Kategorie: Römer Seite 19 von 22

Römische Glastechnik

Mit der römischen Besatzungsmacht kamen auch die ersten Gläser ins Rheinland. Und schon bald entstand hier eine eigene qualitätvolle Glasproduktion, die weithin gehandelt wurde.

Als Rohstoffe verwendete man Quarzsand, der im Rheinland in vielen Gegenden in fast weißer Farbe zur Verfügung stand, gemischt mit Soda, Kalk und Metalloxyden. Diese Bestandteile verbanden sich unter Hitzeeinwirkung zu einer flüssigen Masse. Dabei senkte Soda den Schmelzpunkt und Metalloxyde sorgten für unterschiedliche Farben.

Zum Schmelzen der Glasmischung erhitzte man den Ofen auf 1300 bis 1500 Grad Celsius; die Verarbeitung erfolgte bei 800 bis 1200 Grad.

Die Ursprünge der Glasherstellung liegen im Orient, wo es bereits im 4. Jahrtausend v. Chr. Glasglasur gab. Später folgten Glasperlen und Gefäße aus Glas. Die frühesten Glasgefäße entstanden im 2. Jahrtausend v. Chr. in Ägypten in der sogenannten Sandkerntechnik: ein Kern aus Sand wurde mit flüssiger Glasmasse überzogen und nach Erkalten des Glases wieder entfernt. Schalen wurden dagegen oft in die gewünschte Form gepresst.

Die wichtigste Neuerung bei der Glasherstellung war jedoch die Glasmacherpfeife, die im 1. Jahrhundert aufkam. Der Glasbläser bläst einen Tropfen der geschmolzenen Glasmasse zur gewünschten Größe auf und kann mit Hilfe von Zangen, Modeln usw. die Form der Masse verändern. Diese neue Technik machte die Formenvielfalt der antiken Gläser, die wir heute in so vielen Museen bewundern, erst möglich. Im Laufe der Zeit entstanden immer raffiniertere Gefäße: Gläser mit Dellen oder Noppen, mit Rillen oder plastischem Dekor, geschliffen, gefärbt, bemalt oder mit Goldauflage.

Eine besonders faszinierende Form sind die sogenannten römischen Diatretgläser: doppelwandige, meist glockenförmige Gefäße, deren äußere Wand netzförmig durchbrochen ist. Bis heute streitet man darüber, ob diese Wandform herausgeschliffen wurde oder durch Pressung entstand.

Die weltweit größte Sammlung römischer Glasexponate findet man im Römisch-Germanischen Museum in Köln. ( Fotos siehe http://www.jugendheim-gersbach.de/Jugendheim-Gersbach-Glashuetten-Glas-4-Rom.html)

 

Reisetipp: Archäologiepark Römische Villa Borg, 66706 Perl-Borg

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Beim Rundgang durch den archäologischen Park Villa Borg kann der Besucher das Leben auf einem römischen Gutshof, einer villa rustica, nachempfinden. Die Rekonstruktionen wurden auf den antiken Fundamenten der villa rustica errichtet, die seit 1987 systematisch ausgegraben wird.

Die um 1900 entdeckte Villa gehört zu den größten Gutshöfen im Gebiet von Mosel und Saar und erhob sich über keltischen Vorgängerbauten. Ausgegraben wurde bisher das Herrenhaus mit dem dazugehörigen Bad, der Küche und dem Torgebäude, das diesen Herrschaftsbereich (pars urbana) von dem vorgelagerten Wirtschaftsbereich (pars rustica) trennt. Dieser Wirtschaftsbereich konnte aufgrund von oberirdisch sichtbaren Geländemerkmalen vermessen werden und die Grabungen im Bereich der Villa werden in den nächsten Jahren sicher genauere Erkenntnisse über die Funktion der einzelnen Gebäude erbringen.

Für die Rekonstruktion der pars urbana wurden neben den Grabungsergebnissen auch Vergleiche mit anderen römischen Villen hinzugezogen. Trotzdem bleibt eine solche Rekonstruktion natürlich immer eine Hypothese. Für den Besucher ist dies jedoch die beste Möglichkeit, einen Einblick in das Leben der Bewohner zu bekommen.

Der Eingang zum archäologischen Park mit Kasse und Buchladen befindet sich im Torgebäude. Der ursprüngliche Eingang lag weiter westlich. Das Herrenhaus und die angrenzenden Gebäude zeigen zum einen rekonstruierte Räume, wie den Empfangssaal und die Küche, oder das Bad einschließlich Latrine. Andere Räume wiederum dienen als Museum für die Funde aus den Grabungen oder als Veranstaltungssäle. Auch eine Taverne gibt es, in der man sich unter anderem mit typisch römischen Gerichten und Mulsum, einem Getränk aus Weißwein, Honig und Gewürzen, auch kulinarisch in die Zeit der Römer versetzen lassen kann.

