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Buchvorstellung: Sabine Panzram / Dominik Kloss, Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten in Spanien

(Nünnerich-Asmus Verlag & Media GmbH, Mainz 2022)

Im neuesten Reiseführer der Reihe „Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten“ entführen uns Sabine Panzram und Dominik Kloss nach Spanien. Die beiden Altertumswissenschaftler nehmen uns mit auf eine Rundreise durch das beliebte Urlaubsland und stellen uns ihre Auswahl an wichtigen archäologischen Stätten vor. Und Spanien hat kulturell wirklich viel zu bieten. Zeugnisse von Iberern und Keltiberern, von Phöniziern und Puniern, von Griechen und Römern finden sich ebenso wie sehenswerte Bauten der Westgoten oder aus der maurisch-arabischen Zeit.

In der Einführung geben die Autoren einen Überblick über die Geschichte Spaniens von der Bronzezeit bis zur Eroberung durch die arabischen Umayyaden im 8. Jh. n. Chr. Auch gehen sie auf die geographischen und klimatischen Bedingungen der verschiedenen Regionen ein. Einerseits machten reiche Bodenschätze (Kupfer, Zinn, Silber, Gold, Eisen usw.) die iberische Halbinsel für viele Völker attraktiv. Andererseits eigneten sich einige Landstriche besonders gut für die landwirtschaftliche Nutzung. So gedeihen hier optimal Oliven, Wein und Getreide. Zur Orientierung sind dieser Einführung zwei Karten vorgeschaltet. Eine des römischen Hispanien und eine des heutigen Spanien.

Im folgenden Kapitel starten wir unsere Rundreise durch Spanien in Katalonien. Genauer gesagt in Ampurias, nur etwa 35 Kilometer von der französischen Grenze entfernt. Die Reise führt uns durch die verschiedenen Regionen Spaniens, einschließlich eines Ausflugs nach Mallorca, und endet schließlich in Andalusien. Zu den Orten, die es in diesen handlichen Reiseführer geschafft haben, gibt es Hintergrundinformationen über Geschichte und Forschungsgeschichte und die Autoren gehen ausführlich auf das ein, was den Ort besonders macht.

In manchen Orten sind es trotz ihrer einstigen Bedeutung nur wenige sichtbare Reste in versteckten Ecken, wie z. B. in Barcelona, die in den Orten heute noch besichtigt werden können. Daneben gibt es aber auch die großen archäologischen Zonen oder Parks in Zaragoza, Mérida, Itálica in der Nähe von Sevilla oder Baelo Claudia bei Bolonia an der Südspitze der iberischen Halbinsel. Auch begegnen wir natürlich der berühmten Dame von Elche und stehen staunend vor dem imposanten römischen Aquädukt von Segovia. Wichtig für Besucher sind die Informationen zu Museen und archäologischen Stätten, die jeweils am Seitenrand angegeben sind. Ein Glossar und ein Literaturverzeichnis schließen das informative und kurzweilige Buch ab.

Natürlich kann die Beschränkung auf 50 Stätten nur eine kleine subjektive Auswahl unter den hunderten präsentieren, die einen Besuch wert sind. Aber das Buch zeigt nicht nur, dass Spanien in jedem Fall viel mehr zu bieten hat als Sonne und Strand und es macht Lust darauf, mehr über die Geschichte Spaniens und die vielen archäologischen Hinterlassenschaften zu erfahren. Und vielleicht gibt es irgendwann einen zweiten Band.

Sabine Panzram, Dominik Kloss
Die 50 bekanntesten archäologischen Stätten in Spanien
176 Seiten, 108 Abbildungen, 2 Karten
geb. € 20,00 (D) / € 20,60 (A)
ISBN: 978-3-96176-180-7

Das Buch ist unter anderem bei Amazon erhältlich. Ein Klick auf das Bild führt direkt dorthin.

