In besonderen Heiligtümern, wie z. B. den panhellenischen Heiligtümern von Olympia oder Delphi, finden wir neben den Kultbauten zahlreiche Weihgeschenke von privaten Stiftern und auch von Staaten. Normale Weihgeschenke stehen eigentlich im Freien. Wertvolle oder besonders witterungsanfällige Geschenke lagerte man dagegen im Innern der Tempel. Hier war der Platz aber natürlich begrenzt. Staaten errichteten daher auch sogenannte Schatzhäuser. Diese dienten nicht nur der Aufbewahrung der Weihgeschenke, sondern kündeten in ihrem Bildprogramm oft auch vom Ruhm des jeweiligen Staates.
Der Grundtypus, ein sogenannter Antentempel, besteht aus einem rechteckigen Raum mit einer Vorhalle, zwischen deren seitlichen vorspringenden Wangen (Anten) zwei Säulen stehen. Bekannte Beispiele sind die Schatzhäuser von Gela und Megara in Olympia sowie jene von Athen, Sikyon und Syphnos in Delphi. Auf die Schatzhäuser in Delphi möchte ich im Folgenden näher eingehen.
Das Schatzhaus von Sykion, das wir heute noch sehen, wurde gegen Ende des 5. Jh. v. Chr. errichtet. Allerdings fand man im Fundament ältere Bauteile, die wohl von Vorgängerbauten von ca. 600 v. Chr. und 560 v. Chr. stammen. Die Metopen gehören zum Bau von 560 v. Chr. Sie zeigen die Argonautensage: den Widder mit dem goldenen Vlies (= Fell), den kaledonischen Eber, die Dioskuren mit Ideus und Lynkeus sowie Europa auf dem Stier.
Um 530 v. Chr. errichtete die kykladische Insel Syphnos ein Schatzhaus mit reichem Bildschmuck. Dargestellt sind unter anderem das Parisurteil, eine Götterversammlung und die Gigantomachie. Insgesamt lassen die Darstellungen der relativ gut erhaltenen Friese kein einheitliches Programm erkennen. Auch fehlen spezielle Hinweise auf Syphnos. Den Syphniern ging es offenbar weniger um ihre Selbstdarstellung, sondern vor allem um die Funktion als Weihgeschenk.
Das Athener Schatzhaus ist laut den Reisebeschreibungen des Pausanias ein Weihgeschenk für den Sieg von Marathon (490 v. Chr.). Zwar weisen die Architektur und die Inschrift auf dem Sockel auf eine Errichtung um 500 v. Chr., aber das Weihgeschenk für Marathon befand sich vermutlich auf dem Sockel außen. Es wurde also wohl erst später hinzugefügt.
Das Bildprogramm der Metopen zeigt im Norden und Westen Taten des Herakles, im Süden und Osten Taten des Theseus, darunter auf der Ostseite den Kampf gegen die Amazonen. Möglicherweise galt den Athenern die Amazonomachie als mythisches Vorbild für die Perserkriege. Die Sage erzählt, dass Herakles den Gürtel der Amazonenkönigin von Themiskyra rauben soll. Theseus begleitet ihn und entführt die Königin Hypolyte oder ihr Schwester Antiope. Daraufhin greifen die Amazonen Athen an. Das übergeordnete Thema der Darstellungen am Athener Schatzhaus ist die Auseinandersetzung mit dem Osten. Dabei wird Theseus hervorgehoben, der seit dem Ende des 6. Jh. verstärkt dargestellt wurde und als Stadtheros jetzt den Athener Stadtstaat und seine Erfolge repräsentierte.