Adresse:
Archäologiepark Römische Villa Borg
Im Meeswald 1
66706 Perl-Borg

Telefon: 06865 – 9117-0
Fax: 06865 – 9117-17
email: info@villa-borg.de

Weitere Infos: http://www.villa-borg.de/

Literatur: B. Birkenhagen, Die römische Villa Borg. Ein Begleiter durch die Anlage (Merzig 2012)

 

Reisetipp: Römische Villa Echternach, Luxemburg

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Bei Echternach, gleich hinter der deutsch-luxemburgischen Grenze, liegt eine der größten römischen Villae Rusticae im Nordwesten des römischen Reiches.

Das 118 x 62 m große Haupthaus besaß allein im Erdgeschoss 40 bzw. später 70 Räume und war reich ausgestattet mit Marmorwänden und Mosaikfußböden. Von den zur Villa gehörenden Wirtschaftsgebäuden konnten bisher etwa zehn nachgewiesen werden. Ausgegraben wurde allerdings nur das Haupthaus, dessen Grundriss für Besucher sichtbar gemacht wurde. Neben den Grundmauern sind auch Keller und Innenhöfe, ein Wasserbecken und die Fußbodenheizung zu sehen.

Infotafeln mit Plänen sowie ein Museum mit Modellen der Bauphasen veranschaulichen die Entwicklung der Villa von ihren Anfängen im 1. Jahrhundert bis zur Aufgabe des Hofes im 5. Jahrhundert. Nachbildungen verschiedener Räume geben außerdem einen Einblick in das Leben der Bewohner.

 

Adresse
47a, rue des Romains
L-6578 Echternach
Tel: +352 26 72 09 74

Eintrittspreise
Erwachsene: 1,50 €
Familien: 2,00 €
Gruppen ab 10 Personen: 1,00 € Pers.
Senioren: 1,00 €
LuxembourgCard: gratis
Schulklassen: gratis
Führungen: 60 €
Reservierungen
Tel.: (+352) 47 93 30-214
service.educatif@mnha.etat.lu

 

Weitere Informationen, auch über die Öffnungszeiten: http://www.mullerthal.lu/de/node/112?item=247

Akademisches Kunstmuseum der Universität Bonn

Das Akademische Kunstmuseum, die Antikensammlung der Universität Bonn, zeigt Gipsabgüsse von 300 ausgestellten Statuen und 200 Reliefs sowie 2000 originale antike Werke. Eine kurze Einführung in die Geschichte der Sammlung und die ausgestellten Stücke findet man auf der frisch überarbeiteten Website des Museums. Die Website informiert auch über aktuelle Ausstellungen und die Themen der Führungen, die Studenten des Archäologischen Instituts der Universität Bonn sonntags anbieten. Einige Seiten der Website wurden inzwischen auch ins Englische und Spanische übersetzt.
Adresse:

Antikensammlung der Universität Bonn
Am Hofgarten 21
53113 Bonn
Öffnungszeiten:

Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag 15 – 17 Uhr
Sonntag 11 – 18 Uhr
An Feiertagen geschlossen. Antikensammlung der Universität Bonn

http://www.antikensammlung.uni-bonn.de/

Raschpëtzer Tunnel, Walferdange, Luxemburg

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Hinter einigen unscheinbaren Betontrommeln im Helmsinger Wald bei Walferdange in Luxemburg verbirgt sich ein herausragendes Beispiel römischer Ingenieurleistung: der Raschpëtzer Tunnel, eine unterirdische Wasserleitung im Qanatverfahren.

„Das Qanatverfahren, auch Lichtlochverfahren genannt, besteht darin, senkrechte Schächte in regelmässigen Abständen bis zum gleichen Niveau abzuteufen und diese dann in einer zweiten Etappe unterirdisch mit einem horizontalen Stollen zu verbinden. Die gesamte Trasse wird somit in eine Vielzahl von einzelnen Baulosen aufgeteilt. So wird einerseits das Risiko, respektiv die Auswirkungen von vermessungstechnischen Orientierungsfehlern beim unterirdischen Vortrieb gemindert, andererseits wird durch die Möglichkeit des gleichzeitigen Vortriebs an vielen Stellen die Gesamtbauzeit des Tunnels erheblich verkürzt.“ (P. Kayser/G. Waringo, L’aqueduc souterrain des Raschpëtzer, un monument antique de l’art de l’ingénieur au Luxembourg. Die unterirdische Wasserleitung der Raschpëtzer, ein Monument antiker Ingenieurbaukunst aus Luxemburg (St. Paul Lucemburg 2002) S. 2)

Der etwa 600 m lange Raschpëtzer Qanat sammelte das Schichtenwasser und leitete es zu einer oder mehreren Villen im Alzettetal. Ein Rundweg führt Besucher zu den verschiedenen gefundenen Schächten, die eine Tiefe von bis zu 35 Metern ereichen. Einige Schächte haben Fenster im Deckel und erlauben einen Blick in die Tiefe. An einer Stelle wurde der Übergang eines Schachts zum Leitungsstollen für Besucher zugänglich gemacht. Außerdem stehen immer wieder Informationstafeln am Weg.