San Giovanni Evangelista, Ravenna

Ravenna, ursprünglich direkt an der Adria gelegen, war von 402 bis 476 n. Chr. Hauptresidenz der weströmischen Kaiser. Unter den zahlreichen Bauten, die die kaiserliche Familie in Auftrag gab, befindet sich auch die Basilika San Giovanni Evangelista, das älteste Gotteshaus in Ravenna.

Diese Kirche wurde von Galla Placidia in Auftrag gegeben, der Tochter des byzantinischen Kaisers Theodosius I. 410 n. Chr. gelangte sie, zusammen mit anderen Adligen, bei der Einnahme Roms durch den Westgoten Alarich als Geisel nach Ravenna. Zwar kehrte sie später nach Rom zurück, wurde aber von ihrem Bruder, dem weströmischen Kaiser Honorius 423 n. Chr. nach Konstantinopel verbannt. Nach dem Tod ihres Bruders noch im selben Jahr kehrte sie mit ihren Kindern Honoria und Valentinian nach Ravenna zurück. Zusammen mit ihrem noch minderjährigen Sohn, nun als Valentinian III., regierte sie nun von dort aus das weströmische Reich.

Den Bau einer Kirche zu Ehren des Evangelisten Johannes hatte sie während der Überfahrt nach Ravenna gelobt, als ihr Schiff in einen schweren Sturm geraten war. 425 n. Chr. begannen die Bauarbeiten auf dem Areal der kaiserlichen Residenz, das gleichzeitig nach Norden erweitert wurde. Leider wurde die Kirche in den darauffolgenden Jahrhunderten immer wieder umgebaut, sodass ihr ursprüngliches Aussehen nach und nach verloren ging. 1921 versuchte man dieses weitestgehend wieder herzustellen. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem die Basilika stark beschädigt worden war, wurde sie erneut restauriert.

San Giovanni Evangelista ist eine dreischiffige Säulen-Arkaden-Basilika, die innen 49 x 22 Meter misst. Die Apsis ist außen polygonal ummantelt und liegt zwischen zwei vorspringenden Räumen für die liturgischen Geräte usw. Sie hat unten drei „zugemauerte Fenster“ und darüber sieben Fenster.

Bei den jeweils zwölf Säulen, die die Seitenschiffe vom Mittelschiff trennen, haben wir Spolien vor uns. Sie stammen also aus anderen, älteren Gebäuden und wurden hier wiederverwendet. Die Kämpfersteine, d. h. die obersten Platten der Säulen, wurden dagegen wahrscheinlich speziell für diese Kirche angefertigt. Auch muss man sich klarmachen, dass das Bodenniveau der Kirche ursprünglich einige Meter niedriger lag als heute. Dadurch hat sich die Wirkung des Innenraumes verändert. Ursprünglich war San Giovanni Evangelista auch eine Halle, die über die Seitenschiffe hinausragte, sowie ein fast quadratisches Atrium vorgelagert. Die Reste liegen unter dem heutigen Bodenniveau.

Die ursprüngliche Innenausstattung ist im sogenannten Liber pontificalis ecclesiae Ravennatis (Buch der Bischofskirchen Ravennas) von Andreas Agnellus, einem Priesters aus Ravenna, überliefert. Das in der ersten Hälfte des 9. Jh. entstandene Buch nennt zwei Inschriften in der Apsis, die das Gelöbnis der Galla Placidia enthalten. Außerdem sind einige Bilder überliefert. Eines, an der Apsiswand angebracht, zeigte Petrus, der die Hände ausbreitet, als würde er eine Messe lesen. Daneben gab es Bilder eines Bischofs (Petrus Chrysologos?) sowie von Kaisern und Kaiserinnen und vermutlich auch eine Darstellung der in Seenot geratenen Galla Placidia.

Die heute an den Wänden der Seitenschiffe angebrachten Fragmente eines Mosaikfußbodens stammen aus dem 13. Jh., der Glockenturm war im 10. Jh. n. Chr. hinzugefügt worden.

