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THE hidden LÄND. Wir im ersten Jahrtausend

Große Landesausstellung in Stuttgart
13.09.2024–26.01.2025

„THE LÄND“ ist eine Kampagne Baden-Württembergs, um dieses Bundesland mit seinen vielfältigen Highlights zu präsentieren. „THE hidden LÄND“ schließt sich an diese Kampagne an und zeigt die im Boden verborgenen archäologischen Schätze in 5 Modulen.

Die Ausstellung führt uns durch die Geschichte Baden-Württembergs im ersten Jahrtausend nach Christus – 1000 Jahre, die die Ausstellung an einzelnen wichtigen Orten festmacht, die beispielhaft für eine bestimmte Epoche sind. Ziel ist es, dass der Besucher anhand dieser Orte ein Gefühl dafür bekommt, wie sich die Lebenswelten in diesem Zeitraum gewandelt haben.

Jedes Modul umfasst 200 Jahre und steht unter einem übergeordneten Motto: Integration, Migration, Kommunikation, Spiritualität und Herrschaft. Anhand archäologischer Quellen soll zum einen die Lebenswelt der Bewohner erklärt werden. Gleichzeitig zeigt die Ausstellung, dass wir die vergangenen Jahrhunderte nur durch zufällige Fenster erfassen können. Fenster, die durch Zufallsfunde entstehen. Zum Beispiel bei Bauarbeiten. Oder wenn, wie im Fall von Diersheim, ein Bauer einfach mal wieder einen alten Stein auf seinem Acker findet, der sich später als wichtiges archäologisches Zeugnis entpuppt.

Immer steht im Mittelpunkt eines Moduls ein besonderer Fundplatz, der durch mediale Effekte verdeutlicht wird. Um eine zentrale Installation gruppieren sich zunächst Vitrinen, die mit diesem Fundort zu tun haben. Im weiteren Kreis um diese zentrale Installation finden wir Vitrinen, die zusätzliche Aspekte vorstellen. Ähnlich wie bei einer Suche im Internet, bei der immer wieder periphere Aspekte vorgeschlagen werden. Das Ganze gleicht einem Bühnenbild, wie der Leiter des Landesmuseums, Herr Wolf, erklärt. Diese vertiefenden Vitrinen sind auch etwas anders gestaltet, sodass man den Unterschied sofort erkennt.

Die Ausstellung zeigt zum einen Fundplätze aus Baden-Württemberg, die aber andererseits auch überregionale Bedeutung haben. Teilweise finden wir sogar internationale Highlights.

Modul 1 – Integration

Den Anfang macht das Brandgräberfeld von Diersheim mit einem  Scheiterhaufen als zentraler Installation. Zu den Fundstücken in diesem Modul gehört der oben erwähnte auf einem Acker gefundene Stein. Der Sohn eines germanischen Fürsten ließ diesen Grabstein für seinen Vater aufstellen. Und dieser Sohn hatte bereits einen römischen Namen. Ein schönes Beispiel für die politische und kulturelle Anpassung der ursprünglichen germanischen und keltischen Bewohner an die römischen Besatzer.

Gleich in diesem ersten Raum finden wir unter den Vertiefungsvitrinen auch einige international bedeutende Fundstücke wie beispielsweise Grabfunde aus der Ukraine. So unter anderem einen Kessel, der in Rom gefertigt wurde, aber offenbar als diplomatisches Geschenk gedacht war. Denn die Halterungen für die  Henkel sind Köpfe von Sueben, die sich durch eine besondere Haartracht, einen seitlichen Haarknoten auszeichnen. Als Sueben verstanden die Römer alle germanischen Völker südlich des Mare Baltikum, der Ostsee.

Ein weiteres Prunkstück in Modul 1 ist ein prunkvolles Portal aus Ladenburg bzw. die  Beschläge dieses Tors, die wohl im 3. Jh. vor germanischen Angreifern in Sicherheit gebracht und vergraben wurden.

Modul 2 – Migration

Migration – bis heute ein wichtiger Bestandteil im Leben verschiedener Gesellschaften – begegnet uns in Modul 2. Im 3. Jahrhundert n. Chr. war das Römische Reich in eine tiefe Krise geraten. Kaiser und Gegenkaiser und dadurch resultierende Bürgerkriege führten zu einem wirtschaftlichen Niedergang der von den Römern besetzten Gebiete. Das römische Militär zog sich schließlich immer weiter zurück und ließ die einheimische Bevölkerung schutzlos zurück.

Für die Bauernhöfe im Hinterland der römischen Lager und Städte fielen damit die Hauptabnehmer weg. Gleiches galt ganz allgemein für Handel und Wirtschaft. Nach und nach ließen sich andere germanische Volksgruppen in den offengelassenen Gebieten nieder.