Insgesamt gibt die Anlage gibt einen Einblick in die beeindruckenden Fähigkeiten römischer Ingenieure.

Weitere Infos (inkl. Fotos):
http://www.visitluxembourg.com/de/ansicht/misc/gallo-romische-statte-raschpetzer-walferdange
www.sitwalfer.lu/reimerpad.pdf
http://www.sitwalfer.lu/Raschpetzer.html (hier kann man auch die oben zitierte ausführliche Broschüre als PDF herunterladen)

Römische Villa mit Mosaikfußboden in D-66709 Perl-Nennig

In Perl-Nennig, etwa 40 Minuten von Trier entfernt, findet man eine Perle unter den erhaltenen römischen Villen. Hinter einem unscheinbaren Eingang in der Römerstraße 11 verbirgt sich einer der größten römischen Mosaikfußböden nördlich der Alpen. Es wurde 1852 zufällig von einem Landwirt gefunden und an seinem originalen Fundort unter einem Schutzbau der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Das etwa 15 x 10 m große Mosaik aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. befand sich in der zentralen Empfangshalle einer Villa urbana, deren Reste später ebenfalls ausgegraben wurden. Die Ausmaße der Villa sind riesig: allein der Hauptbau der Villa vom Typ einer Portikusvilla mit Eckrisaliten war 140 m breit. Zur Villa gehörte außerdem ein großes Badegebäude, zu dem ein 250 m langer überdachter Säulengang führte, sowie ein 500 m von der Villa entfernter Grabhügel. Auch die Maße dieses Tumulus mit ca. 45 m Durchmesser und 10 m Höhe sind außergewöhnlich. Wann die Villa errichtet wurde und wer sich diesen Prachtbau bauen ließ, konnte bis heute nicht geklärt werden. Sicher ist nur, dass die Villa im Laufe der Zeit mehrfach umgebaut wurde.

Doch zurück zum Mosaik: Es umfasst ein Wasserbecken und besteht größtenteils aus ornamentalen Feldern, die durch Flechtbänder von einander abgegrenzt sind. Daneben gibt es aber auch sechs Achtecke und ein Rechteck mit Szenen aus der römischen Arena:
– Kampf zwischen Tiger und Wildesel
– Ein Sklave führt einen Löwen aus der Arena, der einen Esel getötet hat
– Drei Menschen kämpfen gegen einen Bären
– Ein Speerwerfer hat einen Panther getroffen
– Zwei Männer kämpfen mit Stock und Peitsche gegeneinander
– Gladiatorenkampf
– Ein Orgelspieler und ein Tubaspieler aus dem Rahmenprogramm

 

Vom Rest der Villa kann der Besucher zu beiden Seiten des Schutzbaus einige Teile sehen und am südlichen Ortseingang von Nennig liegt der erwähnte Grabhügel, in dem man eine Urne aus Glas, Gefäße aus Ton und ein Schwert fand.

Adresse:

Römerstraße 11
66706 Perl-Nennig

Weitere Informationen:
http://www.nennig.de/sehenw/nennig.html
http://www.tourismus.saarland.de/de/roemische-villa-nennig-saarland

Reisetipp: Archäologischer Park Egnazia in Süditalien (Teil 6)

Das Museum

Den Abschluss unseres Ausflugs nach Egnazia bildet das Museum des archäologischen Parks. Die Dauerausstellung bietet ein komplettes Bild der Geschichte und Topographie der Stadt mit Zeichnungen, Plänen, Photographien, Fragmenten von Architektur und Mosaiken. Ausgestellt sind einige Grabausstattungen messapischer Gräber aus dem 4.-3. Jh. v. Chr. aus der West-Nekropole. Außerdem Urnen der römischen Nekropole, das Mosaik mit der Darstellung der 3 Grazien, Fußbodenmosaike der Bischofsbasilika und der Süd-Basilika, sowie verschiedene christliche Öllampen.

Im Museum befindet sich auch eines der in den Tuff eingegrabenen Kammergräber, die sog. „Tomba delle melagrane“ aus der 2. Hälfte des 4. Jh. v. Chr.: es besteht aus einem Vorraum, einem Teil unter freiem Himmel und der eigentlichen Grabkammer, die mit Stuck überzogen und mit vegetabilen und architektonischen Motiven bemalt ist. Man betritt das Grab durch eine 2-flügelige Tür.

Ein wichtiges Thema des Museums ist natürlich auch die sogenannte Gnathia-Keramik. Der Begriff Gnathia-Keramik geht auf Minervini zurück, der diesen Keramiktyp als erster untersuchte und glaubte, dass er in Egnazia hergestellt wurde. Heute weiß man, dass Egnazia nur einer unter vielen Fundorten dieser Keramik ist. Der Namen jedoch wurde beibehalten.

Diese Keramik hängt von der großgriechichen Keramik ab, wobei sie von dieser die bekanntesten und einfachsten Formen übernommen hat: Oinochoe, Pelike, Skyphos, Amphore, Glockenkrater, Kantharos, Krateriskos, Schüssel, halbkreisförmige Schale und Teller. Von der apulischen einheimischen Keramik finden wir die charakteristische messapische trozzella (= Nestoris).

Bei der Gnathia-Keramik ist die gesamte Oberfläche des Gefäßes mit einem schwarzen, glänzenden Firnis überzogen. Auf diesem sind anfangs mit weißer Farbe figürliche Szenen gemalt: Gruppen von maximal 2 oder 3 Figuren aus dem dionysischen Bereich. Die figürlichen Szenen verschwinden schnell und werden durch vegetabile Motive in weißer u. gelblicher Farbe ersetzt: Pflanzen, Ranken, Blumen, horizontal oder mäander- oder wellenförmig gemalt, Ketten mit hängenden Blättern, Efeugirlanden usw. Ein charakteristisches Motiv ist eine horizontale Girlande mit vertikalen Verzweigungen aus Weinblättern, -ranken und -trauben.

Diese Technik imitiert die apulisch rotfigurige Keramik und wurde seit dem Ende des 4. Jh. v. Chr. in fast ganz Süditalien benutzt. Ähnliche Produkte gibt es auch in anderen Orten Italiens vom Gebiet der Etrusker bis Sizilien. Aufgrund der jüngsten Forschungen kann man heute sagen, dass eine Herstellung in Egnazia nicht ausgeschlossen werden kann, dass aber Tarent der Ursprungsort war und dort wohl auch der größte Teil dieser Keramik hergestellt wurde. Erst später wurde auf der ganzen salentinischen Halbinsel viel produziert.

Die Chronologie der Gnathia-Keramik ist umstritten. Ihre größte Blüte lag in der 2. Hälfte des 4. Jh. und zu Anfang des 3. Jh. v. Chr.; danach folgte der Niedergang bis zum Ende des 3. Jh. Zur letzten Phase gehört eine Dekoration in glanzloser Farbe, zum Schluss nur noch weiß.

Reisetipp: Archäologischer Park Egnazia in Süditalien (Teil 5)

Die Ausgrabungen in Egnazia werden sicher noch einige Jahre weitergehen, aber was bisher ausgegraben wurde, kann man in einem archäologischen Park besichtigen, zu dem auch ein kleines Museum gehört.

Im Folgenden eine Auswahl der sichtbaren Befunde:

Befestigungsmauern

Die erste Verteidigungsanlage wurde zwischen dem 13. und 12. Jh. v. Chr. auf der sog. Akropolis errichtet. Sie besteht aus einem Wall, der die Siedlung auf der Landseite schützt. Von diesem Wall wurden nur die beiden äußersten Enden gefunden.

Der Mauerring der endgültigen Verteidigungsanlage präsentiert sich noch heute an einigen Stellen mit bis zu mehreren Metern Höhe. Sie hat eine Gesamtlänge von 1692 m und umgibt ein Gebiet von 402.000 qm. Die Mauer umgab nicht nur Wohnviertel und verstreute Häuser, sondern auch eine breite freie Zone, die im Kriegsfall Menschen, Vieh, Felder usw. aufnehmen konnte, so dass man auch einer langen Belagerung standhalten konnte. Diese Fläche der Stadt wurde bis zur Zerstörung Egnazias nicht mehr verändert, d. h. fast ein Jahrtausend!

Hafenanlagen

Die Küste bot ursprünglich 5 Ankerplätze, von denen 3 innerhalb und 2 außerhalb der Stadtmauern lagen. Es handelte sich um kleine Buchten, von denen sich die tiefste und breiteste im Südosten der sogenannten Akropolis befand, wo auch die älteste Siedlung lag. Diese Bucht diente vermutlich als Hafen des messapischen Egnazia, da sie aufgrund der Tiefe des Einschnitts auch ohne Befestigungs- oder Schutzanlagen den Booten ziemliche Sicherheit bot. Man fand Spuren kleiner künstlicher Vertiefungen mit rechteckigem Grundriss, die wohl dazu dienten, die Schiffe aufzunehmen.

