Den antiken Kontext der Reliefplatten kennen wir leider nicht. Wir können daher nur Vermutungen über die ursprüngliche Verwendung anstellen und müssen bei unseren Überlegungen von den Platten selbst ausgehen.
Nach der Bedeutung der Motive hing das Monument, an dem die ravennatischen Marmorplatten angebracht waren, mit dem Kaiserkult zusammen. Es handelte sich daher wahrscheinlich um einen Tempel oder einen Altar für den Kaiser oder einen Divus, für den Genius Augusti oder den Divus Augustus.
Es stellt sich nun noch die Frage, wo und wie die Reliefs in einem solchen Monument Verwendung fanden. Mansuelli z. B. nahm einen kontinuierlichen Fries am oberen Ende einer Wand an. Ein kontinuierlicher Fries ist aber, wie die Rahmung des vollständigen Exemplars im Louvre zeigt, nicht möglich, sondern eher eine metopenartige Anordnung. Dies wird auch dadurch unterstützt, dass sich der architektonische Hintergrund von Platte zu Platte ändert. Beschi hält es außerdem nicht für möglich, die Platten oben an einer Wand anzubringen, da sie wegen der sorgfältigen Ausarbeitung sichtbar gewesen sein müssten. Er nimmt daher eine maximale Anbringungshöhe von 2 m an. Da keine Einlassungen für Metallklammern vorhanden sind, können sie, seiner Meinung nach, nicht in ein Marmorstruktur eingefügt gewesen sein. Ebenso hält er es aufgrund der glatten Rückseite ohne Rahmung nicht für möglich, dass diese Rückseite sichtbar war, wie z. B. im Fall einer Schranke oder einem Geländer. Beschi glaubt, dass die Platten am ehesten in eine Mauer eingefügt waren, um den unteren Teil einer Wand zu schmücken.
Meiner Meinung nach ist es allerdings durchaus möglich, dass die Reliefplatten höher als 2 m angebracht waren. Als Beispiel sei hier z. B. der Erotenfries vom Tempel der Venus Genetrix in Rom genannt: dieser ist ebenso sorgfältig ausgearbeitet wie die ravennatischen Reliefs und, obwohl sie sogar ein Drittel kleiner sind, schmückten sie den Architrav! Wären die Reliefs in eine Wand eingemauert gewesen, wäre, meines Erachtens, spätestens beim Herausbrechen aus der Mauer die Rückseite der Marmorplatten beschädigt worden, d. h. sie wären nicht mehr glatt.
Aufgrund der glatten Rückseiten und den fehlenden Einlassungen für Klammern u. ä., scheint mir eine Verwendung als Schrankenplatten zwischen zwei Säule recht wahrscheinlich. Die Platten wären dann mit der unteren Standplatte in den Fußboden oder eine niedrige Mauer eingelassen gewesen. Auch kommen die Platten mit nur 15 cm kaum tragende Elemente in Frage, und wenn wir eine Einfügung in eine Mauer ausschließen, bleibt eigentlich nur noch eine Funktion als Schranke.
Da wir für Ravenna zwei Reliefserien bezeugt haben, scheint hier eine dekorative Wiederholung der Platten an einem Gebäude vorzuliegen. Ich halte dies, im Gegensatz zu Beschi, auch bei einer tieferen religiösen oder ideologischen Bedeutung der Motive, durchaus für möglich.
Ein paar Berechnungen können uns schließlich noch eine gewisse Vorstellung von den Ausmaßen des Gebäudes geben, aus dem die Platten stammen. Bei mindestens zwölf anzunehmenden Reliefs pro Serie ergeben sich, mit ca. 2 m Länge pro Platte ungefähr 24 m. Nimmt man außerdem zwischen zwei Platten eine Säule an, dann erhalten wir schon für eine Serie eine Länge von etwa 30 m.
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