Literaturauswahl:

  • Wladimiro Bendazzi e Riccardo Ricci, Ravenna. Guida alla conoscenza della città. Mosaici arte storia archeologia monumenti musei, Ravenna, Edizioni Sirri, 1992
  • Luca Mozzati, Ravenna, in: Le grandi città d’arte italiane, Milano, Electa, 2007

Attisch-rotfigurige Malerei (Teil 12)

Theseus und der Minotauros. Attischer rotfiguriger Teller, 520-510 v. Chr. (Louvre G 67)

Zum Abschluss meiner Reihe über rotfigurige Vasenmalerei möchte ich noch auf mythologische Themen eingehen.

Mythos wurde ursprünglich als Geschichte angesehen. Für die antiken Griechen war Mythos nur aus der Gegenwart her zu verstehen. Einerseits war der Inhalt der Mythen relativ statisch, andererseits wurden sie immer wieder neu erklärt und erzählt. Meist identifizierte man sich nur mit Teilen der Mythen. So bezog sich Alexander der Große beispielsweise auf Herakles, Achill und andere Heroen.

Seit dem ausgehenden 6. Jh. v. Chr. kam es zu einer Ausweitung der Sagen um Theseus, eines der legendären Könige von Athen. Im neuen demokratischen Staatswesen stand Theseus für die Stadt Athen in ihrer Gesamtheit. Zunächst wurden vor allem seine Jugendtaten auf seinem Weg nach Athen dargestellt. Seit ca. 510 v. Chr. gibt es allerdings auch Gefäße mit der Darstellung des kompletten Theseus-Zyklus. Zu den bekanntesten Erzählungen aus dem Leben des Theseus gehört sicher sein Kampf gegen den Minotaurus, dem Mischwesen aus Stier und Mensch im Labyrinth auf Kreta (sieh Bild oben).

Eine weitere Episode der Theseus-Sage führt uns dagegen zu einem anderen mythischen Thema, das häufig auf Gefäßen dargestellt wurde: die Amazonomachie, die Kämpfe zwischen Athen und den Amazonen. Zunächst zeigten die Darstellungen die Athener als Aggressoren, z. B. die Entführung der Antiope durch Theseus.

Als Athen 490/480 v. Chr. durch die Perser eingenommen wurde, verschob sich jedoch der Schwerpunkt der Darstellungen zu den Rachezügen der Amazonen gegen Athen nach dem Raub der Schwester ihrer Königin. Im Mittelpunkt stand also jetzt der Abwehrkampf der Athener und der Kampf gegen die Amazonen galt als Vorläufer der Auseinandersetzungen der Griechen mit Nicht-Griechen allgemein bzw. den Persern im Besonderen.

An den Kämpfen gegen die Amazonen war auch Herakles beteiligt. In archaischer Zeit zeigte man sowohl seine physische Kraft als auch sein musisches Talent in der Kunst. Später, Ende des 4. Jh., wurde der musische Aspekt dagegen nicht mehr betont.

Weitere Mythen, die auf die Perserkriege bezogen wurden bzw. durch diese Auseinandersetzungen eine Bedeutungsverschiebung erfuhren, die sich in der Vasenmalerei widerspiegelt, sind die Entführung der Oreithyia, Tochter des Erechtheus, eines mythischen athenischen Königs, durch den Nordwind Boreas in seine Heimat Thrakien sowie Orpheus, der von thrakischen Frauen erschlagen wurde.

 

Hiermit endet meine Reihe über die rotfigurige Vasenmalerei. Zum Abschluss möchte ich noch auf einige Bücher zur Vertiefung des Themas hinweisen, die trotz ihres Alters immer noch Standardwerke sind:

  • John D. Beazley, Attic red-figure vase-painters. 3 Bände. 2nd edition. Clarendon Press, Oxford 1963
  • John Boardman, Rotfigurige Vasen aus Athen. Ein Handbuch. Die archaische Zeit (= Kulturgeschichte der Antiken Welt. Bd. 4). von Zabern, Mainz 1981 (4. Auflage. ebenda 1994)
  • John Boardman, Rotfigurige Vasen aus Athen. Ein Handbuch. Die klassische Zeit (= Kulturgeschichte der Antiken Welt. Bd. 48). von Zabern, Mainz 1991 (2. Auflage. ebenda 1996)
  • Ingeborg Scheibler, Griechische Töpferkunst. Herstellung, Handel und Gebrauch der antiken Tongefäße. 2., neubearbeitete und erweiterte Auflage. Beck, München 1995
  • Erika Simon, Die griechischen Vasen. Aufnahmen von Max Hirmer und Albert Hirmer. 2., durchgesehene Auflage. Hirmer, München 1981

Attisch-rotfigurige Malerei (Teil 11)

Seit der Mitte des 5. Jh. v. Chr. bildete sich der Themenbereich Familie, Hochzeit und Ehe als neuer gesellschaftlicher Schwerpunkt heraus.

Seit dem 5. Jh. v. Chr. erfuhr die Stellung der Frau in der griechischen Gesellschaft offenbar eine Aufwertung. Sie spielte eine wichtige Rolle bei der Verwaltung und Sicherung des Haushalts, des Hausstands und der legitimen Nachkommenschaft. Trotzdem war sie keine Rechtsperson und sie hatte auch nicht die vollen Bürgerrechte. Bei Eheschließungen hatte sie wohl auch nur wenig Mitspracherecht. Sie wurde von ihrem Vater verheiratet, der auch den Ehevertrag und die Mitgift aushandelte.

In der geometrischen Vasenmalerei finden wir Darstellungen von Frauen bei der Prothesis, d. h. der Aufbahrung der Toten, wo Klagefrauen wichtiger Teil des Bestattungskults waren. Auch für Frauen gab es durchaus reich ausgestattete Gräber. Es gab zwar wenige Denkmäler für Frauen im Grabbereich, die vorhandenen sind aber teilweise von hoher Qualität. Zu solchen Grabmälern gehören beispielsweise die sogenannten Koren, Mädchenstatuen (Beispiel Phrasikleia).

Darstellungen von Frauen im häuslichen Bereich sind eher selten. Viele Hydrien, Gefäße, mit denen man Wasser holte, zeigen Frauen, die an einem Brunnen Wasser holen. Unklar ist, ob es sich hier tatsächlich um einen Vorgang aus dem Alltag handelt. Alternativ wurde beispielsweise eine Deutung als kultische Handlung aus dem Totenkult vorgeschlagen. Szenen, die in jedem Fall aus dem häuslichen Bereich stammen, sind dagegen das Spinnen und Weben.

Daneben wurde auch der Hochzeitszug dargestellt, wobei anfangs der Wagen mit dem Brautpaar im Mittelpunkt stand. Seit dem 5. Jh. v. Chr. kommen andere Themen aus dem Hochzeitszug auf, z. B. die Loutrophoros, ein Gefäß für das Wasser des Hochzeitsbades, das der rituellen Reinigung der Brautleute diente. Oder man zeigt die Vorbereitung des Hochzeitsbettes. Der Hochzeitszug selbst wird im 5. Jh. nur noch selten dargestellt.

Weitere Themen aus dem realen Leben, die auf rotfigurigen Vasen dargestellt werden, sind Szenen aus Handwerk (Schmiedehandwerk, Töpfer, Erzgießerei usw.) und Landwirtschaft. Diese sind wertvolle Quellen für die Erforschung und Rekonstruktion von Leben und Arbeit niedrigerer Gesellschaftsschichten.

(Fortsetzung folgt…)

Attisch-rotfigurige Malerei (Teil 10)

Ein Themenbereich, der besonders häufig auf rotfigurigen Vasen in Museen zu sehen ist, ist das Gelage (Symposion) mit all seinen Facetten. Während bei Homer die Mahlzeiten noch im Sitzen eingenommen wurde, übernahm man seit dem Ende des 7. Jh. v. Chr. die orientalische Sitte des Lagerns auf einer Kline. Das früheste Beispiel aus Griechenland stammt aus dem Ende des 7. Jh.: die Geneleos-Gruppe aus Samos. Auch in Heiligtümern usw. gab es öffentliche Speisungen (z. B. in der Kultstätte der Artemis in Brauron an der Ostküste Attikas), die nun ebenfalls im Liegen stattfanden.

