei noch heute in situ stehenden Pfeilern und einem nicht erhaltenen Sturz. Die Tore verjüngten sich nach oben und sowohl das Proskeniongesims als auch das Profil der Parodosmauern sind hinter den anschließenden Pfeilern abgeschlagen worden, an deren Außenseiten sich Angellöcher befinden. Es gibt keine durchgehende Schwelle, aber eine Treppe von drei Stufen. Sie ist allerdings ein späterer Zusatz, da sie aus Werkstücken vom Skenengebäude besteht.

Vor dem Proskenion sind die Reste von einigen Weihgeschenken und Statuen zu sehen, z. B. zwei Rundbasen in symmetrischer Anordnung vor dem zweiten und zehnten Joch von Westen her gesehen erhalten. Die Fußspuren zeigen, daß die Figuren lebensgroß waren und einen Fuß leicht vorgesetzt hatten. Von den übrigen Weihgeschenken sind nur noch die unterschiedlich großen Fundamente erhalten.

In den Interkolumnien finden sich Spuren von Verschlußvorrichtungen für Flügeltüren und festinstallierte Bilder sowie von einer vollständigen Vergitterung in den Seitenjochen. Zusätzlich finden sich außer bei den Türen in den Interkolumnien Reste von dünnen Mörtelwänden, mit denen sie in römischer Zeit verschlossen wurden. Im westlichen Joch ist ein 45 cm hoher Rest einer solchen Mauer mit Bemalung erhalten. Diese zeigt eine Flügeltür in einer dunklen Wandfläche. Auch Triglyphengebälk und Säulen zeigen Spuren von Bemalung. Die roten Säulen stammen aus späterer Zeit, wie die Verbindung zu den Mörtelwänden zeigt. Damals wurden alle Säulen, Kapitelle und die Unterflächen des Architravs scharlachrot bemalt.

 

(Fortsetzung folgt …)

Seite 31 von 39

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén