„Auch du, mein Sohn Brutus?“ Wer kennt ihn nicht, diesen Satz, der Gaius Julius Caesar zugesprochen wird. Auch wenn er dies vermutlich nie gesagt hat – einer der berühmtesten Morde der Weltgeschichte ist eng mit ihm verwoben.
Am 15. März 44 v. Chr., im römischen Kalender an den Iden des März, sticht eine Gruppe Männer zu Beginn einer Senatsversammlung auf Caesar ein. Sie sehen in ihm einen Tyrannen, wollen Rom von ihm befreien und die Republik wieder herstellen. Die Überlieferung spricht von sechzig Männern aus verschiedenen politischen Lagern, von denen die meisten jedoch anonym bleiben.
Michael Sommer rekonstruiert anhand der Überlieferung durch antike Autoren die Hintergründe, die zur Ermordung Caesars führten. Es geht ihm nicht nur um die Tat und die Mörder an sich. Wie bei aktuellen Kriminalfällen will er das Umfeld von Tätern und Opfer näher beleuchten: Welche historischen Hintergründe müssen in die Bewertung der Tat einbezogen werden? Was waren Caesar, seine Weggefährten und die Verschwörer für Menschen? Wie waren ihre Schicksale miteinander verwoben? Welche Motive bewogen die Verschwörer, sich zusammenzutun?
Sommer beginnt seine kriminalistische Analyse mit der Republik und Lucius Junius Brutus, dem mythischen Vorfahren des Caesar-Mörders. Der Überlieferung nach führte jener Brutus die Gruppe von Männern an, die den letzten König Roms töteten und als Gründer der Republik galten. Auch diese Geschichte gehört wohl ins Reich der Legende, zeigt aber welche Tugenden und Normen die Republik zusammenhielten. Vor allem aber begründet sie den Widerwillen des römischen Volkes und der Senatoren gegen jeden aus ihrer Mitte, bei dem sich andeutete, dass er „König“ werden wollte.
In einem zweiten Schritt stellt der Autor das Mordopfer vor: Caesars militärische und politische Erfolge, sein kluges Taktieren auf dem politischen Parkett, das allerdings schließlich zum Bürgerkrieg führte, als er am 10. Januar 49 v. Chr. den Rubikon überschritt. Aus diesem ging er zwar als Sieger hervor, doch danach war die Republik nicht mehr das, was sie mal war. Es war Caesar, der nun die Geschicke Roms und seiner Bürger bestimmte.
So hob er beispielweise die traditionelle Ämterlaufbahn aus den Angeln. Ab jetzt war nicht mehr wichtig, ob man einer angesehenen Familie entstammte, man selbst oder die Vorfahren sich um Rom verdient gemacht hatten. Wahlen waren, wenn sie überhaupt offiziell stattfanden, nur noch reine Formsache. Allein Caesar entschied, wer wann welche Stufe auf der politischen Karriereleiter erklomm. Dabei stieß Caesar jedoch selbst langjährige Weggefährten vor den Kopf, wenn es ihm wichtiger schien, einstige Gegner an sich zu binden. Caesars clementia, Gnade, war sprichwörtlich, aber nicht unumstritten. Nicht nur bei Caesars Weggefährten, auch die Begnadigten fühlten sich damit nicht alle wohl.
Diese politische Atmosphäre bildete also den Hintergrund für die übrigen Protagonisten der Mordsache Caesar. Sommer stellt ausführlich enge Weggefährten Caesars und seine Gegner in eigenen Kapiteln vor, darunter Trebonius, Octavius, Cassius, Marcus und Decimus Brutus sowie Marcus Antonius. Er analysiert, wie ihre politische Karriere vor, im und nach dem Bürgerkrieg verlief, welche Kränkungen oder Eifersüchteleien es durch das neue System gab, und wer sich schließlich den Verschwörern anschloss und aus welchen Gründen.
Wann genau sich die ersten Verschwörer um Cassius scharten, bleibt im Dunkeln. Spätestens nach Caesars Ausrufung zum Diktator auf Lebenszeit am 15. Februar 44 v. Chr. fanden sich jedoch immer mehr Senatoren, die sich ihnen anschlossen. Klar wird auch, dass diese Männer höchst unterschiedliche Gründe hatten, sich am Mord an Caesar zu beteiligen. Jeder der Protagonisten hatte natürlich seine eigene, ganz subjektive Sicht auf Caesar und seine „Herrschaft“. Zusammengenommen zeigen Sommers „Ermittlungen“ im Mordfall Caesar jedoch sehr gut, wie die römische Elite tickte.
Der Plan, der die Verschwörer vereinte, die Wiederherstellung der Republik, ging jedoch letztendlich nicht auf. Sie waren davon ausgegangen, dass die Bürger Roms und der Senat sie als Befreier von einem Tyrannen feiern würde. Doch sie täuschten sich. Niemand war ihnen dankbar für ihre Tat. Im Gegenteil. Und Caesar wurde nicht nur nicht als Tyrann verdammt, sondern stattdessen sogar vergöttlicht.
Der Mord an Caesar führte schließlich zu einem weiteren Bürgerkrieg, aus dem Octavius, der Adoptivsohn und Erbe Caesars, als Sieger und Alleinherrscher hervorging. Er, der inzwischen den Namen seines Adoptivvaters angenommen hatte, ging die Sache jedoch klüger an als der alte Gaius Julius Caesar. Offiziell stellte er die Republik wieder her. Zum Dank erhielt er den Beinamen Augustus, der Erhabene. Offiziell war er nur einer unter vielen anderen Magistraten. In Wirklichkeit jedoch war er derjenige, der nun das Sagen hatte.
Das Buch besticht durch seine lockere und manchmal humorvolle Ausdrucksweise, durch die es dem Autor gelingt, selbst die komplizierten gesellschaftlichen Verhältnisse dieser Zeit des Umbruchs dem Leser verständlich nahezubringen.
Michael Sommer, Mordsache Caesar. Die letzten Tage des Diktators
2. Auflage. 2024
316 S. mit 13 Abbildungen, 2 Karten und 2 Stammbäumen.
C.H.BECK. ISBN 978-3-406-82133-2
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