Gelage gehörten zu den wichtigsten Ausprägungen der aristokratischen Lebensform in archaischer Zeit. Mit der Einführung des Lagerns ergaben sich auch Änderungen der Sitten. Man trennte nun strikt zwischen Essen und Weintrinken. Es gab besondere Räume mit exzentrisch angelegter Tür. Der Teilnehmerkreis war mit 3 bis 9 Personen immer überschaubar. Nach dem Essen wurden die Tische abgeräumt und es begann das Trinkgelage. Man bestimmte einen Leiter des Symposions, das nicht nur dem Vergnügen galt. Es war ein Ort für Diskussionen, Spiele, Rätsel und Gedichte. Beliebt war z. B. das Geschicklichkeitsspiel Kottabos, bei dem es darum ging, auf dem Sofa liegend, die letzten Tropfen Wein aus einer Trinkschale nach einer anderen Schale so zu schleudern, dass nichts vergossen wurde. Was logischerweise mit zunehmendem Alkoholgenuss schwieriger wurde.

Gleichzeitig gehörte das Symposion zum Kult des Dionysos, denn Wein galt als Geschenk dieses Gottes. Übrigens mischte man Wein in der Antike mit Wasser, da er sonst zu dickflüssig war. Der Krater, das typische Mischgefäß, stand in der Mitte – zusammen mit weitere Krateren für Zeus, Heroen usw. Die Darstellungen zeigen auch die „Nebenwirkungen“ des Weingenusses, z. B. exzessive Vergnügungen wie der Zug der Betrunkenen durch die Stadt, aber auch sich übergebende Symposion-Teilnehmer.

Und vor allem durfte auch das sexuelle Vergnügen nicht zu kurz kommen. Ehefrauen durften allerdings nicht teilnehmen. Zugelassen waren nur Hetären und Knaben. Hetären waren weibliche Prostituierte, die im Gegensatz zu normalen Prostituierten sozial anerkannt waren. Sie waren gebildet, betrieben gewerbsmäßig Musik, beherrschten die Kunst des Tanzes und des Gesangs.

Die Teilnahme von Knaben am bringt uns zur sozialen Institution des Päderasmus in Athen, der Knabenliebe. Die Knaben wurden von älteren Männern in gesellschaftliche Normen und Gebräuche eingeführt. Seit der 2. Hälfte des 6. Jh. bzw. dem Beginn des 5. Jh. sind entsprechende Darstellungen stark in der Vasenmalerei repräsentiert. Diese homoerotischen Beziehungen unterlagen allerdings strengen Regeln. Sie waren immer einseitig, wobei der Ältere der Aktive war. Der Jüngere durfte diese Liebe nicht erwidern und die Beziehung war nur erlaubt, bis der Jüngere in die Welt der Erwachsenen aufgenommen worden war. Denn homoerotische Beziehungen zwischen zwei Erwachsenen galten als anstößig.

(Fortsetzung folgt…)

Attisch-rotfigurige Malerei (Teil 9)

Ein Bereich der griechischen Gesellschaft, der seit der Frühzeit eine große Bedeutung hatte, ist die Athletik. Das sportliche Training galt zum einen als Vorbereitung auf den Krieg. Zum anderen zeigt sich hier der agonale Charakter der griechischen Gesellschaft besonders gut, d. h. ihre Vorliebe für Wettkämpfe. So gab es schon früh Wagen- und Pferderennen (ohne Steigbügel und Sattel). Der Sieger war dabei übrigens nicht der Wagenlenker oder der Reiter, sondern der Besitzer der Pferde. Daneben maß man sich in Wettrennen, Waffenläufen, Speerwurf, Diskuswurf, Weitsprung, Boxen, Ringen und dem Pankration, einer Mischung aus Boxen und Ringen.