Unter der römischen Herrschaft genügte der alte Ankerplatz irgendwann nicht mehr. Hinzu kamen Veränderungen der Küstenlinie: zwischen 4. Jh. v. und 1. Jh. n. Chr. hob sich der Meeresspiegel um 3,58 m. Man baute daher in der Bucht nordwestlich der Akropolis einen neuen, größeren Hafen, während der alte Ankerplatz vielleicht weiterhin, zumindest zeitweise, für Fischerboote genutzt wurde. Das Becken des neuen Hafens war durch Mauern und durch Molen, die zwei Felsvorsprünge verlängerten, geschützt. Die zwei Molen schlossen ein etwa 16.000 qm Hafenbecken bogenförmig ab und ließen im Osten eine 40 m breite Einfahrt frei.

Das sogenannte Forum

In seiner gesamten Ausdehnung stellt dieser Platz ein unregelmäßiges Viereck dar und besteht aus einem 17,5 m x 23,25 m großen Hof, der von einer Quadriportikus mit dorischen Säulen umgeben ist, deren Fußboden aus großen Platten aus lokalem Tuffstein bestand. Ein großer, verkleideter viereckiger Sockel aus opus caementicium in der nördlichen Portikus wird von einigen Forscher als Rest einer Rednertribüne gedeutet. Entlang der Ränder des Platzes verläuft ein kleiner Kanal, der das Wasser sammelte und in eine Zisterne im Nordwesten der Anlage leitete. Es ist umstritten, ob es sich hier um das Forum Egnazias handelte oder um einen Markt. In jedem Fall stammt die Anlage aus der spätrepublikanischen Zeit. Daneben befindet sich eine ellipsenförmige Anlage aus spätrepublikanischer Zeit, deren Deutung umstritten ist. Es könnte sich um einen Markt handeln.

L-förmige Portikus

Im 4.-3. Jh. v. Chr. wurde über früheren Anlagen eine L-förmige oder quadratische dorische Portikus errichtet, die vielleicht eine hellenistische Agora begrenzte. Die Portikus endete im Norden mit den Resten eines großen Gebäudes, vielleicht eine hellenistische Basilika.

Die Ostwand der Portikus ist mit der augusteischen Basilika gemeinsam. Als im 2. Jh. n. Chr. die Via Traiana ausgebaut wurde, wurden einige ältere Anlagen umgebaut oder zerstört, so auch die L-förmige Stoa, deren Westseite von der Via Traiana beschnitten wird und deren innere Portikus in kleine Geschäfte (tabernae) unterteilt wurde.

Heiligtum orientalischer Gottheiten

Das östliche Ende der Portikus wurde im 2. Jh. n. Chr. in eine kleine rechteckige Anlage umgebaut. In der Mitte dieser Anlage fand man einen Altar oder eine Statuenbasis, auf dem Musikinstrumente dargestellt sind. Die Inschrift auf der Vorderseite besagt, dass es sich um eine Stiftung der Priesterin Flavia für die Magna Mater und die Göttin Syria handelt.

Die sogenannte Forumsbasilika

Die profane Basilika am Fuß der Akropolis ist rechteckig und 35 x 21 m groß. Im Innenraum besitzt sie eine umlaufende Säulenstellung und die Fassade ist gegliedert in eine Portikus aus 8 viereckigen Pfeilern, die der Zahl der Säulen im Innenraum entsprechen. Eine der Wände ist mit der L-förmigen Portikus gemeinsam. Die Basilika entstand vermutlich in augusteischer Zeit (nach 27 v. Chr.) und wurde immer wieder umgebaut – zu einer christlichen Basilika. Dabei wurde ihre Ausrichtung verändert, indem im Norden eine Apsis und im Süden ein Eingang zur Via Traiana angebaut wurde. Im 6. Jh. wurde die Basilika zerstört.

Bischofsbasilika

Im Bereich südlich der Via Traiana lagen Wohnungen, Läden, Werkstätten usw. sowie in späterer Zeit 2 frühchristliche Basiliken. Eine dieser frühchristlichen Basiliken ist die wohl im 5 Jh. errichtete Bischofsbasilika von Egnazia. Es handelt sich um eine 40 x 27,70 m große, dreischiffige Säulenbasilika mit freistehender, halbkreisförmiger Apsis im Osten. Im Mittelschiff zeigen auf der Höhe der 7. Säule Reste kleiner Steinblöcke den Verlauf des Altarraums bis zur Apsis an. Das rechte Seitenschiff ist am besten erhalten. Hier fanden sich auch Reste eines Mosaikfußbodens, die heute im Museum von Egnazia aufbewahrt werden. Der Kirche war ein Narthex vorgelagert.