Diese Zeit der sogenannten Völkerwanderung stellt die Ausstellung am Beispiel einer Ladenzeile in Güglingen, einem römischen Vicus vor – mit den typischen römischen Streifenhäusern, die sich an der Straße entlangzogen. Die Lichtinszenierung in diesem Modul zeigt die Entwicklung von diesen Häusern über Holzbauten, die noch die alten Fundamente nutzen, bis hin zu Grubenhäusern.

Modul 3 – Kommunikation

Im Mittelpunkt des dritten Moduls steht der Reihengräberfriedhof von Lauchheim, der von nationaler Bedeutung ist. Auffällig ist, dass in den Gräbern nicht die Alltagskultur thematisiert wird. Denn alle diese Personen waren eigentlich Bauern. Stattdessen wird das Kriegerische herausgestellt – mit Waffen in den Gräbern. Sogar ein drei- oder vierjähriger Junge wurde mit Waffen beziehungsweise einem großen Schild bestattet. Typisch für Süddeutschland und Italien ist das Folienkreuz, das sich auch in einem dieser Gräber findet. Der restliche Teil der Grabbeigaben ist heidnisch. Auch Frauen werden nicht als Bäuerin dargestellt, sondern als die Hausherrin, die sich um das Weben von Stoffen kümmert.

Weitere Highlights unter den Grabbeigaben sind Stühle, Tische und alles, was zu einem Gelage dazugehörte, sowie die am besten erhaltene Leier, die wir kennen. Es ging den Menschen dieser Zeit also offenbar nicht darum, ihre Lebenswirklichkeit abzubilden. Stattdessen kommunizierte man mit den bei der Bestattung zur Schau gestellten Grabbeigaben die gesellschaftliche Stellung der Verstorbenen.

Modul 4 – Spiritualität

Spiritualität steht im Mittelpunkt des im selben Raum anschließenden nächsten Moduls, vorgestellt am Beispiel der ältesten Kirche in Südwestdeutschland – der Sülchenkirche von Rottenburg am Neckar. Während andere antike Religionen nur Männer zuließen, wie zum Beispiel der Mithraskult, oder Sklaven ausschlossen, zeigte sich das Christentum sehr integrativ. Hier waren alle willkommen.

Während die Grabstätten früher außerhalb der Ortschaften lagen, wollte man nun in der Nähe von Heiligen bzw. ihren Reliquien bestattet werden. Man begrub die Toten jetzt um Kirchen herum oder sogar in der Kirche. Manchmal errichtete man auch eine Kirche über einem Friedhof, der um einen Heiligen herum entstanden war.

Jeder wollte an der Aura eines Heiligen teilhaben und der Kult mit Reliquien führte teilweise zu skurrilen Blüten. So wurden Überreste von echten und vermeintlichen Heiligen regelrecht zerstückelt und in alle Welt zerstreut. Es gab sogar tragbare Reliquiare, von denen die Ausstellung einige zeigt. Reliquiare wie diese wurden von Wandermönchen mitgeführt, zum Beispiel von Sankt Gallus, dem Gründer von Sankt Gallen.

Modul 5 – Herrschaft

Im 9. und 10. Jahrhundert gliederte sich die Gesellschaft in Adel, Klerus und Bauern. Adel und Klerus grenzten sich durch Kleidung und Insignien ab, die ihren jeweiligen Stand sichtbar zur Schau stellten. Hierzu gehörten Siegelringe beim Klerus oder kostbar verzierte Schwerter beim Adel. Die arbeitende Bevölkerung durfte hingegen nicht einmal Waffen tragen.

Der König hatte in dieser Zeit keinen festen Regierungssitz, sondern reiste mit seinem Hofstaat von einem Wohnsitz zum nächsten. Einer dieser Wohnsitze war die Königspfalz Ulm, die im Mittelpunkt des fünften und letzten Moduls steht. In diesem Raum befindet sich auch eine der wenigen multimedialen Installationen der Ausstellung. Hier kann der Besucher Videos ansehen. Das Highlight ist jedoch die originalgetreue Kopie einer Schwertscheide, die wohl aus dem 11. Jahrhundert stammt.  

Campus Galli

Die Ausstellung bietet zum Schluss noch „Archäologie zum Anfassen“. Die Klosterbaustelle „Campus Galli“ in Meßkirch ist hier mit einem  Einblick in mittelalterliches Handwerk vertreten. Mit den Mitteln des 9. Jahrhunderts soll in Meßkirch ein Kloster auf Grundlage des weltberühmten St. Galler Klosterplans entstehen. Im Rahmen der Stuttgarter Ausstellung errichten verschiedene Handwerker nach und nach mit diesen einfachen technischen Mitteln eine kleine Hütte mit Schindeldach.