Neben diesen Wettkämpfen finden wir auf griechischen Vasen Darstellungen des Gymnasion, in dem die vornehme griechische Jugend trainierte. Der durchtrainierte und „schöne“ Männerkörper galt als gesellschaftliches Vorbild. In der Großplastik spiegelt sich dies in den Kouroi als Grabstatuen wider.

Seit etwa 440 v. Chr. gingen die Athletendarstellungen allerdings stark zurück.

Ein weiteres Privileg der adligen Gesellschaftsschicht war zu allen Zeiten die Jagd, in der man sich idealerweise auch im persönlichen Kampf gegen wilde Tiere beweisen musste. Bei den entsprechenden Darstellungen standen die aristokratischen Elemente im Verlauf der Zeit immer stärker im Vordergrund.

Auf den rotfigurigen Vasen finden wir die Jagd und andere aristokratische Themen bis etwa 480 v. Chr.

 

(Fortsetzung folgt…)

Attisch-rotfigurige Malerei (Teil 8)

Um 500 v. Chr. finden wir erste Darstellungen historisch-politischer Themen in Athen. Dabei handelte es sich jedoch vor allem um große Monumente, wie z. B. die sogenannte Tyrannenmörder-Gruppe. In der Kleinkunst kommen diese Themen dagegen nur sehr selten vor. Erst mit den Perserkriegen finden wir historische Themen auf Gefäßen, den sogenannten Perserkampf-Vasen. Gleichzeitig wird nun auch die Vorgeschichte der persischen Expansion dargestellt. Ein Beispiel ist die „Myson-Amphora“ in Paris: Die Vorderseite zeigt den Tod des Kroisos auf dem Scheiterhaufen. Die Rückseite zeigt den Raub der Amazone Antiope, der als mythischer Prototyp der Perserkämpfe galt.

Nach 480 v. Chr. wurde die Tyrannenmörder-Gruppe, die in den Perserkriegen verloren gegangen war, neu geschaffen. Diese Neuaufstellung findet auch in der Vasenmalerei ihren Niederschlag. Es bleibt jedoch eine Seltenheit, dass fast zeitgenössische Ereignisse auf Vasen dargestellt werden.

Auch Personifikationen abstrakter politischer Begriffe kommen im 5. Jh. v. Chr. auf Vasen auf und vor allem im letzten Viertel des 5. Jh. finden wir zahlreiche Personifikationen, z. B.:

Keine der Figuren wäre ohne die dazugehörigen Namensbeischriften eindeutig identifizierbar. Die Motive sind noch nicht kanonisiert und die Figuren daher austauschbar.

Weitere politische Motive waren die Phylenheroen. Ein Grieche war nicht nur Teil der Bürgerschaft eines Stadtstaates, sondern gehörte auch zu einer Phyle, einem Stamm. Unter Kleisthenes wurde dieses System 508/507 v. Chr. reformiert. Die zehn Phylen Attikas wurden nach bekannten attischen Heroen benannt, die seit der Zeit dieser Reformen auch als Figuren des Mythos dargestellt wurden, auch auf Vasen.

(Fortsetzung folgt…)

Attisch-rotfigurige Malerei (Teil 7)

Seite A von einer attischen rotfigurigen Bauchamphora, 510-500 v. Chr. (Staatliche Antikensammlung München, Inv. 2308)

 

Neben den Motiven Reiter, Pferd und Streitwagen zeigten rotfigurige Gefäße auch Bewaffnung und Szenen aus dem Krieg. Ursprünglich kämpfte man einzeln. Später gab es geschlossene Schlachtreihen sogenannter Hopliten. Alle anderen Waffengattungen waren offenbar nur noch von untergeordneter Bedeutung. Trotzdem wurde diese geschlossene Hoplitenreihen selten dargestellt. In der Regel wurden weiterhin Einzelkämpfe gezeigt. Es scheint, dass trotz Phalanxtechnik der eigentliche Kampf immer noch als Einzelkampf stattfand. 