(Fortsetzung folgt …)

Reisetipp: Archäologischer Park Egnazia in Süditalien (Teil 4)

Das römische Egnazia und das Ende der Stadt

Nach dem Krieg zwischen Pyrrhos, dem König von Epiros, der von Tarent gerufen worden war, und den Römern (280-275 v. Chr.) war für den Sieger Rom der Weg frei, nicht nur Tarent und die anderen westgriechischen Städte zu unterwerfen, sondern auch die bisher unabhängigen einheimischen Zentren Apuliens, die sich im Einflussbereich des westgriechischen Hellenismus befanden. Dies geschah zunächst ohne Waffengewalt. Trotzdem waren die Römer schon zehn Jahre später die Herren von ganz Apulien. Nach dem Krieg gegen Hannibal jedoch begann Rom eine wirkliche Eroberung. Bedingt durch die vielen Toten, die kriegerischen Aktivitäten und die große Zahl von Bewohnern, die in die Sklaverei geführt wurden, kam es in ganz Apulien zu einer Bevölkerungskrise.

Die Lage an einer der großen Handelsstraßen nach Rom und nach Mittelitalien bewahrte Egnazia jedoch vor diesen Krisen und führte sogar zu einem großen Aufschwung in römischer Zeit. Auch war Egnazia nach Brindisi der einzige leistungsfähige Hafen an der apulischen Küste und die Römer bauten die Stadt daher stark aus.

Irgendwann, wahrscheinlich nach dem Bundesgenossenkrieg (91-89 v. Chr.) wurde Egnazia römisches Municipium. Mit der verwaltungsmäßigen Aufteilung Italiens in 11 Regionen in augusteischer Zeit wurde Apulien Teil der Regio Secunda mit dem Namen Apulia et Calabria, wobei Calabria der heutigen salentinischen Halbinsel entspricht und bei Egnazia beginnt. Laut der Inschrift einer Ehrenstatue für Marcus Vispianus Agrippa, den Feldherrn und engen Freund von Augustus, war dieser Patron von Egnazia und außerdem quindecimvir sacris faciundis.

Unter Vespasian wurde Egnazia römische Kolonie. Die Zuweisung von Land an Veteranen des Kaisers Vespasian hatte sicher einschneidende Folgen für die Landwirtschaft, da die ländlichen Strukturen des Hinterlandes verändert wurden. Viele einheimische Bauern verloren ihr Land und damit ihre Lebensgrundlage. Auch schränkte die Ernennung zur Kolonie die Privilegien ein, die man im Municipium gehabt hatte. Andererseits fielen in die Zeit der Kolonie vermutlich der Ausbau und die Blüte des städtischen Zentrums. Seit der 2. Hälfte des 1. Jh. wurde Egnazia ein wichtiger strategischer Punkt für die Kriegsschauplätze des römischen Heeres und ein Zentrum verschiedener Aktivitäten auf dem Gebiet des Handels und der Kunst, verbunden mit der Verwirklichung noch größerer und bedeutenderer öffentlicher Werke als zuvor.

Die öffentlichen Bauten des 4. und 3. Jh. wurden vermutlich während des Krieges mit Hannibal sowie während der Verwüstungen durch die Bürgerkriege und des Spartakusaufstands usw. stark beschädigt oder komplett zerstört. Bei der Wiedererrichtung bauten die Römer das Stadtzentrum aus. Die monumentalen Bauten spätrepublikanischer Zeit konzentrierten sich offenbar auf das Gebiet im Süden am Fuß der Akropolis zwischen den beiden Hafenbuchten. Hier hat die archäologische Forschung bis heute 4 große Komplexe ans Licht gefördert: das sogenannte Forum, die ellipsenförmige Anlage, eine L-förmige Stoa und eine profane Basilika.

Die römischen Zeugnisse überlagerten die vorhergehenden Bauten und der Raum innerhalb des weiten Mauerrings aus dem 4. Jh. wurde stärker genutzt. Die Stadt wurde durch ein Schema von parallel zur Küste verlaufenden Achsen nach ihren Hauptfunktionen unterteilt:

  1. Der Küstenstreifen mit den Anlagen des Hafens und der Seefahrt: Werften, Hafenbecken, Laderampen, Kais, Depots/Lager und Handelsplätze.
  2. Die Akropolis und der Bereich am Fuß der Akropolis bis zur Via Traiana mit den wichtigsten öffentlichen Zentren: die sakralen Bereiche, Säulenhallen, Basilika, Forum, Markt.
  3. Der Bereich südlich der Via Traiana mit Wohnvierteln, Werkstätten, usw. sowie in späterer Zeit 2 frühchristlichen Basiliken.