Zu dieser sehenswerten Ausstellung ist ein umfangreiches Begleitbuch erschienen, dass nicht nur die ausgestellten Funde und Orte ausführlich vorstellt. Es geht auch auf die Konzeption der medialen Präsentation ein und rundet das Erlebnis „THE hidden LÄND“ hervorragend ab.

Weitere Informationen: https://www.thehiddenlaend.de

Die „Römermauer“ am Augsburger Dom

Im Stadtbild des modernen Augsburg sieht man leider nur sehr wenige Reste seiner großen Vergangenheit als Augusta Vindelicum (oder Augusta Vindelicorum), der Hauptstadt der römischen Provinz Raetien. Einer dieser seltenen Plätze ist die sogenannte Römermauer beim Augsburger Dom.

Die „Römermauer“ selbst entstand erst Mitte des 20. Jahrhunderts. Ursprünglich wurden hier römische Inschriftensteine präsentiert, die bei Grabungen im dahinterliegenden Fronhof gefunden wurden. Leider bot die Mauer mit ihrem Dach nicht genügend Schutz vor Witterung und Umweltverschmutzung. Und auch Vandalismus setzte den Originalsteinen zu. Daher beschloss man 2000/2001 die Originale abzunehmen und die Römermauer mit Abgüssen umzugestalten.

Zu sehen sind nun zum einen Abgüsse von Ehreninschriften, zum anderen gibt es Architekturelemente wie Kapitelle und Basen von Säulen, Gesimse, Architrave und sogar eine Bauinschrift. Leider wurden alle diese Stücke eher zufällig gefunden und lassen sich keinem Bau oder auch nur einem bestimmten Fundort zuweisen.

Einblicke in das religiöse Leben der Stadt bieten einige Weihesteine. Und verschiedene Grabdenkmäler (siehe Bild oben), darunter das fast 7 Meter hohe Grabmal des Marcus Aurelius Carus aus der Zeit um 180/200 n. Chr., veranschaulichen das Wirtschaftsleben in der rätischen Hauptstadt.

Das ebenfalls auf dem Domvorplatz gelegene sogenannte archäologische Fenster zeigt die Fundamente der Johanneskirche, die Anfang des 20. Jahrhunderts freigelegt wurde. Des Weiteren werden einige Strukturen darunterliegender römischer Gebäude im Pflaster sichtbar gemacht. Was fehlt, ist jedoch eine genauere Erklärung, denn die Infotafeln wurden inzwischen entfernt.

MITHRAS. Annäherungen an einen römischen Kult

25.11.2022 – 10.4.2023, Archäologisches Museum Frankfurt

Die im Frankfurter Stadtteil Heddernheim, dem römischen Nida, gefundenen Zeugnisse des Mithras-Kults bilden schon seit langem einen Schwerpunkt der Dauerausstellung im Archäologische Museum Frankfurt. Nun aber widmet sich eine Sonderausstellung diesem weitverbreiteten Kult, über den wir aber kaum schriftliche Überlieferungen haben.

Die Ausstellung entstand aus der Kooperation der Museen Königliches Museum von Mariemont (Belgien), Museum von Saint-Raymond in Toulouse (Frankreich) und Archäologisches Museum Frankfurt (Deutschland), die sich von 2020 bis 2023 in einem gemeinsamen Projekt dem Mithras-Kult widmeten. Der Name des Projektes, MITHRA, nimmt zum einen den Namen des Gottes auf, steht zum anderen aber als Abkürzung für Mobility And Intercultural Dialogue For The Transmission Of Heritage From Roman Antiquity (Mobilität und interkultureller Dialog für die Vermittlung des Erbes der römischen Antike).

Ab dem 1. Jahrhundert verbreiteten sich einige sogenannte Mysterienkulte im Imperium Romanum. Dabei handelt es sich um Religionen, deren religiöse Lehren und Riten nicht an Außenstehende weitergegeben wurden. Ihre Mitglieder, Mysten genannt, mussten sich in der Regel erst besonderen Riten unterziehen, bevor sie vollwertige Mitglieder wurden. Der Mithras-Kult war offenbar einer der beliebtesten Mysterienkulte. Viele der mehr als 150 bisher gefundenen Kulträume, der sogenannten Mithräen, fand man in den Grenzregionen des Römischen Reiches.

Kern der Frankfurter Ausstellung sind natürlich die Funde aus dem Stadtgebiet selbst sowie weitere Funde aus der Grenzregion des Imperium Romanum entlang von Donau und Rhein. Aber auch Stücke aus den anderen am Projekt beteiligten Museen sowie ausgewählte Funde aus weiteren Regionen, darunter Italien (z. B. Ostia und Vulci) illustrieren, was wir heute über den Mithras-Kult wissen: über die Entstehung, die dem Kult zugrundeliegende Legende, die Einweihegrade, den Ablauf des Kults, die Ausstattung der Mithräen usw.

