Monat: Juni 2019

Buchbesprechung: ANTIKE WELT (Hrsg.), Auferstehung der Antike. Archäologische Stätten digital rekonstruiert (2019)

 

Die Zeitschrift „ANTIKE WELT“ feiert dieses Jahr ihren 50. Geburtstag. Zum Jubiläum hat die Zeitschrift ein Sonderheft herausgegeben, das uns in die Welt digitaler Rekonstruktionen antiker Städte entführt.

Anhand von zahlreichen Projekten wird zum einen gezeigt, welche Möglichkeiten die moderne Technik bietet, antike Befunde zu visualisieren. Andererseits werden Methodik und Datengrundlage vorgestellt, die für eine realistische Visualisierung notwendig sind. Jedem Kapitel über eine antike Stätte wird ein großformatiges, über zwei Seiten gehendes Foto vorangestellt. Das Kapitel selbst stellt dann auf zwei Seiten die Stadt, die Fragestellung des Projekts und die Ergebnisse vor. Eine kleine Infobox enthält eine stichpunktartige Zusammenfassung des Projekts: Projekttitel, Projektzeitraum, Methodik, Durchführung.

Unter den 25 vorgestellten Projekten finden wir beispielsweise Uruk, Pi-Ramesse, Akrotiri, das Forum Romanum, die Heuneburg, den Hafen Roms (Portus Romae), das römische Ladenburg, Pergamon, das römische Köln und die Hagia Sophia in Istanbul.

Dazu gibt es vier allgemeine Kapitel mit Hintergrundinformationen zu:

  • Erstellung von 3D-Daten im archäologischen und kulturhistorischen Kontext
  • Erstellung von digitalen Oberflächen und Geländemodellen sowie 3D-Modellen
  • Visualisierung von 3D-Modellen
  • Bereitstellung von Informationen für Studien, Zustandsüberwachung und Replikation – Digitalisierung und Rematerialisierung des Grabs Sethos‘ I

Im Anhang findet sich die „Londoner Charta für die computergestützte Visualisierung von kulturellem Erbe“ von 2009, ein Literaturverzeichnis zur Vertiefung der vorgestellten Projekte sowie ein Glossar.

Abonnenten der Zeitschrift haben das Heft als broschierte Ausgabe erhalten. Die gebundene Buchausgabe ist für 40 € im Buchhandel erhältlich.

Die Lipsanothek von Brescia: ein Reliquienkästchen aus Elfenbein (Teil 2)

Gipsabguss in der Ausstellung „Göttliche Ungerechtigkeit?“ (Akademisches Kunstmuseum der Universität Bonn 6. Mai – 28. Oktober 2018); Leihgabe Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz (Inv. 41905)

 

Auf den Schmalseiten setzen sich oben die Medaillons mit Aposteldarstellungen fort, wobei diese mal älter mal jünger dargestellt sind. Ob hier bestimmte Apostel unterschieden werden sollten, bleibt unklar. Die rechte Nebenseite zeigt unter den Aposteln links Moses am Berg Horeb und rechts Moses mit den Gesetzestafeln. Die Szene dazwischen ist umstritten. Dargestellt sind sieben Männer, die von Feuer umgeben sind. Eine mögliche Deutung sieht in dieser Szene die Bestrafung der Männer, die sich dem Aufstand Korachs gegen Moses angeschlossen hatten. Das Hauptbild dieser Seite zeigt die Heilung des Blinden und die Erweckung des Lazarus sowie in der unteren Bildleiste Szenen aus der Geschichte Jakobs.

Auf der linken Schmalseite sieht man unter den Apostelportraits die alttestamentarischen Geschichten von David und Goliath, der Tod des Propheten, der König Jerobeam warnt und Jerobeam vor dem Altar von Bethel. Das Hauptbild zeigt die Erweckung der Tochter des Jairus und darunter sind die Anbetung des goldenen Kalbes und das Fest zu seinen Ehren dargestellt.

Auf der Rückseite sind oben weitere Portraits älterer Männer in Medaillons dargestellt. Sind hier Apostel gemeint oder Heilige? Auch eine Deutung als Evangelisten wurde vorgeschlagen. Allerdings fehlen die in diesem Fall üblichen Symbole zur eindeutigen Zuweisung.