Die Verbindungen Apuliens zum Orient sowie jüdische Gemeinden in den wichtigen Häfen Brindisi, Egnazia, Otranto und Tarent begünstigten vermutlich auch die Verbreitung des Christentums. Leider fehlen uns aber bisher Schriftquellen und archäologische Zeugnisse für eine christliche Gemeinde vor dem 4. Jh. n. Chr. Im Jahre 334 n. Chr. bestand aber bereits Gemeinde mit einer Kirche.

Zu Beginn des 6. Jh. n. Chr. war Egnazia Bischofssitz. Irgendwann besaß Egnazia 3 Kirchen: eine Bischofsbasilika mit Baptisterium, eine zur Kirche umgebaute profane Basilika und die als letztes erbaute Basilika. Dies deutet auf eine unerwartet große Bedeutung Egnazias in der Spätantike.

Ab dem 4. Jh. gab es in der weströmischen Welt immer wieder Einfälle von Vandalen, Goten, Hunnen, Westgoten, usw. Unter dem Ansturm der Invasoren brach das Imperium zusammen. Die großen von Rom gebauten Straßen, die Via Traiana und die Via Appia, waren weiterhin vermutlich die einzigen Straßen, die Apulien mit dem Rest der Halbinsel verbanden, aber sie wurden nicht mehr gepflegt.

Während des griechisch-gotischen Krieges (535-553 n. Chr) wurde Egnazia vermutlich geplündert und zerstört. Die Ankunft der Langobarden zu Ende des 6. Jh. führte dann wohl zum Verlassen eines großen Teils der Stadt. Trotzdem gab es auch in den folgenden Jahrhunderten in Egnazia noch ein gewisses Leben. Die wenigen, die geblieben waren zogen sich auf die Akropolis zurück, wo sich in byzantinischer Zeit eine befestigte Siedlung befand. Aus dieser Zeit stammen vermutlich die noch heute sichtbaren Ruinen.

Wann Egnazia endgültig verlassen wurde, wissen wir nicht. Doch waren es nicht nur die die Zerstörungen während der Barbareneinfälle, sondern auch die Veränderungen der Küste, die zur Aufgabe der Stadt führte. Das Heben des Meeresspiegels führte zur völligen Überflutung des Hafens mit allen damit zusammenhängenden Strukturen. Mit der Zerstörung des Hafens ging auch ein Zusammenbruch des Handels einher und nachdem die Via Traiana mehrere Kilometer weiter ins Landesinnere verlegt worden war, war Egnazia vollständig von den großen Handelswegen zwischen Rom und dem Orient abgeschnitten. Bis Ende des 7. Jh. wird Egnazia noch in antiken Quellen erwähnt. Danach scheint Egnazia aus der Geschichte verschwunden zu sein.

(Fortsetzung folgt …)

Byzantinische Kirche Theotokos ton Chal­koprateia in Istanbul

Etwa in der gleichen Zeit wie die Studios-Basilka entstand der Überlieferung nach die Kirche Theotokos ton Chal­koprateia (Mutter Gottes in Chalkoprateia). Sie liegt nordwestlich der Hagia Sophia, keine 150 m von dieser entfernt und wurde auch vom gleichen Kle­rus unterhalten wie die Hagia Sophia. Sie war die wichtigste Kirche der Maria in Kon­stantinopel und besaß den Gürtel der Ma­ria als Reliquie.

Erhaltungszustand

Leider ist die Kirche nur sehr fragmenta­risch erhalten und die vorhandenen Reste auch noch größtenteils in anderen, zum Teil moder­nen Gebäuden verbaut. Erhalten sind größere Teile der Nord- und Südmauer sowie Teile der Ostwand mit einer breiten, freistehenden Apsis ohne Nebenräume. Die Apsis ist außen dreiseitig und innen halb­rund, wobei sich in jeder der drei Seiten ein großes Fenster be­findet. Vor der Apsis liegt wie in der Studios-Basilika eine kleine, kreuzförmige Krypta. Die Gesamtbreite der Kirche betrug 31 m. Damit ist sie die größte bisher bekannte Basilika der Haupt­stadt.