Bei den Kampfszenen ging es vor allem darum, Bewährung und Leistung der Jugend im Kampf hervorzuheben. Krieg war in der archaischen Zeit eher nicht politisch. Meistens ging es in den Kämpfen um Land oder um Ruhmgewinn von einzelnen Adligen und ihren Gefolgsleuten. Erst mit der Vertreibung der Tyrannen beginnen politische Kriege.

Interessant ist die Darstellung von fremden Völkern in Kriegsszenen. Ab ca. 530 v. Chr. findet sich beispielsweise oft das Motiv eines skythischen Bogenschützen. Es scheint sich um Söldner zu handeln, wofür Darstellungen sprechen, in denen Skythen und Hopliten nebeneinander kämpfen.

In der nächsten Generation finden wir dann eine andere Situation vor. Im 5. Jh. werden normale Kampfszenen immer seltener, obwohl es gerade in dieser Zeit relativ viele Kriege gab. Gleichzeitig hört die Einbeziehung von Skythen in die Darstellungen auf. Eine mögliche Erklärung ist, dass sie eine ähnliche Kleidung trugen wie die Perser, die seit 490 v. Chr. als Erzfeinde der Griechen galten. Fremde Völker wie die Skythen galten in jedem Fall als Gegenbild zu Griechen, die sich und ihre Kultur als Gegensatz zu den „barbarischen“ fremden Kulturen sahen.

Es gab allerdings Gefäße mit Darstellungen von Kämpfen gegen Perser. Diese zeigen fast nie unterlegene Griechen. Eine der wenigen Ausnahmen ist das Fragment eines Rhyton aus der Mitte des 5. Jh. (Paris). Hier sind die Perser deutlich überlegen dargestellt. Dies könnte mit dem Fundort Memphis in Ägypten zusammenhängen. Das Gefäß war also möglicherweise für den orientalischen Markt geschaffen worden.

Mit der zeitlichen Entfernung von den Perserkriegen änderten sich auch die Kampfszenen auf den Vasen wieder und das Perserbild wurde wieder ausgewogener. Die griechischen Kämpfer wurden nun nackt dargestellt. Es ging dabei wohl darum, den idealen, athletischen Körper als Symbol für das Ideal des Kriegers zu zeigen.

Weitere Darstellungen aus dem Bereich des Krieges sind der Auszug in den Krieg verbunden mit dem Abschied von der Familie sowie der Rücktransport der Toten.

 

(Fortsetzung folgt…)

Attisch-rotfigurige Malerei (Teil 6)

Leagros-Schale: Reiter. Inschrift: ΛΕΑΓΡΟ[Σ] ΚΑ[Λ]ΟΣ (»Leagros ist schön«). Tondo von einer attischen rotfigurigen Kylix, 510-500 v. Chr. Aus Vulci.
Kachrylion (Töpfer); Euphronios (Maler)

Nachdem wir uns in den vorangegangenen Artikeln dieser Reihe über attisch-rotfigurige Malerei eher allgemeinen Themen gewidmet haben, werden wir uns in den nächsten Blogbeiträgen mit den Motiven beschäftigen, die auf den Gefäßen dargestellt sind.

Beginnen wir mit dem Motiv „Reiter und Pferd“. Pferd und Wagen waren seit dem 2. Jahrtausend v. Chr. Symbole für die Aristokratie. Beide waren zunächst auch im Krieg von Bedeutung. Später waren sie allerdings nur noch reines Standessymbol, z. B. im religiösen Bereich. Beispielweise bei Wettkämpfen oder im Bestattungsritus. Sogar das Auf- und Abspringen des bewaffneten Kriegers vom fahrenden Wagen, während der Wagen selbst vom Lenker weitergefahren wurde, wurde in Wettkämpfen ritualisiert: im Apobatenlauf im Rahmen der Panathenäischen Spiele.

