Monat: Oktober 2014

Reisetipp: Archäologischer Park Egnazia in Süditalien (Teil 6)

Das Museum

Den Abschluss unseres Ausflugs nach Egnazia bildet das Museum des archäologischen Parks. Die Dauerausstellung bietet ein komplettes Bild der Geschichte und Topographie der Stadt mit Zeichnungen, Plänen, Photographien, Fragmenten von Architektur und Mosaiken. Ausgestellt sind einige Grabausstattungen messapischer Gräber aus dem 4.-3. Jh. v. Chr. aus der West-Nekropole. Außerdem Urnen der römischen Nekropole, das Mosaik mit der Darstellung der 3 Grazien, Fußbodenmosaike der Bischofsbasilika und der Süd-Basilika, sowie verschiedene christliche Öllampen.

Im Museum befindet sich auch eines der in den Tuff eingegrabenen Kammergräber, die sog. „Tomba delle melagrane“ aus der 2. Hälfte des 4. Jh. v. Chr.: es besteht aus einem Vorraum, einem Teil unter freiem Himmel und der eigentlichen Grabkammer, die mit Stuck überzogen und mit vegetabilen und architektonischen Motiven bemalt ist. Man betritt das Grab durch eine 2-flügelige Tür.

Ein wichtiges Thema des Museums ist natürlich auch die sogenannte Gnathia-Keramik. Der Begriff Gnathia-Keramik geht auf Minervini zurück, der diesen Keramiktyp als erster untersuchte und glaubte, dass er in Egnazia hergestellt wurde. Heute weiß man, dass Egnazia nur einer unter vielen Fundorten dieser Keramik ist. Der Namen jedoch wurde beibehalten.

Diese Keramik hängt von der großgriechichen Keramik ab, wobei sie von dieser die bekanntesten und einfachsten Formen übernommen hat: Oinochoe, Pelike, Skyphos, Amphore, Glockenkrater, Kantharos, Krateriskos, Schüssel, halbkreisförmige Schale und Teller. Von der apulischen einheimischen Keramik finden wir die charakteristische messapische trozzella (= Nestoris).

Bei der Gnathia-Keramik ist die gesamte Oberfläche des Gefäßes mit einem schwarzen, glänzenden Firnis überzogen. Auf diesem sind anfangs mit weißer Farbe figürliche Szenen gemalt: Gruppen von maximal 2 oder 3 Figuren aus dem dionysischen Bereich. Die figürlichen Szenen verschwinden schnell und werden durch vegetabile Motive in weißer u. gelblicher Farbe ersetzt: Pflanzen, Ranken, Blumen, horizontal oder mäander- oder wellenförmig gemalt, Ketten mit hängenden Blättern, Efeugirlanden usw. Ein charakteristisches Motiv ist eine horizontale Girlande mit vertikalen Verzweigungen aus Weinblättern, -ranken und -trauben.

Diese Technik imitiert die apulisch rotfigurige Keramik und wurde seit dem Ende des 4. Jh. v. Chr. in fast ganz Süditalien benutzt. Ähnliche Produkte gibt es auch in anderen Orten Italiens vom Gebiet der Etrusker bis Sizilien. Aufgrund der jüngsten Forschungen kann man heute sagen, dass eine Herstellung in Egnazia nicht ausgeschlossen werden kann, dass aber Tarent der Ursprungsort war und dort wohl auch der größte Teil dieser Keramik hergestellt wurde. Erst später wurde auf der ganzen salentinischen Halbinsel viel produziert.

Die Chronologie der Gnathia-Keramik ist umstritten. Ihre größte Blüte lag in der 2. Hälfte des 4. Jh. und zu Anfang des 3. Jh. v. Chr.; danach folgte der Niedergang bis zum Ende des 3. Jh. Zur letzten Phase gehört eine Dekoration in glanzloser Farbe, zum Schluss nur noch weiß.

Reisetipp: Archäologischer Park Egnazia in Süditalien (Teil 5)

Die Ausgrabungen in Egnazia werden sicher noch einige Jahre weitergehen, aber was bisher ausgegraben wurde, kann man in einem archäologischen Park besichtigen, zu dem auch ein kleines Museum gehört.

Im Folgenden eine Auswahl der sichtbaren Befunde:

Befestigungsmauern

Die erste Verteidigungsanlage wurde zwischen dem 13. und 12. Jh. v. Chr. auf der sog. Akropolis errichtet. Sie besteht aus einem Wall, der die Siedlung auf der Landseite schützt. Von diesem Wall wurden nur die beiden äußersten Enden gefunden.

Der Mauerring der endgültigen Verteidigungsanlage präsentiert sich noch heute an einigen Stellen mit bis zu mehreren Metern Höhe. Sie hat eine Gesamtlänge von 1692 m und umgibt ein Gebiet von 402.000 qm. Die Mauer umgab nicht nur Wohnviertel und verstreute Häuser, sondern auch eine breite freie Zone, die im Kriegsfall Menschen, Vieh, Felder usw. aufnehmen konnte, so dass man auch einer langen Belagerung standhalten konnte. Diese Fläche der Stadt wurde bis zur Zerstörung Egnazias nicht mehr verändert, d. h. fast ein Jahrtausend!

Hafenanlagen

Die Küste bot ursprünglich 5 Ankerplätze, von denen 3 innerhalb und 2 außerhalb der Stadtmauern lagen. Es handelte sich um kleine Buchten, von denen sich die tiefste und breiteste im Südosten der sogenannten Akropolis befand, wo auch die älteste Siedlung lag. Diese Bucht diente vermutlich als Hafen des messapischen Egnazia, da sie aufgrund der Tiefe des Einschnitts auch ohne Befestigungs- oder Schutzanlagen den Booten ziemliche Sicherheit bot. Man fand Spuren kleiner künstlicher Vertiefungen mit rechteckigem Grundriss, die wohl dazu dienten, die Schiffe aufzunehmen.

Unter der römischen Herrschaft genügte der alte Ankerplatz irgendwann nicht mehr. Hinzu kamen Veränderungen der Küstenlinie: zwischen 4. Jh. v. und 1. Jh. n. Chr. hob sich der Meeresspiegel um 3,58 m. Man baute daher in der Bucht nordwestlich der Akropolis einen neuen, größeren Hafen, während der alte Ankerplatz vielleicht weiterhin, zumindest zeitweise, für Fischerboote genutzt wurde. Das Becken des neuen Hafens war durch Mauern und durch Molen, die zwei Felsvorsprünge verlängerten, geschützt. Die zwei Molen schlossen ein etwa 16.000 qm Hafenbecken bogenförmig ab und ließen im Osten eine 40 m breite Einfahrt frei.

Das sogenannte Forum

In seiner gesamten Ausdehnung stellt dieser Platz ein unregelmäßiges Viereck dar und besteht aus einem 17,5 m x 23,25 m großen Hof, der von einer Quadriportikus mit dorischen Säulen umgeben ist, deren Fußboden aus großen Platten aus lokalem Tuffstein bestand. Ein großer, verkleideter viereckiger Sockel aus opus caementicium in der nördlichen Portikus wird von einigen Forscher als Rest einer Rednertribüne gedeutet. Entlang der Ränder des Platzes verläuft ein kleiner Kanal, der das Wasser sammelte und in eine Zisterne im Nordwesten der Anlage leitete. Es ist umstritten, ob es sich hier um das Forum Egnazias handelte oder um einen Markt. In jedem Fall stammt die Anlage aus der spätrepublikanischen Zeit. Daneben befindet sich eine ellipsenförmige Anlage aus spätrepublikanischer Zeit, deren Deutung umstritten ist. Es könnte sich um einen Markt handeln.

L-förmige Portikus

Im 4.-3. Jh. v. Chr. wurde über früheren Anlagen eine L-förmige oder quadratische dorische Portikus errichtet, die vielleicht eine hellenistische Agora begrenzte. Die Portikus endete im Norden mit den Resten eines großen Gebäudes, vielleicht eine hellenistische Basilika.

Die Ostwand der Portikus ist mit der augusteischen Basilika gemeinsam. Als im 2. Jh. n. Chr. die Via Traiana ausgebaut wurde, wurden einige ältere Anlagen umgebaut oder zerstört, so auch die L-förmige Stoa, deren Westseite von der Via Traiana beschnitten wird und deren innere Portikus in kleine Geschäfte (tabernae) unterteilt wurde.

Heiligtum orientalischer Gottheiten

Das östliche Ende der Portikus wurde im 2. Jh. n. Chr. in eine kleine rechteckige Anlage umgebaut. In der Mitte dieser Anlage fand man einen Altar oder eine Statuenbasis, auf dem Musikinstrumente dargestellt sind. Die Inschrift auf der Vorderseite besagt, dass es sich um eine Stiftung der Priesterin Flavia für die Magna Mater und die Göttin Syria handelt.

Die sogenannte Forumsbasilika

Die profane Basilika am Fuß der Akropolis ist rechteckig und 35 x 21 m groß. Im Innenraum besitzt sie eine umlaufende Säulenstellung und die Fassade ist gegliedert in eine Portikus aus 8 viereckigen Pfeilern, die der Zahl der Säulen im Innenraum entsprechen. Eine der Wände ist mit der L-förmigen Portikus gemeinsam. Die Basilika entstand vermutlich in augusteischer Zeit (nach 27 v. Chr.) und wurde immer wieder umgebaut – zu einer christlichen Basilika. Dabei wurde ihre Ausrichtung verändert, indem im Norden eine Apsis und im Süden ein Eingang zur Via Traiana angebaut wurde. Im 6. Jh. wurde die Basilika zerstört.

Bischofsbasilika

Im Bereich südlich der Via Traiana lagen Wohnungen, Läden, Werkstätten usw. sowie in späterer Zeit 2 frühchristliche Basiliken. Eine dieser frühchristlichen Basiliken ist die wohl im 5 Jh. errichtete Bischofsbasilika von Egnazia. Es handelt sich um eine 40 x 27,70 m große, dreischiffige Säulenbasilika mit freistehender, halbkreisförmiger Apsis im Osten. Im Mittelschiff zeigen auf der Höhe der 7. Säule Reste kleiner Steinblöcke den Verlauf des Altarraums bis zur Apsis an. Das rechte Seitenschiff ist am besten erhalten. Hier fanden sich auch Reste eines Mosaikfußbodens, die heute im Museum von Egnazia aufbewahrt werden. Der Kirche war ein Narthex vorgelagert.

(Fortsetzung folgt …)

Reisetipp: Archäologischer Park Egnazia in Süditalien (Teil 4)

Das römische Egnazia und das Ende der Stadt

Nach dem Krieg zwischen Pyrrhos, dem König von Epiros, der von Tarent gerufen worden war, und den Römern (280-275 v. Chr.) war für den Sieger Rom der Weg frei, nicht nur Tarent und die anderen westgriechischen Städte zu unterwerfen, sondern auch die bisher unabhängigen einheimischen Zentren Apuliens, die sich im Einflussbereich des westgriechischen Hellenismus befanden. Dies geschah zunächst ohne Waffengewalt. Trotzdem waren die Römer schon zehn Jahre später die Herren von ganz Apulien. Nach dem Krieg gegen Hannibal jedoch begann Rom eine wirkliche Eroberung. Bedingt durch die vielen Toten, die kriegerischen Aktivitäten und die große Zahl von Bewohnern, die in die Sklaverei geführt wurden, kam es in ganz Apulien zu einer Bevölkerungskrise.

Die Lage an einer der großen Handelsstraßen nach Rom und nach Mittelitalien bewahrte Egnazia jedoch vor diesen Krisen und führte sogar zu einem großen Aufschwung in römischer Zeit. Auch war Egnazia nach Brindisi der einzige leistungsfähige Hafen an der apulischen Küste und die Römer bauten die Stadt daher stark aus.

Irgendwann, wahrscheinlich nach dem Bundesgenossenkrieg (91-89 v. Chr.) wurde Egnazia römisches Municipium. Mit der verwaltungsmäßigen Aufteilung Italiens in 11 Regionen in augusteischer Zeit wurde Apulien Teil der Regio Secunda mit dem Namen Apulia et Calabria, wobei Calabria der heutigen salentinischen Halbinsel entspricht und bei Egnazia beginnt. Laut der Inschrift einer Ehrenstatue für Marcus Vispianus Agrippa, den Feldherrn und engen Freund von Augustus, war dieser Patron von Egnazia und außerdem quindecimvir sacris faciundis.

Unter Vespasian wurde Egnazia römische Kolonie. Die Zuweisung von Land an Veteranen des Kaisers Vespasian hatte sicher einschneidende Folgen für die Landwirtschaft, da die ländlichen Strukturen des Hinterlandes verändert wurden. Viele einheimische Bauern verloren ihr Land und damit ihre Lebensgrundlage. Auch schränkte die Ernennung zur Kolonie die Privilegien ein, die man im Municipium gehabt hatte. Andererseits fielen in die Zeit der Kolonie vermutlich der Ausbau und die Blüte des städtischen Zentrums. Seit der 2. Hälfte des 1. Jh. wurde Egnazia ein wichtiger strategischer Punkt für die Kriegsschauplätze des römischen Heeres und ein Zentrum verschiedener Aktivitäten auf dem Gebiet des Handels und der Kunst, verbunden mit der Verwirklichung noch größerer und bedeutenderer öffentlicher Werke als zuvor.

Die öffentlichen Bauten des 4. und 3. Jh. wurden vermutlich während des Krieges mit Hannibal sowie während der Verwüstungen durch die Bürgerkriege und des Spartakusaufstands usw. stark beschädigt oder komplett zerstört. Bei der Wiedererrichtung bauten die Römer das Stadtzentrum aus. Die monumentalen Bauten spätrepublikanischer Zeit konzentrierten sich offenbar auf das Gebiet im Süden am Fuß der Akropolis zwischen den beiden Hafenbuchten. Hier hat die archäologische Forschung bis heute 4 große Komplexe ans Licht gefördert: das sogenannte Forum, die ellipsenförmige Anlage, eine L-förmige Stoa und eine profane Basilika.

Die römischen Zeugnisse überlagerten die vorhergehenden Bauten und der Raum innerhalb des weiten Mauerrings aus dem 4. Jh. wurde stärker genutzt. Die Stadt wurde durch ein Schema von parallel zur Küste verlaufenden Achsen nach ihren Hauptfunktionen unterteilt:

  1. Der Küstenstreifen mit den Anlagen des Hafens und der Seefahrt: Werften, Hafenbecken, Laderampen, Kais, Depots/Lager und Handelsplätze.
  2. Die Akropolis und der Bereich am Fuß der Akropolis bis zur Via Traiana mit den wichtigsten öffentlichen Zentren: die sakralen Bereiche, Säulenhallen, Basilika, Forum, Markt.
  3. Der Bereich südlich der Via Traiana mit Wohnvierteln, Werkstätten, usw. sowie in späterer Zeit 2 frühchristlichen Basiliken.

Die Verbindungen Apuliens zum Orient sowie jüdische Gemeinden in den wichtigen Häfen Brindisi, Egnazia, Otranto und Tarent begünstigten vermutlich auch die Verbreitung des Christentums. Leider fehlen uns aber bisher Schriftquellen und archäologische Zeugnisse für eine christliche Gemeinde vor dem 4. Jh. n. Chr. Im Jahre 334 n. Chr. bestand aber bereits Gemeinde mit einer Kirche.

Zu Beginn des 6. Jh. n. Chr. war Egnazia Bischofssitz. Irgendwann besaß Egnazia 3 Kirchen: eine Bischofsbasilika mit Baptisterium, eine zur Kirche umgebaute profane Basilika und die als letztes erbaute Basilika. Dies deutet auf eine unerwartet große Bedeutung Egnazias in der Spätantike.

Ab dem 4. Jh. gab es in der weströmischen Welt immer wieder Einfälle von Vandalen, Goten, Hunnen, Westgoten, usw. Unter dem Ansturm der Invasoren brach das Imperium zusammen. Die großen von Rom gebauten Straßen, die Via Traiana und die Via Appia, waren weiterhin vermutlich die einzigen Straßen, die Apulien mit dem Rest der Halbinsel verbanden, aber sie wurden nicht mehr gepflegt.

Während des griechisch-gotischen Krieges (535-553 n. Chr) wurde Egnazia vermutlich geplündert und zerstört. Die Ankunft der Langobarden zu Ende des 6. Jh. führte dann wohl zum Verlassen eines großen Teils der Stadt. Trotzdem gab es auch in den folgenden Jahrhunderten in Egnazia noch ein gewisses Leben. Die wenigen, die geblieben waren zogen sich auf die Akropolis zurück, wo sich in byzantinischer Zeit eine befestigte Siedlung befand. Aus dieser Zeit stammen vermutlich die noch heute sichtbaren Ruinen.

Wann Egnazia endgültig verlassen wurde, wissen wir nicht. Doch waren es nicht nur die die Zerstörungen während der Barbareneinfälle, sondern auch die Veränderungen der Küste, die zur Aufgabe der Stadt führte. Das Heben des Meeresspiegels führte zur völligen Überflutung des Hafens mit allen damit zusammenhängenden Strukturen. Mit der Zerstörung des Hafens ging auch ein Zusammenbruch des Handels einher und nachdem die Via Traiana mehrere Kilometer weiter ins Landesinnere verlegt worden war, war Egnazia vollständig von den großen Handelswegen zwischen Rom und dem Orient abgeschnitten. Bis Ende des 7. Jh. wird Egnazia noch in antiken Quellen erwähnt. Danach scheint Egnazia aus der Geschichte verschwunden zu sein.

(Fortsetzung folgt …)

26.10.-21.12.2014 Sonderausstellung: Antike Plastik 5.0:// Dokumentationsmedien in der Archäologie – Von der Skizze zum 3D-Modell

Ab Sonntag, den 26. Oktober 2014 zeigt das Akademische Kunstmuseum Bonn die Sonderausstellung: Antike Plastik 5.0:// Dokumentationsmedien in der Archäologie – Von der Skizze zum 3D-Modell

In Zusammenarbeit mit dem CoDArchLab der Universität zu Köln enstand diese Ausstellung zum 50-jährigen Jubiläums des Kölner Forschungsarchiv für Antike Plastik. Welche Bildmedien standen und stehen der Skulpturenforschung zur Verfügung? Welche Bedeutung haben die verschiedenen Medien auf die Forschung? Diesen und anderen Fragen widmet sich die Ausstellung mithilfe von Kupferstichen, Fotos, Abgüssen und – als neuestes Medium – 3D-Modellen.

 

Adresse:

Akademisches Kunstmuseum – Antikensammlung der Universität Bonn
Am Hofgarten 21
53113 Bonn

Preis für Erwachsene: 3 € (Eintritt und Vortrag)

Reisetipp: Archäologischer Park Egnazia in Süditalien (Teil 3)

Die Verbindungen mit der griechischen Welt

Während die ionischen und tyrrhenische Küste durch die Griechen stark kolonisiert wurde, beschränkte sich die griechische Präsenz an der Adria-Küste auf Handelsposten (Emporia). In Apulien trafen die Griechen dabei auf Kulturen mit eigenen festen Strukturen und Siedlungen von städtischem Charakter, mit eigenen Bräuchen und einer eigenen Kultur, die sie durch frühere Kontakte mit Griechenland selbst oder mit dem Orient angenommen hatten.

Auch Egnazia war weder eine griechische Stadt noch wurde sie kolonisiert. Allerdings war die Stadt während der gesamten archaischen Periode griechischen Einflüssen gegenüber besonders offen. Trotzdem kamen in Egnazia bis heute nur wenige griechische Zeugnisse aus Zeit vor dem 4. Jh. zutage. Auch belegen die epigraphischen Zeugnisse bis zum 3. Jh. die messapische Sprache, die dann direkt in die lateinische wechselt. Es gibt dagegen keine Inschriften in griechischer Sprache. Allerdings gibt es Elemente griechischer Bräuche, Riten und Techniken, die der ganzen messapischen Kulturgemeinschaft gemeinsam sind, z. B.:

  • der Bestattungsritus mit ausgestrecktem Leichnam
  • Inschriften in messapischer Sprache benutzen das griechische Alphabet mit einigen Änderungen;
  • die Technik der Mauerkonstruktion ist griechisch

Die Periode vom 5. Bis 3. Jh. v. Chr. entspricht der größten Blüte der Stadt Egnazia. Es gibt reiche Hypogäen mit messapischen Inschriften und Fresken und auch die sog. Gnathia-Keramik fällt in diese Zeit. In diese Blütezeit fällt auch der Ausbau eines Straßennetzes, das die Stadt und ihren Hafen mit dem Hinterland und mit den anderen Siedlungen an der Küste verband.

In diesen Jahrhunderten der politischen Unruhen und der inneren Blüte der Stadt wurden die verschiedenen verstreuten Siedlungen im Stadtgebiet mit einem Mauerring umgeben, der das Leben in der Stadt sicherte. Aufgrund der Konstruktionstechnik der Anlage kann man die Mauer in das 4. Jh. v. Chr. datieren, die Zeit der kriegerischen Aktionen von Alexander d. Molosser. Im 3. Jh. v. Chr., d. h. in der Zeit der Kriege zwischen Rom und Pyrrhos sowie zwischen Rom und Hannibal, errichtete man eine zweite Wand parallel zu der ersten und in anderer Technik als die frühere.

Seit dem 4. Jh. breitete sich im gesamten Mittelmeergebiet die hellenistische Kultur aus und auch Egnazia übernahm z. B. Bautypen und städtische Anlagen, die zum größten Teil durch Rom vermittelt wurden.

(Fortsetzung folgt …)

Reisetipp: Archäologischer Park Egnazia in Süditalien (Teil 2)

Grundzüge der Stadtgeschichte

Die ersten Siedlungsspuren finden wir auf der sogenannten Akropolis. Sie stammen aus dem 13.-12. Jh. v. Chr. Diese Menschen errichteten ein Dorf aus rechteckigen oder runden Hütten, mit einem Lehmfußboden und Wänden aus Flechtwerk. Man betrieb zunächst Weidewirtschaft. Später kam Ackerbau hinzu und ersetzte dann allmählich die Weidewirtschaft. Auf der Landseite war das Dorf durch eine Mauer geschützt. Diese erste Hüttensiedlung gehört zu der sogenannten Apennin-Kultur, die von Apulien bis zum Apennino Emiliano verbreitet war.

Danach folgte in ganz Apulien die subapenninische Kultur: die Hirtengesellschaft wurde sesshaft und siedelte in freistehenden Häusern oder in Grotten bzw. Höhlen. Man wählte für Siedlungen leicht zu verteidigende Stellen. Die Wirtschaft ist gekennzeichnet durch Landwirtschaft, die starke Entwicklung des Handels, v. a. mit der mykenischen Welt, und die Entwicklung der Metallgewinnung.

Forschungen in Egnazia brachten Spuren von prähistorischen Ansiedlungen zutage, die durch Proto-Villanova-Keramik und protogeometrisch-japygische Keramik aus dem Ende der Bronzezeit (12.-10. Jh. v. Chr.) gekennzeichnet sind. Diese Funde kamen nicht auf der Akropolis ans Licht, sondern im äußersten Norden der Siedlung, alle gekennzeichnet durch Merkmale der subapenninischen Kultur.

Die ersten Siedlungen von Egnazia endeten mit einer Zerstörung Ende des 11. Jh. v. Chr., wie eine dicke Brandschicht zeigt. Dies hängt vermutlich mit der Ankunft der Japygier Ende 12. / Anf. 11. Jh. v. Chr. aus Illyrien zusammen, da auch andere subapenninische Dörfer zu dieser Zeit zerstört wurden. Die Japygier bildeten den Grundstock für die apulische Bevölkerung historischer Zeit.

Im 9.-8. Jh. v. Chr. wurde die Akropolis von Egnazia wieder durch Menschen der subapenninischen Kultur Apuliens besiedelt. Zwischen den Hütten aus dem 8.-5. Jh. fand man auch geometrische Keramik, die für Peuketien charakteristisch ist. Man kann daher vermuten, dass es einen direkten Übergang ohne kulturellen Bruch von der subapennischen zur peuketischen Kultur gab, wobei das übrige Kulturgut aber offenbar weiterhin auf dem Niveau der Hüttenkultur blieb und sich dadurch vom Kulturgut des peuketischen Hinterlandes unterscheidet, wo die Bevölkerung Steinbauten benutzte.