Sie ist zwar geräumiger als die Studios-Basilika, sonst aber, wie die erhaltenen Teile zeigen, mit dieser vergleichbar. Man kann die Kirche daher als dreischiffige Basilika rekonstruie­ren. Auch hier war der Kirche, wie wir aus der Überlieferung erfahren, ein Nar­thex und ein Atrium vorgelagert. Siehe hierzu auch den Grundriss: http://fr.wikipedia.org/wiki/Th%C3%A9otokos_des_Chalkoprat%C3%A9ia#mediaviewer/File:Theotokos_Chalkoprateia.svg.

Rekonstruktion

Südlich der Apsis führt ein 3,1 m breiter Torbogen in das Süd­schiff. Hier konnte man Anfang des 20. Jh. noch eine Kolonnade und eine Vorhalle vor diesem Eingang sehen. Am Ende des rechten, also südlichen Seitenschiffs führte eine Tür zu einer Treppe, die zur Hagia Sophia führte. Dabei verbindet ein monumentaler Seiteneingang das rechte Seitenschiff mit einer Kolonnade. Diese monumentale Seitentür wird auch in den „De Cere­moniis“ (10. Jh.) erwähnt: Nach der Zeremonie zum Fest Mariä Ver­kündigung verließ der Kaiser die Empore auf der nördlichen Seite über eine Holztreppe, ging am Synthronon vorbei und nahm dann den Ausgang bei der Vorhalle, wo er auf sein Pferd stieg.

In der Nordostecke der Kirche wurde die Ostwand durch den Bau ei­ner Straße zerstört, so dass man nur vermuten kann, dass sich auch hier ein Eingang befand. Die Tür in der Mitte der Nordwand führte vermutlich zu einer der Kapellen, die der Chalkopratien-Kirche angegliedert waren.

Durch die oben erwähnte Stelle in den „De Ceremoniis“ ist die Exi­stenz von Emporen gesichert. Wir wissen aber nicht, ob sie umlau­fend waren und wie die Zugänge gestaltet waren.

Zur Innenausstattung der Kirche gibt es nur wenige Hinweise. Es hat sich eine einzige Säulenbasis gefunden, die aber stark beschä­digt ist. Sie gehört vermutlich zum Obergeschoß und zeigt Spuren einer Schrankenanlage.

Der Kirche waren ein Narthex und ein Atrium vor­gelagert. Von beiden ist aber nichts mehr erhalten. Die nördliche Begrenzung des Atriums markiert ein oktogo­nales Gebäude, das in einer Linie mit der Nordwand der Kirche liegt. Welche Funktion dieses oktogonale Gebäude hatte, ist unklar? Der Bautypus könnte auf ein Bapti­sterium deuten. Außerdem könnte ein Pfeiler im Zentrum des Fundaments dazu gedient haben, eine schwere Last, wie z. B. ein Taufbecken, zu tragen, und in der Nähe wurde auch tatsächlich ein Taufbecken ge­funden (heute im Archäologischen Museum). Andererseits wurden Fresken aus dem 14. Jh. gefunden, die heute allerdings nicht mehr zu sehen sind. Sie zeigten Szenen aus der Kindheit Jesu und den Tod des Zacharias. In den Chroniken mit­telalterlicher Reisender werden Reliquien vom heiligen Zacharias und aus der Kindheit Jesu im Zusammenhang mit der Kapelle des Heiligen Jakobus genannt, die sich im Atrium der Chalkopratien-Kirche be­fand. Wenn es sich bei dem Oktogon um diese Kapelle handelt, wäre dies eines der wenigen gesicherten Martyria Konstanti­nopels.

Datierung

Die Chalkoprateia-Kirche entstand ungefähr gleichzeitig mit der Studios-Basilika. Als Gründer nennen die Quellen teilweise Theodosios II. (408-450), zum Teil auch seine Schwester Pulcheria, wobei nicht klar ist, ob sie die Kirche noch während der Regierungszeit ihres Bru­ders oder während ihrer Alleinherrschaft (450-453) gründete. An­dere Quellen nennen Verina, die Frau Leos I. (457-474) als Gründe­rin. Um diese verschiedenen Datierungsansätze zu verbinden, wurde vorgeschlagen, daß der Bau unter Pulcheria, noch gegen Ende der Regierungszeit ihres Bruders, d. h. vor 450 n. Chr., begonnen und, vielleicht ein Jahrzehnt später, von Verina been­det und geweiht wurde. Die Ähn­lichkeit mit der Studios-Basilika würde diese Datie­rung unterstüt­zen.

Literaturauswahl:

  • A. Kazhdan (Hrsg.), The Oxford Dictionary of Byzantium, Oxford University Press,‎ 1991, vol. 1, 407-408 ;
  • W. Müller-Wiener, Bildlexikon zur Topographie Istanbuls, Tübingen, Deutsches Archäologisches Institut,‎ 1977, 76-78.

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