Sogenannte Schatzhäuser wurden in antiken Heiligtümern errichtet. Sie waren zum einen selbst Weihgeschenke, konnten aber auch um das eigentliche Weihgeschenke herum gebaut werden. Zudem wurden hier auch andere wertvolle Weihgeschenke aufbewahrt.

Das Schatzhaus, das die Stadt Athen in Delphi errichten ließ, ist ein kleines tempelartiges Gebäude. Es hat die Form eines Antentempels, besteht also aus einer Cella und einer Vorhalle mit vorspringenden Seitenwänden, zwischen denen 2 Säulen stehen. Das Gebäude ist etwa 6,6 breit, 9,7 m lang und 7,6 m hoch.

Nach Pausanias (Beschreibung Griechenlands Buch X, 11, 5 f.) handelt es sich bei diesem Schatzhaus um ein Weihgeschenk für den Sieg bei Marathon 490 v. Chr. und die Architektur weist auf eine Datierung um 500 v. Chr. Die Inschrift auf dem Sockel stützt die Datierung von Pausanias. Allerdings befand sich das Denkmal für Marathon wohl auf dem Socken außen, ist also vermutlich später dazugekommen.

Das Bildprogramm der Metopen zeigt im Norden und Westen die Taten des Herakles. Die übrigen Metopen sind den Taten des Theseus gewidmet. Dabei ist an den Schmalseiten jeweils eine Tat über mehrere Bildfelder verteilt, während die Langseiten auf jeder Metope eine andere Tat.

Die Hauptansichtsseite für die nach oben gehenden Pilger war die Südseite mit den Taten des Theseus. Über dem Eingang ist der Kampf gegen die Amazonen dargestellt. Dieser Kampf galt im 5. Jh. v. Chr. als mythisches Vorbild für den Kampf gegen die Perser. Herakles sollte den Gürtel der Amazonenkönigin Hippolyte rauben und geht zusammen mit Theseus zu den Amazonen. Dieser entführt Hyppolyte (oder ihre Schwester) Antiope nach Athen, wo er sie zur Frau nimmt. Daraufhin greifen die Amazonen Athen an.

Auf den Metopen sind weder Herakles noch Theseus dargestellt. Möglicherweise war der Raub der Königin bzw. ihrer Schwester auf dem Giebel darüber dargestellt.

Insgesamt wird Theseus beim Schatzhaus der Athener hervorgehoben. Noch im 6. Jh. v. Chr. war Theseus auf griechischen Vasen nur beim Kampf gegen den Minotaurus auf Kreta dargestellt. Seit dem Ende des 6. Jh. v. Chr. finden wir jedoch zahlreiche Darstellungen ganzer Theseuszyklen. Offenbar bestand nicht mehr nur Interesse an einzelnen Taten, sondern am Heros Theseus allgemein. Theseus diente den Athenern jetzt als Identifikationsfigur gegenüber anderen griechischen Städten.

Das übergeordnete Thema der Darstellungen ist die Auseinandersetzung mit dem Osten. Die Amazonomachie könnte dabei auf die Zerstörung Athens durch die Perser hinweisen.

Literaturauswahl:

  • H. Knell: Mythos und Polis. Bildprogramme griechischer Bauskulptur. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990, S. 52–62
  • J. Boardman: Griechische Plastik. Die archaische Zeit. Philipp von Zabern, Mainz 1994, S. 190–191
  • H. Büsing: Das Athener Schatzhaus in Delphi. Neue Untersuchungen zur Architektur und Bemalung. Marburg an der Lahn 1994. (Marburger Winckelmann-Programm, 1992)