Als sich die Kriegsführung wandelte und der Wagen für den Kampf zu schwer wurde bzw. nicht mehr wendig genug war, nahm die Bedeutung der Reiter zu. Beim Ritterstand handelte es sich um Großgrundbesitzer, die Pferde züchten konnten. Nach und nach bildete sich ein Reiteradel aus, der in verschiedenen Kampftechniken ausgebildet war. Aber schon im 6. Jh. v. Chr. hatte auch der Kampf zu Pferd an Bedeutung verloren. Zwar kamen immer noch kleinere Reitergruppen im Krieg zum Einsatz, aber am wichtigsten war nun die Phalanx, eine dichtgeschlossene, lineare Kampfformation Schwerbewaffneter zu Fuß.

Unabhängig von der Nutzung im Krieg waren Pferde aber zum Standessymbol des alten Landadels geworden. Pferde waren jetzt reiner Luxus und wurden für repräsentative Zwecke genutzt. Beispielsweise beim Zug der Panathenäen oder, wie schon die Wagen, bei Agonen (Wettkämpfen). Viele der Namen, die aus der griechischen Antike überliefert sind, sind mit „ippos“ (Pferd) zusammengesetzt, z. B. Philippos oder Hipparchos. Seit den Reformen Solons setzte sich der Ritterstand jedoch nicht mehr nur aus dem reinen Grundbesitzadel zusammen, sondern war nun an das Einkommen gebunden.

Besonders häufig sind die Motive Pferd und Reiter im späten 6. und frühen 5. Jh. v. Chr. In der Blütezeit des demokratischen Athen finden wir also in der Vasenmalerei aristokratische Standessymbole. Ab der Mitte des 5. Jahrhunderts nahmen diese Motive auf den Gefäßen jedoch ab.

 

Beispiele:

(Fortsetzung folgt…)

Attisch-rotfigurige Malerei (Teil 5)

rotfiguriger Krater (Louvre CA3482)

Töpferwerkstätten arbeiteten in der Regel für den lokalen Markt. Die Produktion reichte dabei von Prunkgefäßen bis zu Gebrauchskeramik. Der Verkauf erfolgte direkt in der Werkstatt oder auf dem Markt. Auch der Verkauf an temporären Ständen bei Festen aller Art kam infrage. Es handelte sich dabei in der Regel nicht um Auftragsarbeiten.

Daneben arbeiteten die Töpferwerkstätten mit Händlern zusammen, über die Keramik auch exportiert werden konnte. Manchmal scheint der Export eine der wichtigsten Einnahmequellen gewesen zu sein. Denn einige Töpfer orientierten sich mit ihren Gefäßen am Geschmack eines bestimmten Exportgebietes, z. B. der Töpfer Nikosthenes. Die Form seiner Amphoren, die nach Etrurien exportiert wurden, ist der etruskischen Bucchero-Keramik entlehnt. Diese sogenannten nikosthenischen Amphoren wurden nur im Westen gefunden. Auch bestimmte Motive wurden ausschließlich für den Export gemalt. So findet sich das Aeneas-Motiv bisher nur in Westgriechenland.

Auch wenn die meisten bemalten Vasen in Gräbern oder Heiligtümern gefunden wurden, wurden sie natürlich auch bei anderen Gelegenheiten genutzt. Verschiedene Formen von Krateren und Amphoren, der Skyphos, die Kylix, der Psykter usw. stammten aus der Symposion-Kultur. Bei Hochzeiten wurden Loutrophoros oder Lebes gamikos verwendet. Außerdem gab es Formen, die mit bestimmten Kulten verbunden waren, z. B. panathenäische Preisamphoren, der Kantharos (Dionysos-Kult) oder der Stamnos (Lenäen). Für den Grabkult wurden besonders großen und prunkvolle Gefäße verwendet und teilweise sicher speziell für diesen Zweck hergestellt.

Die Bemalung zeigt oft einen engen Zusammenhang mit der Funktion des Gefäßes. Dies zeigt sich wiederum im Grabkult, z. B. bei speziellen Grab-Loutrophoren oder weißgrundigen Lekythoi. Einige Motive orientieren sich aber auch am Geschmack der Nutzer.

 

(Fortsetzung folgt…)

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