Durch die einheitliche Kultur der japygischen Welt entwickelten sich die bisher undifferenzierten Kulturgemeinschaften zu festen ethnischen und sozialen Strukturen und schließlich zu kleinen politischen Einheiten, vielleicht verbunden mit einer zunehmenden wirtschaftlichen Differenzierung. Dabei führte die Verschiedenheit der Völker Apuliens zu Unterschieden im künstlerischen Ausdruck, in den Bestattungsriten, in der Sprache, in den militärischen Anlagen und in den Wohnstrukturen.

Egnazia lag an der Grenze zwischen Peuketien und Messapien und als Grenzstadt war Egnazia sicher von beiden Kulturen beeinflusst. Der peuketische archäologische Befund beschränkt sich auf einfache Tonware und ein einzelnes Grab aus dem 6. Jh. v. Chr. mit einer Bestattung nach dem peuketischen Ritus in Hockstellung. Dies könnte darauf schließen lassen, dass Egnazia bis zum 6. Jh. peuketisch war, wobei die geringe Zahl der peuketischen Funde vielleicht damit zusammenhängt, dass der Kontakt mit dem peuketischen Hinterland durch den steilen Anstieg der südöstlichen Murgia, die von Conversano bis hinter Ostuni geht, stark behindert war. Im unmittelbaren Hinterland Egnazias haben sich zwar immer wieder zerstörte antike Orte gefunden, doch ist das archäologische Material sehr spärlich.

Als wichtiges Seefahrts- und Straßenzentrum der Adria-Küste wurde Egnazia von verschiedenen Kulturen und Handelsbeziehungen beeinflusst. Auch war die Stadt vermutlich in die Spannungen und Konflikte mit Tarent einbezogen, die Süditalien, und besonders Apulien und Lukanien, im 5. Jh. v. Chr. erschütterten und das wirtschaftliche Leben der einheimischen Bevölkerung tiefgreifend beeinflussten. Darauf lassen zumindest die größeren Verteidigungsanlagen schließen, die in dieser Zeit entstanden. Zu dieser Zeit gewann anscheinend auch die messapische Kulturgemeinschaft der Stadt an Bedeutung.

Die vielen gefundenen Inschriften zeigen, dass in Egnazia die messapische Sprache gesprochen wurde, die das griechische Alphabet mit einigen zusätzlichen Buchstaben benutzte. Messapisch sind auch die Gräber und die Keramik, die in den Gräbern gef. wurde, lässt sich in das 5.-2. Jh. v. Chr. datieren. Sie gehört zum geometrisch-messapischen Stil. Eine charakteristische Gefäßform dieses Stils ist die trozzella bzw. Nestoris. Die Erforschung der messapischen Stadt wird jedoch dadurch erschwert, dass das meiste von Bauten späterer Epochen, v. a. aus röm. Zeit, überdeckt wird.

(Fortsetzung folgt …)

Reisetipp: Archäologischer Park Egnazia in Süditalien (Teil 1)

Parco archeologico di Egnazia
Adresse: via degli Scavi, 84 – 72010 Savelletri Di Fasano
Provinz: Brindisi
Website: http://www.egnaziaonline.it/index_file/Page413.htm (hier kann man auch einen Flyer in englischer Sprache runterladen)

Egnazia liegt an der Adriaküste auf halbem Weg zwischen Bari und Brindisi an einem flachen Küstenstück, das leicht vom Meer überflutet werden kann. Wind und Wellen schufen entlang der Küste viele kleine Buchten, doch abgesehen vom Hafen von Brindisi gibt es kaum Buchten, die sich für große Häfen eignen. Zu dieser Erosion durch Wind und Wellen kam eine Hebung des Meeresspiegels und/oder eine Senkung der Küste. Dadurch veränderte sich die Küstenlinie im Lauf der Zeit immer wieder. Man fand heraus, dass der Meeresspiegel vom 7. Jh. v. Chr. bis heute um insgesamt 4,66 m angestiegen ist, so dass einige Reste der antiken Stadt heute vom Meer überflutet sind. Aber auch der Mensch trug zur Zerstörung der Landschaft bei, da das Tuffgestein der Küste als Baumaterial verwendet wurde.

