Kontakte und Strukturen vom 1. Jh. v. bis zum 6. Jh. n. Chr. im Bereich von Raetien, Noricum und benachbarten Gebieten

Seit 2012 findet in unregelmäßigen Abständen die Tagungsreihe „Colloquium“ statt, die sich zur Aufgabe gemacht hat, verschiedene Aspekte des römischen Lebens in den römischen Provinzen Raetia und Noricum näher zu beleuchten. Darunter Themen wie die römische Badekultur, die ländliche Siedlungs- und Verkehrsinfrastruktur sowie das römische Militär als Wirtschaftsfaktor und Kulturträger. Im 5. Colloquium schließlich, das 2019 in Weißenburg, dem römischen Biricianis, stattfand, ging es um den Kulturaustausch zwischen dem „Innen“, also dem römischen Reich, und dem „Außen“, den Barbaren hinter dem Limes. Siebzehn Vorträge der dreitägigen Tagung legt Mario Bloier, Leiter der Museen Weißenburg, nun in diesem Buch vor.

Den Einstieg bildet ein interessanter Einblick von Mario Bloier in die Rezeption von Römern und Germanen auf Schulwandbildern, in denen sich die jeweiligen politischen Strömungen gut erkennen lassen. Einer der Kernfragen dieses Kolloquiums widmet sich Natalie Schlirf. Kann man von einer römischen „Außenpolitik“ sprechen? Und welche Rolle spielte der Limes als Grenze zwischen dem römischen Reich und dem sogenannten „Barbaricum“? Sie legt dar, dass der römische Kaiser weniger eine Außenpolitik im heutigen Sinne ausübte, sondern eine Art „Politik nach außen“, die die Beziehungen zwischen Rom und anderen Völkern regelte – ganz gleich, ob diese Völker jenseits des Limes lebten oder sich innerhalb dieser Grenzen als nicht zum römischen Reich zugehörig ansahen. Gleichzeitig diente diese Politik der Sicherung der kaiserlichen Macht im Innern des Imperium.

In den nächsten zwei Beiträgen geht es um das römische Raetien. Felix Guffler zeigt, dass die Statthalterschaft in dieser Provinz im 1. und 2. Jahrhundert eine wichtige Karrierestufe in der ritterlichen Laufbahn darstellte. Nur Männer mit Erfahrung in der Verwaltung und den militärischen Besonderheiten von Grenzprovinzen wurden hier eingesetzt. Und Aura Piccioni lässt uns an ihren Überlegungen zu der sogenannten „rätischen Trias“ Mercurius, Minerva und Apollo teilhaben.

Die folgenden Vorträge widmen sich zum einen den Einflüssen attischer und stadtrömischer Werkstätten auf die Grabreliefs in Noricum und Pannonia (Katarina Šmid), zum anderen aber auch der in Salzburg gefundenen Keramik (Ulli Hampel und Lisa Huber). Neben Terra-Sigillata-Imitationen steht hier vor allem die bisher in der Forschung vernachlässigte zonal bemalte Keramik im Mittelpunkt. Die Entstehung und Entwicklung des römischen Salzburg ist Thema des Beitrags von Peter Höglinger.

Bei den Beiträgen zum römischen Weißenburg geht es nicht nur um die Thermen (Yvonne Reichel). Vorgestellt werden auch neue Ausgrabungen im Kastellvicus (Marcus Arnolds und Mariola Hepa). Und anhand der Bergung, Restauration und Präsentation eines römischen Töpferofens zeigt Mario Bloier, wie die Stadt ihr römisches Erbe vermittelt.

Ein wichtiges Thema in den letzten Jahren war der Antrag, den Donaulimes zum UNESCO-Welterbe erklären zu lassen. C. Sebastian Sommer geht zum einen auf das zugrundeliegende Konzept ein und zeigt, welche Schwierigkeiten schließlich für das vorübergehende Aus des Antrags verantwortlich waren.  

In zwei weiteren Beiträgen zum Donaulimes geht es noch einmal um die Provinz Noricum. Klaus Freitag untersucht eine Reihe von Einraumbauten Steinfundamenten und kommt zu dem Schluss, dass, auch wenn in anderen Regionen diese Art Bauten oft als Wirtschaftsbauten genutzt wurden, es sich bei den Einraumhäusern im Südost-Noricum offenbar zumindest teilweise um Wohnhäuser handelte. Dafür sprechen Heizungsanlagen oder Wandmalereien. Offenbar beruhte dies auf lokalen Traditionen. Im letzten Beitrag schließlich geht Sebastian Schmid anhand der Entwicklung des Kastells Arelape/Pöchlarn auf die militärische Sicherung der römischen Provinz durch Militärlager ein.

Den Abschluss bilden ein Poster, mit dem die Gästeführer des Limes in Baden-Württemberg ihren Verband der Limes-Cicerones (VdLC) den Tagungsteilnehmern präsentierte, ein Autorenverzeichnis, das Tagungsprogramm sowie einige Fotos, die einen Eindruck von der Tagung vermitteln.

Der vorliegende Band gibt einen guten Überblick über das Leben von Römern und Einheimischen am Limes und verdeutlicht, dass der Limes keine starre, undurchdringliche Grenze war. Im Gegenteil. Die Grenzregion rund um den Donaulimes war eine Region, in der Handel und Kulturaustausch blühten.

Mario Bloier(Hrsg.)

Biricianis. Kernprovinz – Grenzraum – Vorland. Kontakte und Strukturen vom 1. Jh. v. bis zum 6. Jh. n. Chr. im Bereich von Raetien, Noricum und benachbarten Gebieten

Nünnerich-Asmus Verlag
Erschienen 2022
160 Seiten, 133 Abbildungen
ISBN 978-3-96176-204-0

Das Buch ist unter anderem bei Amazon erhältlich. Ein Klick auf das Bild führt direkt dorthin.