Anhand von Originalfunden, Kopien und zahlreichen informativen Wandtexten zeigt die Ausstellung Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen. Auch mögliche Gründe, warum der Kult nicht überlebte, werden thematisiert. Bis etwa 400 n. Chr. werden offenbar die letzten Mithräum geschlossen. Das Christentum hatte inzwischen alle anderen Religionen im Imperium Romanum verdrängt und seine Anhänger sorgten oft dafür, alle Spuren dieser Religionen zu vernichten.

Weitere Themen der Ausstellung sind die Erforschung des Kults und seine Rezeption bis heute. Alles in allem ist die Ausstellung in Frankfurt eine gelungene Übersicht über den aktuellen Forschungsstand, zu dem das Projekt MITHRA einen entscheidenden Beitrag geleistet hat. Wer sich über die Ausstellung hinaus über den Mithras-Kult informieren will, dem steht ein umfangreicher Sammelband zur Verfügung, der allerdings leider nur in Englisch und Französisch erschienen ist.

Weitere Informationen zum Projekt unter https://mithra-project.eu/

Katalog:

L. Bricault – R. Veymiers – N. Amoroso Boelcke – L. Barthet (Hrsg.), The Mystery of Mithras. Exploring the heart of a Roman cult (Mariemont 2021)

Ave Caesar! Römer, Gallier und Germanen am Rhein

23. Oktober 2022 – 30. April 2023, Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig

Vom Herbst 2022 bis zum Sommer 2023 zeigt eine Ausstellungsreihe in 38 Museen in Frankreich, Deutschland und der Schweiz die Bedeutung des Rheins für diese Länder. Jede Ausstellung greift dabei andere Themen heraus und trägt so dazu bei, Natur, Geschichte, Technik, Kultur oder Kunst rund um den Fluss zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. So widmet sich zum Beispiel das Antikenmuseum Basel der Rolle des Rheins in der Antike.

Die Ausstellung zeigt den Fluss als wichtigen Verkehrsweg, der verschiedene Kulturen verband. Er ermöglichte nicht nur Handel über weite Strecken, sondern förderte – damit verbunden – auch den Kulturaustausch zwischen Griechen, Römern und Etruskern auf der einen und Galliern und Germanen auf der anderen Seite.

Das Basler Museum zeigt, wie sich die Kontakte zwischen all diesen Völkern gestalteten. Eine Zeitenwende bildete dabei Caesars „Gallischer Krieg“. Kontakte und Austausch von Gütern, Ideen und auch Menschen gab es schon vorher, nun aber nahmen die Römer das Land bis zum Rhein in Besitz und erklärten den Fluss zur Grenze zu ihrem Imperium. Auch wenn dieser „nasse Limes“ keine undurchlässige Barriere gegen die Menschen am anderen Ufer bildete, markierte der Krieg doch eine neue Dimension in den Beziehungen zwischen Römern, Galliern und Germanen.

Im Römischen Reich übernahmen die dort lebenden „Barbaren“ mehr und mehr die römische Kultur mit all ihren Annehmlichkeiten: feines Geschirr, Thermen, Villen mit jeglichem Luxus usw. Und die jenseits Rheins lebenden Völker überquerten die Grenze, um über den Handel an der römischen Kultur teilzuhaben. Später drangen ganze Scharen dieser sogenannten Barbaren in das Imperium ein, um sich dort niederzulassen. Dieser Kulturaustausch war jedoch keine Einbahnstraße. So nahmen die Römer beispielsweise keltische Gottheiten in ihren Pantheon auf.

Auch die Umwelt veränderte sich. Um die Versorgung ihrer Soldaten sicherzustellen und schnelle Truppenbewegungen zu ermöglichen, erschlossen die Römer das eroberte Land durch hunderte von Straßen. Sie beuteten die Rohstoffe aus und das Hinterland der Militärlager war mit Landgütern übersät, die die Ernährung der Soldaten sicherten.

All diese Veränderungen stellt die Ausstellung in Basel schlaglichtartig vor und die kostenlose Begleitpublikation vertieft die Informationen für den interessierten Besucher.

