Monat: September 2024

THE hidden LÄND. Wir im ersten Jahrtausend

Große Landesausstellung in Stuttgart
13.09.2024–26.01.2025

„THE LÄND“ ist eine Kampagne Baden-Württembergs, um dieses Bundesland mit seinen vielfältigen Highlights zu präsentieren. „THE hidden LÄND“ schließt sich an diese Kampagne an und zeigt die im Boden verborgenen archäologischen Schätze in 5 Modulen.

Die Ausstellung führt uns durch die Geschichte Baden-Württembergs im ersten Jahrtausend nach Christus – 1000 Jahre, die die Ausstellung an einzelnen wichtigen Orten festmacht, die beispielhaft für eine bestimmte Epoche sind. Ziel ist es, dass der Besucher anhand dieser Orte ein Gefühl dafür bekommt, wie sich die Lebenswelten in diesem Zeitraum gewandelt haben.

Jedes Modul umfasst 200 Jahre und steht unter einem übergeordneten Motto: Integration, Migration, Kommunikation, Spiritualität und Herrschaft. Anhand archäologischer Quellen soll zum einen die Lebenswelt der Bewohner erklärt werden. Gleichzeitig zeigt die Ausstellung, dass wir die vergangenen Jahrhunderte nur durch zufällige Fenster erfassen können. Fenster, die durch Zufallsfunde entstehen. Zum Beispiel bei Bauarbeiten. Oder wenn, wie im Fall von Diersheim, ein Bauer einfach mal wieder einen alten Stein auf seinem Acker findet, der sich später als wichtiges archäologisches Zeugnis entpuppt.

Immer steht im Mittelpunkt eines Moduls ein besonderer Fundplatz, der durch mediale Effekte verdeutlicht wird. Um eine zentrale Installation gruppieren sich zunächst Vitrinen, die mit diesem Fundort zu tun haben. Im weiteren Kreis um diese zentrale Installation finden wir Vitrinen, die zusätzliche Aspekte vorstellen. Ähnlich wie bei einer Suche im Internet, bei der immer wieder periphere Aspekte vorgeschlagen werden. Das Ganze gleicht einem Bühnenbild, wie der Leiter des Landesmuseums, Herr Wolf, erklärt. Diese vertiefenden Vitrinen sind auch etwas anders gestaltet, sodass man den Unterschied sofort erkennt.

Die Ausstellung zeigt zum einen Fundplätze aus Baden-Württemberg, die aber andererseits auch überregionale Bedeutung haben. Teilweise finden wir sogar internationale Highlights.

Modul 1 – Integration

Den Anfang macht das Brandgräberfeld von Diersheim mit einem  Scheiterhaufen als zentraler Installation. Zu den Fundstücken in diesem Modul gehört der oben erwähnte auf einem Acker gefundene Stein. Der Sohn eines germanischen Fürsten ließ diesen Grabstein für seinen Vater aufstellen. Und dieser Sohn hatte bereits einen römischen Namen. Ein schönes Beispiel für die politische und kulturelle Anpassung der ursprünglichen germanischen und keltischen Bewohner an die römischen Besatzer.

Gleich in diesem ersten Raum finden wir unter den Vertiefungsvitrinen auch einige international bedeutende Fundstücke wie beispielsweise Grabfunde aus der Ukraine. So unter anderem einen Kessel, der in Rom gefertigt wurde, aber offenbar als diplomatisches Geschenk gedacht war. Denn die Halterungen für die  Henkel sind Köpfe von Sueben, die sich durch eine besondere Haartracht, einen seitlichen Haarknoten auszeichnen. Als Sueben verstanden die Römer alle germanischen Völker südlich des Mare Baltikum, der Ostsee.

Ein weiteres Prunkstück in Modul 1 ist ein prunkvolles Portal aus Ladenburg bzw. die  Beschläge dieses Tors, die wohl im 3. Jh. vor germanischen Angreifern in Sicherheit gebracht und vergraben wurden.

Modul 2 – Migration

Migration – bis heute ein wichtiger Bestandteil im Leben verschiedener Gesellschaften – begegnet uns in Modul 2. Im 3. Jahrhundert n. Chr. war das Römische Reich in eine tiefe Krise geraten. Kaiser und Gegenkaiser und dadurch resultierende Bürgerkriege führten zu einem wirtschaftlichen Niedergang der von den Römern besetzten Gebiete. Das römische Militär zog sich schließlich immer weiter zurück und ließ die einheimische Bevölkerung schutzlos zurück.

Für die Bauernhöfe im Hinterland der römischen Lager und Städte fielen damit die Hauptabnehmer weg. Gleiches galt ganz allgemein für Handel und Wirtschaft. Nach und nach ließen sich andere germanische Volksgruppen in den offengelassenen Gebieten nieder.

Diese Zeit der sogenannten Völkerwanderung stellt die Ausstellung am Beispiel einer Ladenzeile in Güglingen, einem römischen Vicus vor – mit den typischen römischen Streifenhäusern, die sich an der Straße entlangzogen. Die Lichtinszenierung in diesem Modul zeigt die Entwicklung von diesen Häusern über Holzbauten, die noch die alten Fundamente nutzen, bis hin zu Grubenhäusern.

