Die Gemeinde Grand liegt Wäldern umgebenen Kalkstein-Plateau. Wie oft in solchen verkarsteten Plateaus sammelte sich auch hier das Wasser unterirdisch und trat nur an wenigen Stellen unvermittelt an die Oberfläche. Eine dieser Stellen lag bei Grand. Das Wasser bildete einen kleinen See und verschwand dann wieder. Erst einige Kilometer nördlich trat dasselbe Wasser als Flüsschen ans Tageslicht. Aber die Verbindung zwischen diesen beiden Stellen war für unsere Vorfahren nicht ersichtlich. Zudem variierte die Wassermenge in dem kleinen See bei Grand je nach Jahreszeit und Niederschlagsmenge. Kein Wunder, dass unsere Vorfahren diese merkwürdige Wasserstelle auf göttlichen Einfluss zurückführten.

Die Kelten verehrten an dieser Stelle Grannus, einen Heil- und Quellgott. Als die Römer die Gallier unterwarfen, übernahmen sie, wie bei Ihnen üblich den gallischen Gott. Sie setzten ihn mit Apollo gleich, der ebenfalls unter anderem als Heilgott galt.

Die Römer bauten den heiligen Bezirk von Grand weiter aus. So kennzeichneten sie den heiligen Bezirk zunächst durch einen ihn kreisförmig umgebenen Graben. Später umgaben sie das Heiligtum mit einer Wehrmauer. Um das Quellwasser gleichmäßig zu verteilen und die über 300 angelegten Brunnen zu speisen, legten die Römer man rund fünfzehn Kilometer begehbare Wassertunnel an, die von der Quelle wegführten. Das neue gallo-römische Heiligtum in Grand lag damals in der Nähe der Römerstraße Lyon-Trier und wurde auch deshalb gut besucht. Zu den Besuchern gehörten nachweislich auch die Kaiser Caracalla (188–217) und Konstantin der Große (306–337).

Wie lange das Heiligtum bestand, ist nicht klar. Irgendwann wurde der Quellteich jedoch verfüllt und mit einer Kirche überbaut. Die heute an dieser Stelle stehende gotische Kirche Sainte Libaire stammt aus dem späten 15. oder der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Veränderungen bei einer Restaurierung im 18. Jahrhundert führten dazu, dass die Lage über dem ursprünglichen Teich und verschiedenen Wasserkanälen die Kirche instabil machten. Seit 20 Jahren ist sie in ihrer gesamten Struktur so stark bedroht., dass sie für Öffentlichkeit gesperrt wurde.

 

(Fortsetzung folgt …)