Weitere Informationen:

https://www.antikenmuseumbasel.ch

Die Begleitpublikation und die Ausstellungstexte stehen auch digital zur Verfügung:

https://issuu.com/antikenmuseumbasel/docs/amb_sa_ave_caesar_katalog_issuu_2209151

Buchbesprechung: Mario Bloier, Biricianis. Kernprovinz – Grenzraum – Vorland (2022)

Kontakte und Strukturen vom 1. Jh. v. bis zum 6. Jh. n. Chr. im Bereich von Raetien, Noricum und benachbarten Gebieten

Seit 2012 findet in unregelmäßigen Abständen die Tagungsreihe „Colloquium“ statt, die sich zur Aufgabe gemacht hat, verschiedene Aspekte des römischen Lebens in den römischen Provinzen Raetia und Noricum näher zu beleuchten. Darunter Themen wie die römische Badekultur, die ländliche Siedlungs- und Verkehrsinfrastruktur sowie das römische Militär als Wirtschaftsfaktor und Kulturträger. Im 5. Colloquium schließlich, das 2019 in Weißenburg, dem römischen Biricianis, stattfand, ging es um den Kulturaustausch zwischen dem „Innen“, also dem römischen Reich, und dem „Außen“, den Barbaren hinter dem Limes. Siebzehn Vorträge der dreitägigen Tagung legt Mario Bloier, Leiter der Museen Weißenburg, nun in diesem Buch vor.

Den Einstieg bildet ein interessanter Einblick von Mario Bloier in die Rezeption von Römern und Germanen auf Schulwandbildern, in denen sich die jeweiligen politischen Strömungen gut erkennen lassen. Einer der Kernfragen dieses Kolloquiums widmet sich Natalie Schlirf. Kann man von einer römischen „Außenpolitik“ sprechen? Und welche Rolle spielte der Limes als Grenze zwischen dem römischen Reich und dem sogenannten „Barbaricum“? Sie legt dar, dass der römische Kaiser weniger eine Außenpolitik im heutigen Sinne ausübte, sondern eine Art „Politik nach außen“, die die Beziehungen zwischen Rom und anderen Völkern regelte – ganz gleich, ob diese Völker jenseits des Limes lebten oder sich innerhalb dieser Grenzen als nicht zum römischen Reich zugehörig ansahen. Gleichzeitig diente diese Politik der Sicherung der kaiserlichen Macht im Innern des Imperium.

In den nächsten zwei Beiträgen geht es um das römische Raetien. Felix Guffler zeigt, dass die Statthalterschaft in dieser Provinz im 1. und 2. Jahrhundert eine wichtige Karrierestufe in der ritterlichen Laufbahn darstellte. Nur Männer mit Erfahrung in der Verwaltung und den militärischen Besonderheiten von Grenzprovinzen wurden hier eingesetzt. Und Aura Piccioni lässt uns an ihren Überlegungen zu der sogenannten „rätischen Trias“ Mercurius, Minerva und Apollo teilhaben.

Die folgenden Vorträge widmen sich zum einen den Einflüssen attischer und stadtrömischer Werkstätten auf die Grabreliefs in Noricum und Pannonia (Katarina Šmid), zum anderen aber auch der in Salzburg gefundenen Keramik (Ulli Hampel und Lisa Huber). Neben Terra-Sigillata-Imitationen steht hier vor allem die bisher in der Forschung vernachlässigte zonal bemalte Keramik im Mittelpunkt. Die Entstehung und Entwicklung des römischen Salzburg ist Thema des Beitrags von Peter Höglinger.

Bei den Beiträgen zum römischen Weißenburg geht es nicht nur um die Thermen (Yvonne Reichel). Vorgestellt werden auch neue Ausgrabungen im Kastellvicus (Marcus Arnolds und Mariola Hepa). Und anhand der Bergung, Restauration und Präsentation eines römischen Töpferofens zeigt Mario Bloier, wie die Stadt ihr römisches Erbe vermittelt.

Ein wichtiges Thema in den letzten Jahren war der Antrag, den Donaulimes zum UNESCO-Welterbe erklären zu lassen. C. Sebastian Sommer geht zum einen auf das zugrundeliegende Konzept ein und zeigt, welche Schwierigkeiten schließlich für das vorübergehende Aus des Antrags verantwortlich waren.  

In zwei weiteren Beiträgen zum Donaulimes geht es noch einmal um die Provinz Noricum. Klaus Freitag untersucht eine Reihe von Einraumbauten Steinfundamenten und kommt zu dem Schluss, dass, auch wenn in anderen Regionen diese Art Bauten oft als Wirtschaftsbauten genutzt wurden, es sich bei den Einraumhäusern im Südost-Noricum offenbar zumindest teilweise um Wohnhäuser handelte. Dafür sprechen Heizungsanlagen oder Wandmalereien. Offenbar beruhte dies auf lokalen Traditionen. Im letzten Beitrag schließlich geht Sebastian Schmid anhand der Entwicklung des Kastells Arelape/Pöchlarn auf die militärische Sicherung der römischen Provinz durch Militärlager ein.