Darunter ist Susanne als Betende gezeigt, gefolgt von Jonas in der Kürbislaube und Daniel mit dem Drachen (der allerdings eher einer Schlange ähnelt). In der Hauptzone beruft Jesus am See Petrus und Andreas zu seinen Jüngern und daneben sehen wir die Geschichte von Hananias und Saphira, die starben, weil sie die Gemeinde um Geld betrogen hatten. Am rechten Rand des Kastens ist vermutlich Judas am Baum hängend dargestellt. Den Abschluss bilden in der unteren Bildleiste die Auffindung des Moses, Moses, der einen Ägypter tötet sowie ein Festmahl, dessen Deutung nicht klar ist.

Die Auswahl der dargestellten Geschichten aus dem alten und dem neuen Testament scheint auf den ersten Blick recht willkürlich. Allerdings ist bei einer so qualitätvollen Arbeit wie der Lipsanothek eher davon auszugehen, dass es dem Auftraggeber mit diesem Bildprogramm um eine bestimmte Aussage ging. Leider ist diese für uns heute jedoch nicht mehr nachvollziehbar, auch deshalb, weil nicht alle Szenen eindeutig bestimmt werden konnten.

 

Literaturhinweise:

  • Johannes Kollwitz, Die Lipsanothek von Brescia (1933)
  • Richard Delbrueck, Probleme der Lipsanothek in Brescia (1952)
  • Carolyn Joslin Watson, The Program of the Brescia Casket (Diss. 1977)
  • Catherine Brown Tkacz, The Key to the Brescia casket: typology and the Early Christian imagination (2002)
  • Frank Rumscheid, Sabine Schrenk, Kornelia Kressirer (Hrsg.), Göttliche Ungerechtigkeit? Ausstellung Akademisches Kunstmuseum der Universität Bonn 6. Mai – 28. Oktober 2018 (2018); S. 308-310

Die Lipsanothek von Brescia: ein Reliquienkästchen aus Elfenbein (Teil 1)

Gipsabguss in der Ausstellung „Göttliche Ungerechtigkeit“ (Akademisches Kunstmuseum der Universität Bonn 6. Mai – 28. Oktober 2018); Leihgabe Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz (Inv. 41905)

Eine Lipsanothek ist ein Kasten zur Aufbewahrung von Reliquien. Einer der bekanntesten frühchristlichen Reliquienschreine ist die Lipsanothek von Brescia, die sich heute im Museo di Santa Giulia in der norditalienischen Stadt befindet.

Dieser Reliquienschrein aus der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. wurde vermutlich in Mailand hergestellt, wo Bischof Ambrosius von Mailand (* 339 in Trier; † 4. April 397 in Mailand) gegen den Arianismus kämpfte. Die Figuren stehen in der Tradition antiker Darstellungen: gelängte Körperproportionen, Stand- und Spielbein sind deutlich herausgearbeitet. Der Frisurenstil weist in das späte 4. bzw. das frühe 5. Jh. n. Chr. Der Schrein ist ein mit Elfenbein verkleideter Holzkasten auf kleinen Füßchen, der an auf allen Seitenwänden und dem Deckel mit Szenen aus dem alten und dem neuen Testament geschmückt ist. Das Kästchen ist dabei nur 22 cm hoch, 32 cm breit und 25 cm tief.

Die Darstellungen auf dem Deckel zeigen Jesus im Garten von Gethsemane, seine Gefangennahme und die Verleugnung des Petrus, symbolisiert durch einen krähenden Hahn. Darunter wird Jesus auf der linken Seite den Hohepriestern Hannas und Kaiphas vorgeführt und auf der rechten Seite Pilatus, der seine Hände „in Unschuld wäscht“.

Die Vorderseite zeigt am oberen Rand Medaillons mit Portraits: im Zentrum Jesus, flankiert von je zwei Aposteln. Die beiden älteren direkt neben Jesus könnten ihrer Ikonographie nach Petrus (links) und Paulus (rechts) darstellen. Die äußeren Portraits sind neutral gehalten. Darunter sieht man links vom Verschluss des Kastens wie Jonas vom Wal verschlungen wird, während der auf der anderen Seite wieder ausgespuckt wird.