Modul 3 – Kommunikation

Im Mittelpunkt des dritten Moduls steht der Reihengräberfriedhof von Lauchheim, der von nationaler Bedeutung ist. Auffällig ist, dass in den Gräbern nicht die Alltagskultur thematisiert wird. Denn alle diese Personen waren eigentlich Bauern. Stattdessen wird das Kriegerische herausgestellt – mit Waffen in den Gräbern. Sogar ein drei- oder vierjähriger Junge wurde mit Waffen beziehungsweise einem großen Schild bestattet. Typisch für Süddeutschland und Italien ist das Folienkreuz, das sich auch in einem dieser Gräber findet. Der restliche Teil der Grabbeigaben ist heidnisch. Auch Frauen werden nicht als Bäuerin dargestellt, sondern als die Hausherrin, die sich um das Weben von Stoffen kümmert.

Weitere Highlights unter den Grabbeigaben sind Stühle, Tische und alles, was zu einem Gelage dazugehörte, sowie die am besten erhaltene Leier, die wir kennen. Es ging den Menschen dieser Zeit also offenbar nicht darum, ihre Lebenswirklichkeit abzubilden. Stattdessen kommunizierte man mit den bei der Bestattung zur Schau gestellten Grabbeigaben die gesellschaftliche Stellung der Verstorbenen.

Modul 4 – Spiritualität

Spiritualität steht im Mittelpunkt des im selben Raum anschließenden nächsten Moduls, vorgestellt am Beispiel der ältesten Kirche in Südwestdeutschland – der Sülchenkirche von Rottenburg am Neckar. Während andere antike Religionen nur Männer zuließen, wie zum Beispiel der Mithraskult, oder Sklaven ausschlossen, zeigte sich das Christentum sehr integrativ. Hier waren alle willkommen.

Während die Grabstätten früher außerhalb der Ortschaften lagen, wollte man nun in der Nähe von Heiligen bzw. ihren Reliquien bestattet werden. Man begrub die Toten jetzt um Kirchen herum oder sogar in der Kirche. Manchmal errichtete man auch eine Kirche über einem Friedhof, der um einen Heiligen herum entstanden war.

Jeder wollte an der Aura eines Heiligen teilhaben und der Kult mit Reliquien führte teilweise zu skurrilen Blüten. So wurden Überreste von echten und vermeintlichen Heiligen regelrecht zerstückelt und in alle Welt zerstreut. Es gab sogar tragbare Reliquiare, von denen die Ausstellung einige zeigt. Reliquiare wie diese wurden von Wandermönchen mitgeführt, zum Beispiel von Sankt Gallus, dem Gründer von Sankt Gallen.

Modul 5 – Herrschaft

Im 9. und 10. Jahrhundert gliederte sich die Gesellschaft in Adel, Klerus und Bauern. Adel und Klerus grenzten sich durch Kleidung und Insignien ab, die ihren jeweiligen Stand sichtbar zur Schau stellten. Hierzu gehörten Siegelringe beim Klerus oder kostbar verzierte Schwerter beim Adel. Die arbeitende Bevölkerung durfte hingegen nicht einmal Waffen tragen.

Der König hatte in dieser Zeit keinen festen Regierungssitz, sondern reiste mit seinem Hofstaat von einem Wohnsitz zum nächsten. Einer dieser Wohnsitze war die Königspfalz Ulm, die im Mittelpunkt des fünften und letzten Moduls steht. In diesem Raum befindet sich auch eine der wenigen multimedialen Installationen der Ausstellung. Hier kann der Besucher Videos ansehen. Das Highlight ist jedoch die originalgetreue Kopie einer Schwertscheide, die wohl aus dem 11. Jahrhundert stammt.  

Campus Galli

Die Ausstellung bietet zum Schluss noch „Archäologie zum Anfassen“. Die Klosterbaustelle „Campus Galli“ in Meßkirch ist hier mit einem  Einblick in mittelalterliches Handwerk vertreten. Mit den Mitteln des 9. Jahrhunderts soll in Meßkirch ein Kloster auf Grundlage des weltberühmten St. Galler Klosterplans entstehen. Im Rahmen der Stuttgarter Ausstellung errichten verschiedene Handwerker nach und nach mit diesen einfachen technischen Mitteln eine kleine Hütte mit Schindeldach.

Zu dieser sehenswerten Ausstellung ist ein umfangreiches Begleitbuch erschienen, dass nicht nur die ausgestellten Funde und Orte ausführlich vorstellt. Es geht auch auf die Konzeption der medialen Präsentation ein und rundet das Erlebnis „THE hidden LÄND“ hervorragend ab.