Den Abschluss bilden ein Poster, mit dem die Gästeführer des Limes in Baden-Württemberg ihren Verband der Limes-Cicerones (VdLC) den Tagungsteilnehmern präsentierte, ein Autorenverzeichnis, das Tagungsprogramm sowie einige Fotos, die einen Eindruck von der Tagung vermitteln.

Der vorliegende Band gibt einen guten Überblick über das Leben von Römern und Einheimischen am Limes und verdeutlicht, dass der Limes keine starre, undurchdringliche Grenze war. Im Gegenteil. Die Grenzregion rund um den Donaulimes war eine Region, in der Handel und Kulturaustausch blühten.

Mario Bloier(Hrsg.)

Biricianis. Kernprovinz – Grenzraum – Vorland. Kontakte und Strukturen vom 1. Jh. v. bis zum 6. Jh. n. Chr. im Bereich von Raetien, Noricum und benachbarten Gebieten

Nünnerich-Asmus Verlag
Erschienen 2022
160 Seiten, 133 Abbildungen
ISBN 978-3-96176-204-0

Das Buch ist unter anderem bei Amazon erhältlich. Ein Klick auf das Bild führt direkt dorthin.

Limeseum und Römerpark Ruffenhofen (Teil 3)

Die Funde aus dem Ruffenhofener Lager befinden sich im Limeseum, einem 2012 eingeweihten Museum beim Römerpark. Das Museum gliedert sich in die vier Themenbereiche „Typisch Rom“, „Eine Grenze für Rom“, „Soldaten für Rom“ und „Das Leben im Vicus“. Zusätzlich gibt es ein Museumskino und Raum für Sonderausstellungen.

Vorbei an Zitaten zum Limes von der Antike bis heute führt uns der Weg zunächst zu einem Bereich, der uns typische Errungenschaften präsentiert, die um ca. 100 n. Chr. im Zuge der römischen Eroberung auch in die Gegend des heutigen Ruffenhofen kamen. Dazu gehören Gemmen und Münzen sowie Häuser mit Wandmalereien, Fußbodenheizung und Wandheizung. Ein weiteres wichtiges Kulturgut der Römer war ihre Sprache und die Schrift, einheitliche Maße und Gewichte sowie der Straßenbau.

Die Grenzbefestigung am Limes illustriert eine Kopie von der Markussäule in Rom und ein Modell des Limes mit einem Wachtturm. Ein Plan und ein großes Modell zeigen uns Grundriss und Lage des Kastells von Ruffenhofen und der dazugehörigen Zivilsiedlung. Ein Themenschwerpunt in diesem Bereich ist auch die Dendrochronologie, mit deren Hilfe die gefundenen Palisadenhölzer usw. datiert werden konnten. Auch andere archäologische Methoden werden hier vorgestellt, z. B. die Luftbildarchäologie oder geomagnetische Prospektion.

Auch zu den stationierten Soldaten geben uns verschiedene Funde Auskunft. So fand man beispielsweise das Fragment eines Militärdiploms, mit dem der Helvetier Villmus zum Ende seiner Dienstzeit das römische Bürgerrecht erhielt. Ein weiterer namentlich bekannter Soldat aus Ruffenhofen ist December, der seinen Helm mit seinem Namen markierte.

December begleitet uns durch das ganze Museum. Er dient als Beispiel für den möglichen Lebenslauf eines römischen Soldaten – von seiner Zeit als Soldat über seine Entlassung als römischer Bürger bis hin zu seinem anschließenden Leben als Handwerker zusammen mit Frau und Kind in der Zivilsiedlung vor dem Lager. Vom Leben im Vicus erzählen Spielzeug, Schmuck, Utensilien zur Schönheitspflege und verschiedene Gegenstände für den Haushalt. Aber auch zum Totenkult und zur Religion geben die Funde aus der Zivilsiedlung und den umliegenden Gutshöfen Auskunft.

Im Museumskino kann man das Gesehene noch einmal vertiefen, bevor man im letzten Raum, der auch für Sonderausstellungen dient, durch das große Panoramafenster einen Blick auf den Römerpark werfen kann.

Literatur:
Matthias Pausch (Hrsg.): Limeseum Ruffenhofen: An den Grenzen des Römischen Reiches – Ein Museumsführer Heinl, Rednitzhembach 2013

Limeseum und Römerpark Ruffenhofen (Teil 2)

Das römische Kastell von Ruffenhofen liegt an der Mündung des Denzenbachs in den Fluss Wörnitz und ca. 1,5 km von der Mündung der Sulzach in die Wörnitz. Anfangs handelte es sich vermutlich um ein Holzkastell, das erst Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. in Stein erneuert wurde. Vom Holzkastell wurde allerdings bisher nichts gefunden. Das Steinkastell war 190 x 197 m groß. Die Hauptseite, d. h. die dem Feind zugewandte Seite, war nach Nordosten zum Hesselberg ausgerichtet. An dieser Seite befand sich zwischen der Porta Praetoria mit zwei Durchfahrten und den Ecktürmen jeweils ein weiterer Turm. Auch an den beiden anschließenden Seiten hatten die Tore zwei Durchfahrten. Die Anzahl der Zwischentürme ist an diesen Seiten jedoch noch unklar. Das Tor an der Rückseite hatte nur eine Durchfahrt und hier scheint es auch keine Zwischentürme gegeben zu haben. Das Lager war außerdem von Gräben umgeben, wobei die beiden äußeren vermutlich erst im 3. Jh. angelegt wurden.