Das Hauptbild im Zentrum zeigt Jesus als Lehrer. Ob in der Synagoge oder unter seinen Jüngern lässt sich nicht entscheiden. Der architektonische Rahmen überhöht die Szene jedoch und weist auf Jesus als Herrscher. Dazu passt auch, dass er nicht wie in normalen Lehrszenen sitzt, sondern steht. Links von dieser Szene ist die Heilung der Blutflüssigen dargestellt, rechts das Gleichnis vom verlorenen Schaf.

In der unteren Leiste finden wir Susanna, die von den beiden alten Männern beim Bad beobachtet wird, sowie ihre Verurteilung und Rettung durch Daniel. Rechts befindet sich Daniel in der Löwengrube.

(Fortsetzung folgt …)

Die römische Nekropole von Carmona (Spanien)

Carmona, gut 40 Kilometer nordöstlich von Sevilla gelegen, wurde schon in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt. Auch die Römer nutzten die strategisch gute Lage auf dem Höhenzug Alcores am Fluss Guadalquivir und machten aus dem karthagischen Ort Kar-Hammon einen der blühendsten Handelsplätze Spaniens. Reste des römischen Ortes Carmo sind auch heute noch im Stadtbild sichtbar: neben dem Sevilla-Tor, dem Amphitheater, Reste der Wasserleitung und einer Brücke vor allem die 1881 entdeckte Nekropole an der Straße nach Sevilla in der Nähe des Amphitheaters.

Bei den gefundenen Gräbern handelt es sich vor allem um in den Felsen gehauene Grabkammern, die über einige Stufen zugänglich waren. Die Gräber stammen vermutlich aus dem 1. und 2. Jh. n. Chr., als die Brandbestattung noch die häufigste Bestattungsform der Römer war. Die Urnen wurden in Nischen abgestellt, die an allen Seiten der Kammer in die Wand geschlagen waren. Für Opfergaben im Rahmen des Totenkults gab es unter den Nischen in der Regel eine Bank.

Zwei Grabanlagen in Carmona stechen jedoch aus den üblichen heraus: das Elefantengrab und das Servilia-Grab.

Die Tumba del Elefante, benannt nach einer dort gefundenen Sandsteinfigur eines Elefanten, besitzt zusätzlich zur eigentlichen Grabkammer noch weitere Räume. Eine Küche, eine Zisterne und ein Speiseraum weisen darauf hin, dass man in dieser Grabanlage offenbar regelmäßig zu Gedenkmählern zu Ehren der Toten zusammenkam. Weichen diese Räume schon von der normalen Grabausstattung ab, so gilt die in Besonderem für einen Altarraum, der dem Kult von Kybele und Attis diente. Weitere Funde in dieser Nekropole legen nahe, dass der Gott Attis, der jedes Jahr starb und wieder auferstand, in Carmona besonders verehrt wurde.

Das Grab der Servilia (siehe Foto oben) hebt sich dagegen vor allem durch seine enormen Ausmaße von den anderen Gräbern ab. Im Zentrum der Anlage befindet sich ein Hof, das von Säulenhallen umgeben ist. Von diesen Umgängen gelangt man auf zwei Ebenen in verschiedene Räume, deren Wände bemalt sind. An der nördlichen Stirnseite des Hofes befindet sich die eigentliche Grabkammer. Ein Gang führt zunächst zur überkuppelten Hauptkammer. Im Zentrum der Kuppel lässt eine runde Öffnung Licht in die Kammer. Dahinter gibt es eine weitere Kammer mit einem Sarkophag.

Heute kann man diese Funde in einem archäologischen Park besichtigen, zu dem auch ein kleines Museum gehört.

Literatur:

  • M. Sales y Ferré: Estudios arqueologicos y historicos. Madrid 1887.
  • Antonio Caballos Rufino: Carmona Romana. 2. Auflage, 2 Bände, Ayuntamiento de Carmona/Universidad de Sevilla, Carmona 2012

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