Weitere Informationen: https://www.thehiddenlaend.de

Kurt Roeske, Kos. Zentrum der antiken Medizin. Ein kulturhistorischer Reiseführer (2024)

Der neueste Kulturreiseführer des Philologen Kurt Roeske nimmt uns mit auf die Urlaubsinsel Kos. Denn die Insel hat mehr zu bieten als Strand und Meer. Viele ihrer antiken Zeugnisse führen uns zu den Ursprüngen der Medizin. So befand sich auf Kos ein Asklepieion, d. h. ein Heiligtum des Asklepios, des Gottes der Heilkunst, und der wohl bekannteste Spross der Insel ist der Arzt Hippokrates, dessen Eid sich Mediziner bis heute verpflichtet fühlen.

Roeske stellt zunächst neben Geographie und Geologie die Geschichte und Wirtschaft der Insel von der Antike bis heute vor und unternimmt dann mit dem Leser einen Spaziergang zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt Kos. Im Bereich rund um den Hafen finden wir vor allem nachantike Bauten, aber auch das Archäologische Museum und die antike Agora, das griechische Stadtzentrum. Hier sieht man unter anderem Reste eines Aphrodite-Heiligtums und einer frühchristlichen Kirche, der sogenannten Hafenbasilika.

Mehr antike Spuren haben sich im Westen der antiken Stadt erhalten. Hier, wo sich die Hauptstraßen der römischen Stadt kreuzen, lebten die wohlhabenden Römer. Ein Beispiel für römischen Luxus ist die „Casa Romana“, die Rekonstruktion einer Stadtvilla, die im 3. Jh. n. Chr. auf den Resten von nicht weniger als drei Häusern aus dem 3. Jh. v. Chr. errichtet wurde. Weitere Sehenswürdigkeiten in diesem Viertel sind der Altar für Dionysos, der in seiner Form dem Pergamonaltar ähnelt, das Odeon, einem kleinen überdachten Theater, sowie das Nymphäum. Außerdem kann man in diesem Bereich einige interessante Mosaike des antiken Kos besichtigen.

Im nächsten Kapitel nimmt uns Roeske mit zum etwa vier Kilometer südwestlich der Hauptstadt gelegenen Heiligtum des Asklepios. Zunächst erfahren wir, was die Mythologie über den Heilgott erzählt, dann erkunden wir das Heiligtum, wobei Roeske nicht nur die archäologischen Überreste beschreibt, sondern den Leser, wie es für seine Buchreihe typisch ist, anhand von antiken Quellen den dortigen Kultbetrieb näherbringt.

Die wichtigste Heilmethode im Asklepieion war der Heilschlaf. Auf diese und andere Heilmethoden geht Roeske im nächsten Kapitel ausführlicher ein, das im Zeichen heilender Götter steht und mit den Wunderheilungen Christi und einiger Heiliger endet.

Bereits aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. stammen jedoch unsere ersten Zeugnisse einer eher rational-methodischen Medizin. Antike Schriften berichten von medizinischen Geräten wie Sägen, Klingen oder Messern, aber auch von Rezepturen und Heilanweisungen.

Als Begründer der empirisch-wissenschaftlichen Medizin gilt dagegen Hippokrates. Viel ist über sein Leben nicht bekannt, außer dass er von ca. 460 bis ca. 370 v. Chr. lebte. Er lernte sein Handwerk von seinem Vater und unternahm ausgiebige Reisen. Er begründete die Schule der Vier-Säfte-Lehre, die davon ausging, dass die Ursache von Krankheiten ein Ungleichgewicht der in jedem Körper vorhandenen Säfte – gelbe und schwarze Galle, Blut und Schleim – sei. Auch waren Anamnese, Diagnose und Prognose wichtigen Pfeiler seiner Heilmethoden. Es wurde dabei auch genau festgehalten, welche Krankheiten wie behandelt wurden und welchen Erfolg oder Misserfolg eine Behandlung hatte.

Ausgehend von diesen Anfängen der empirischen Medizin stellt Roeske die weitere Entwicklung der Medizin bis in die Moderne dar und endet mit einer kritischen Betrachtung der Fortschritte in der heutigen medizinischen Forschung.

Im Schlusskapitel nimmt uns Roeske mit auf einen Tagesausflug nach Patmos, wo er ausführlich auf die Apokalypse und ihren Verfasser Johannes eingeht, der dort lebte. Sicher ist, dass Johannes die Offenbarung hier auf Patmos geschrieben hat. Ob tatsächlich in der als Entstehungsort geltenden Höhle sei mal dahingestellt. Über dem Grab des Johannes entstand im 11 Jh. das „Kloster des Heiligen Johannes des Theologen“, das sich weithin sichtbar über der Hauptstadt der Insel erhebt.

Auch in diesem Buch über Kos und Patmos lässt Roeske die Vergangenheit durch zahlreiche schriftliche Zeugnisse lebendig werden, was den besonderen Reiz seiner kulturhistorischen Reiseführer ausmacht.

Kurt Roeske, Kos. Zentrum der antiken Medizin. Ein kulturhistorischer Reiseführer
Exkursion nach Patmos: Ein Tag auf der Insel des Johannes
Erscheinungsdatum: 07.06.2024
238 Seiten
ISBN: 978-3-8260-8649-6 

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