Von der Innenbebauung des Kastells konnten die Principia, das Stabs- und Verwaltungsgebäude, die große Mehrzweckhalle über der Via principalis sowie der dahinter liegende Hof mit umliegenden Diensträumen und Fahnenheiligtum nachgewiesen werden. Auch von den in Holz errichteten Wohnbaracken der Soldaten konnten durch geophysikalische Methoden fünf Bauten dokumentiert werden.

Das Ruffenhofener Kastell scheint Mitte des 3. Jahrhunderts n Chr. verlassen worden zu sein, als es offenbar einem Brand zum Opfer gefallen worden war.

Vor dem Kastell erstreckte sich der Vicus, die Zivilsiedlung, offenbar etwa 700 Meter nach Süden und Südosten. Von dieser Siedlung ist bisher nicht viel nachgewiesen. Nachgewiesen werden konnte die Gräberstraße, eine Therme und möglicherweise ein kleiner Tempel.

(Fortsetzung folgt …)

Limeseum und Römerpark Ruffenhofen (Teil 1)

Im Hinterland des obergermanisch-rätischen Limes, der seit 2005 zum UNESCO-Welterbe „Grenzen des Römischen Reiches“ gehört, entstanden ab ca. 100 n. Chr. Kastelle, deren Besatzung die Grenze schützen sollte. Eines dieser Lager entstand gut 2 km vom Limes entfernt beim heutigen Ort Ruffenhofen im Kreis Ansbach.

Das römische Kastell von Ruffenhofen lag zwischen den Kastellen Aalen und Weißenburg und ist ca. 3,7 Hektar groß. Die Fläche des Lagers wurde in späteren Jahrhunderten nicht überbaut, sondern nur landwirtschaftlich genutzt. Um die archäologischen Strukturen im Boden zu schützen, begann man 2002 mit dem Ankauf der Flächen und der Einrichtung des Römerparks Ruffenhofen, der auch die zum Lager gehörende Zivilsiedlung umfasst.

Als Teil des UNESCO Welterbes darf das Lager nicht ausgegraben werden. Stattdessen wird es mit zerstörungsfreien Methoden erforscht (sogenannte geophysikalische Prospektion). Die Umrisse des Lagers und seiner Innenbauten werden durch Pflanzen markiert.

Der Weg durch den Römerpark (Lageplan) beginnt an einem Aussichtshügel, von dem man sich einen ersten Überblick über das Gelände verschaffen kann. Ein Modell im Maßstab 1:10 einen veranschaulicht die bisher gefundenen Strukturen.

Detaillierte Informationen zum Kastelle und der Zivilsiedlung findet der Besucher an verschiedenen Stationen des Spaziergangs anhand von Schildern, Bildszenen und Abgüssen römischer Steindenkmäler.

 

(Fortsetzung folgt …)

Kelten und Römer in Manching

Im südöstlich von Ingolstadt gelegenen Ort Manching fand man Reste eines bedeutenden keltischen Oppidums sowie eines römischen Kastells aus dem 1. Jh. n. Chr.

Das Oppidum, eine befestigte, stadtartig angelegte Siedlung der Kelten, war von einem ca. 8 km langen Ringwall umgeben. Dieser im Mittelalter als „der Pfahl“ bekannte Wall wurde erstmals 1888 mit einer keltischen Siedlung in Verbindung gebracht und schon 1892 fanden erste Ausgrabungen statt. Weitere Ausgrabungen folgten im 20. Jahrhundert, unter anderem während des Baus und der späteren Instandsetzungen des Militärflughafens.

Das Manchinger Oppidum war offenbar eine der größten Keltensiedlungen Europas. Die besiedelte Fläche war 3,8 Quadratkilometer groß, es gab einen Hafen und zahlreiche öffentliche Gebäude. Funde wie Wein und andere Luxusgüter aus Italien oder Südgallien zeigen, dass dieses Oppidum gut in der antiken Welt vernetzt war. Die Siedlung bestand vom 3. bis zum 1. Jh. v. Chr. Zur Zeit ihrer größten Blüte im letzten Drittel des 2. Jahrhunderts v. Chr. wurde der Ringwall mit seinen großen Toren errichtet. Man geht davon aus, dass der Niedergang dieser Siedlung mit dem allgemeinen wirtschaftlichen Niedergang der keltischen Welt zusammenhängt.