Die archäologischen Funde entlang dieser Küste belegen für die antike Bevölkerung direkte Handelsverbindungen sowohl mit der griechischen und westgriechischen Welt und mit der einheimischen Bevölkerung des Hinterlands als auch mit der illyrischen Bevölkerung an der gegenüberliegenden Küste.

Die freigelegten Bereiche des antiken Egnazia wurden als Freilichtmuseum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Den Kern der Siedlung bildet ein etwas erhöhtes Felsplateau, heute Akropolis genannt, das von zwei Buchten gerahmt wird. Hier ließen sich bereits in prähistorischer Zeit die ersten Menschen nieder, wobei die beiden Buchten als Ankerplätze dienten. Die auf der Akropolis gefundenen Siedlungsspuren belegen eine Besiedlung vom 13.-12. Jh. v. Chr. bis ins Mittelalter hinein. Die lateinischen Schriftquellen nennen die Stadt meist Egnatia, die griechischen Autoren dagegen eher Gnathia.
Das Straßennetz

Egnazia war ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Sein Hafen lag an einem wichtigen Punkt der Mittelmeer-Seefahrt und war durch ein ausgedehntes Straßennetz mit fast allen wichtigen einheimischen und griechischen Orten Apuliens verbunden.

Die wichtigste dieser Straßen wurde in der Kaiserzeit zur Via Traiana oder Via Appia Traiana ausgebaut. Sie führte von Brindisi nach Benevent über Egnazia, Norba, Celia, Bitonto, Ruvo, Canosa und Herdonia. Diese Straße führte dabei über Stationen, die schon in prähistorischer Zeit oder von den späteren einheimischen Kulturen benutzt worden waren. Sie führt quer durch Egnazia und die Geschichte der Stadt war eng mit ihr den Jahrhunderten in Gebrauch blieb, als das römische Reich bereits zusammengebrochen war und die Städte allmählich verfielen.

Eine weitere wichtige Straße führte zum Beispiel an der Küste entlang nach Bari und von dort aus nach Butuntum, wo sie sich mit der Via Traiana vereinigte. Diese Straße hatte v. a. in der frühen Kaiserzeit eine große Bedeutung.

Hier der Verlauf einiger anderer Straßen, die sich in Egnazia trafen:

  • Egnazia – Ceglie Messapico – Oria
  • Egnazia – Monte Sannace – Altamura – Silvium – Serra di Vaglio
  • Egnazia – Fasano – Locorotondo – Martina Franca – Masseria Orimini – Masseria S. Teresa – Tarent

Forschungsgeschichte (kurzer Überblick)

Spätestens im 8. Jh. n. Chr. war die Stadt endgültig aufgegeben worden und zerfiel allmählich. Die Ruinen dienten als Steinbrüche oder versorgten die Kalköfen. Manche wurden auch umgebaut und als Hütten wieder verwendet. Im 14. Jh. n. Chr. wurde Egnazia in einigen Seekarten erwähnt (damaliger Name Ananzo) und seit dem 16. Jh. ist Egnazia unter verschiedenen Namen mit einem Turm auf der sog. Akropolis verzeichnet. seit dieser Zeit wurden auch immer wieder antike Ruinen in Egnazia durch Reisende, Chronisten und Historiker erwähnt.

Das 19. Jh. n. Chr. ist vor allem gekennzeichnet durch Raubgrabungen und erst 1912-13, begannen die ersten offiziellen Grabungen der Soprintendenza alle Antichità della Puglia, zunächst allerdings noch ohne wissenschaftliche Planung. Auch wurde leider fast nichts veröffentlicht. 1963 markiert den Beginn systematischer Grabungen und Forschungen.

Neben der traditionellen archäologischen Forschung wurden später zunehmend auch moderne technische und naturwissenschaftliche Methoden und Hilfsmittel verwendet. Einer der Forschungsschwerpunkte war beispielsweise die Erstellung eines archäologischen Plans des Gebiets von Egnazia.

(Fortsetzung folgt …)

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