Allmählich ging das Land in den Besitz der römischen Eroberer über, die diese Grenzregion ihres Reiches Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. mit einem Kastell sicherten. Das Lager im Manchinger Ortsteil Oberstimm beherbergte ca. 500 Soldaten, die unter anderem den Verkehr auf dem südlichsten der damaligen Donauarme kontrollierte und auch Versorgungsaufgaben für andere Militärlager im Hinterland des Donaulimes wahrnahm.

Bekannt ist das Kastell von Oberstimm heute vor allem durch die zwei römischen Militärschiffe, die 1986 dort gefunden wurden. Die Schiffe können in die Zeit Domitians oder Trajans datiert werden. Sie wurden zunächst im Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz restauriert und bilden seit 2005 einen Höhepunkt des kelten römer museums manching.

Das Museum beherbergt neben den Schiffen ein Modell des Kastells in Oberstimm, von dem heute sonst leider nichts mehr zu sehen ist. Funde aus dem Lager zeugen vom Leben einfacher Soldaten, aber auch von ihren Vorgesetzen, die es sich sogar leisten konnten, Austern zu importieren.

Der zweite Teil der Dauerausstellung ist den Menschen gewidmet, die im Oppidum von Manching lebten. Höhepunkte sind hier einer der größten keltischen Goldschätze sowie ein Bäumchen aus Gold. Andere Funde zeugen von den weitreichenden Handelskontakten der Kelten.

Zum Museum von Manching gehört außerdem ein archäologischer Lehrpfad mit 20 Informationstafeln an 11 Standorten, auf dem man auf keltischen und römischen Spuren wandeln kann.

Weitere Informationen bietet die Website des Museums, die sehr detailliert alles Wissenswerte zu Oppidum, Kastell, Museum und Lehrpfad vorstellt.

Obernburg am Main – auf den Spuren der römischen Besiedelung

Eines der Kastelle, die die Römer entlang des „nassen“ Limes Main bauten, befindet sich an der Stelle des heutigen Ortes Obernburg am Main in Bayern. Das ca. 110 n. Chr. errichtete Kohortenlager befindet sich gegenüber des Flusses Elsava. Etwas südlich fließt auch die Mümling in den Main.

Das Lager ist heute komplett überbaut, seine Struktur kann man jedoch noch teilweise im Straßenplan der Altstadt nachvollziehen. Die Badgasse folgt der Via Praetoria, die von der Porta praetoria (im Pflaster der Badgasse kenntlich gemacht) zum Stabsgebäude führte. Der Via decumana, die hinter dem Stabsgebäude zur Porta decumana führte, folgt heute die Schmiedstraße. Die Römerstraße dagegen entspricht der Via principalis, der Straße, die vor den Principia entlangführte. An einigen wichtigen Stellen des Lagers sind Hinweisschilder angebracht.

Die wichtigste Entdeckung Obernburgs war allerdings eine Benefiziarierstation mit dem dazugehörigen Weihebereich. Die Ausgrabungen (2000 – 2007) konnten erstmals eine vollständige Benefiziarerstation freilegen und dokumentieren. Benefiziarier dienten im römischen Militär als Sekretäre und waren normalerweise an verschiedene Orte in der Provinz abkommandiert, wo sie auch als eine Art Polizei fungierten. Sie wurden alle 6 Monate ausgetauscht und als Dank dafür, dass sie diese Zeit gut überstanden haben, dankten sie den Göttern zum Ende ihrer Dienstzeit mit Weihesteinen, die uns heute wichtige Informationen über die stationierten Soldaten liefern.

Viele Funde aus dem Lager und der Benefiziarierstation werden im Römermuseum von Obernburg präsentiert. Dort gibt es auch ein Modell des römischen Obernburg. Der besondere Schatz des Museums sind jedoch Inschriftensteine aus dem Weihebezirk der Benefiziarier. Außerdem ist die Bauinschrift des Stabsgebäudes des Lagers ausgestellt sowie zahlreiche Kleinfunde, z. B. Fibeln, Gebrauchskeramik und Münzen. Auch wurden Bruchstücke mehrerer Jupitergigantensäulen.gefunden. Die Rekonstruktion einer vollständigen Jupitergigantensäule steht vor dem Museum. Der Keller ist dem Mithraskult gewidmet.

 

Weitere Informationen:

Literatur:

  • Erfurth, Eric (2017): Römerstadt Obernburg am Main. Ein Rundgang. Erste Auflage. Obernburg am Main: LOGO VERLAG Eric Erfurth. ISBN 978-3-939462-30-9

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